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Kirche der
Vergessenen
Nicht Manager errichten die Kirche der Zukunft. Die stillen Bauleute warten im
Verborgenen
Eine Artikelreihe in „die Kirche“ zur
Frage: Wo werden wir in zwanzig Jahren sein? Die Zeit der geschäftigen
Alleskönner ist dann vorbei, meint Bernhard Hoppe, Pfarrer im Entsendungsdienst
im Kirchenkreis Lübben. Christus wird seine Kirche mit denen wieder aufbauen,
die vorher abseits standen.
Von Bernhard
Hoppe
„Christus baut seine Kirche um.“ Das hatte
der Berliner Superintendent Joachim Rißmann bereits in den 1990er Jahren
vorausgesagt. Doch wo und mit wem baute Christus seine Kirche? Beute er seine
Kirche nur noch in den Städten und in deren Nähe? Baute er seine Kirche nur noch
mit denjenigen, für die kein Weg zu weit und keine Zeit zu knapp war? Manches
sah danach aus. Trotzdem wurde gerade der ländliche Raum zum Bauplatz des Herrn.
Christus baute seine Kirche mit den statistisch Kinderlosen, den geographisch
Zurückgebliebenen, den arbeitsamtlich Erledigten, den schichtweise
Überarbeiteten. Den Bevölkerungsarmen wurde Christus verkündet als „der Stein,
den die Bauleute verworfen haben und der zum Eckstein geworden ist“ (Psalm
118,22; 1. Petrus 2,7).
Was aber waren das für Bauleute,
die so streng auswählten zwischen Bausteinen, die geeignet sind und denen, die
nicht geeignet sind? Es waren diejenigen, die seine Kirche lieber nach eigenen
Bauplänen bauten, anstatt Christus - den Bauherrn - zu fragen. Es waren die
Alleskönner, die von Ort zu Ort eilten, es aber nicht mehr schafften, still vor
Gott zu werden. Es waren die Organisatoren, die von Telefonanruf zu Telefonanruf
dachten, aber nur noch mühsam ihren Blick vom Terminkalender erhoben. Es waren
die Schnelldenker, die auf alles eine Antwort wussten, aber den leisen Fragen
kaum noch nachgingen.
Die Gemeinden schwankten
zwischen Unglauben und Glauben, ob diese Art des Bauens richtig sei. In
dieser Ungewissheit fingen manche Bauleute an, die alten Baupläne der Kirche zu
lesen. Die Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments sowie die Bekenntnisse der
Alten Kirche, der Reformation und des Kirchenkampfs wurden in den Gemeinden
wieder zu Gesprächsthemen. Die Gemeinden staunten über deren Aktualität und die
Bauleute wunderten sich, dass sie sich nicht schon eher auf diese Baupläne
besonnen hatten. Manchen tiefen Zweifel und manchen erbärmlichen Eigensinn
musste Christus - der Bauherr - wegtragen.
Der Bau wuchs. Die Gemeinden
opferten Zeit und Geld. Am wichtigsten aber war das geistliche Opfer -
der Glaube an Gottes Gegenwart unter dem gepredigten Wort, in Taufe und
Abendmahl sowie mit der lange Zeit vergessenen Beichte. Die Bauleute suchten
nicht mehr nach den idealen Gemeindegliedern, die etwas perfekt machten, überall
hinfuhren und vor Begeisterung für alles Neue kaum zu halten waren. Sie suchten
auch nicht mehr nach den idealen Hauptamtlichen, die für 20 Dörfer ihre
Gesundheit gefährdeten und dabei wussten, dass manch einer darauf wartete, auf
dem Land mitzubauen. Die Bauleute fanden statt dessen die verborgen Tätigen und
verborgen Wartenden. Die über Jahre die Kirche aufschlossen, die die Heizung
anstellten, die den Altar schmückten, die den Rasen mähten und bei alledem für
den anderen ein gutes Wort hatten.
Die Bauleute fanden die abseits
Stehenden, denen keiner etwas zugetraut hatte. Alle gingen sie los und klopften
an die Türen. Sie fanden die Kinder, die vor dem Fernseher hockten, sich aber
lieber von der Gnade Gottes erzahlen ließen. Sie fanden die Jugendlichen, die zu
Hause laute Musik hörten, jetzt aber den Ernst der zehn Gebote erklärt bekamen.
Die Bauleute fanden die Eltern, die versuchten, ihren Kindern Hoffnung für die
Zukunft zu geben, jetzt aber von der Hoffnung Gottes für die Welt erfuhren. Sie
fanden die Kranken, die Enttäuschung gewohnt waren, jetzt aber Trost fanden und
ihn selbst spendeten. Sie fanden die Älteren, die manche Schuld drückte und die
sich danach sehnten, Vergebung zu erfahren und sie weiter zu geben. Sie fanden
die Sterbenden, die in Gebet und Abendmahl noch einmal die Fülle von Gottes
Zuwendung erführen.
Die Bauleute hatten die lebendigen Steine
gefunden, die man übersehen, weggelegt oder für unbrauchbar erklärt hatte. Die
einst nicht Gottes Volk waren und die nicht in Gnaden waren, die wurden Gottes
Volk und waren jetzt in Gnaden (Hosea 2,25;). Petrus 2,10). Christus baute seine
Kirche um, indem er sich dort finden ließ, wo Kirche keine Zukunft mehr zu haben
schien.
Quelle: Evangelische Wochenzeitung "die Kirche" 49/2005 vom 4. Dezember
2005
(einige Textpassagen wurden vom Webmaster von stmichael-online.de durch
Fettschrift hervorgehoben!)
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