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Wie man durch Unwahrheiten und selektive Berichterstattung Zuschauer manipuliert
Von Reinhard
Junker
Das ZDF-Magazin Frontal 21 wirbt mit dem Motto „Die Wahrheit
ist oft dort, wo niemand hin will.“ Der Beitrag „Missionieren gegen Darwin -
Kreationisten verbreiten Zweifel an der Evolutionstheorie“ demonstrierte dieses
Motto eindrucksvoll. Am 15. 11. 2005 befasste sich das Magazin mit der
Studiengemeinschaft Wort und Wissen und mit dem Buch „Evolution - ein kritisches
Lehrbuch“ von Reinhard Junker und Siegfried Scherer. Einige Behauptungen der
Sendung lauteten:
- Die Evolution aller Lebewesen sei ohne jeden Zweifel eine
gesicherte Tatsache: „Evolution ist eine dokumentierte Tatsache, so sicher
wie zum Beispiel, dass die Erde keine Scheibe ist. Die Erde ist rund,
Evolution hat stattgefunden, daran zweifelt kein kompetenter, sachkundiger
Biologe mehr.“ (1)
- Schöpfungsgläubige sind christliche Sektierer und
ignorieren die Belege für Evolution: „Die Idee vom göttlichen Planer, der
Adam als ersten Menschen schuf, verbreiten christliche Sektierer in Büchern
und Videos“. „Sie leugnen schlicht naturwissenschaftliche Erkenntnisse und
Beweise.“ (2)
- Schöpfungsgläubige versuchen „Glaubensinhalte mit
wissenschaftlichen Fakten auf eine Ebene zu bekommen“. (3)
- Schöpfungsgläubige untergraben die Methodik der
Naturwissenschaft; dazu werde auch ein Lehrbuch eingesetzt, und es würden
„wissenschaftsfeindliche, irrationale Denkmodelle“ vertreten. „...
diese Bewegung, die eben durch dieses genannte Schulbuch repräsentiert wird,
untergräbt jetzt eben die Methodik der modernen Naturwissenschaften.“ Es
gebe „verstärkt Angriffe der Bibeltreuen auf ihre [der
Naturwissenschaftler] Forschungsgrundlagen“ (4)
- „In seinem
Biologie-Lehrbuch
stellt Scherer die christliche Schöpfungsidee als wissenschaftlich dar.“
(5)
- Die christliche Schöpfunglehre solle im Biologieunterricht
verankert werden: „Wolfram Ellinghaus ... hält alle Menschen für Nachkommen
Adams - und das soll im Biologie-Unterricht gelehrt werden.“ (6)
Diese Behauptungen sind falsch oder irreführend.
Wie aber schafft es Frontal 21 trotzdem, sie als Tatsachen zu präsentieren? Dies
gelingt durch die Kombination dreier tendenziöser Strategien:
- Die persönliche Meinung eines profilierten
Antikreationisten wird völlig unkritisch dargestellt. In der Sendung gibt es
keine Entgegnung auf ihn, er darf seine Meinung über die Schöpfungslehre und
über das evolutionskritische Lehrbuch widerspruchslos verbreiten.
- Aus Interviews mit Evolutionskritikern, aus dem Lehrbuch
und aus der Homepage von Wort und Wissen wird extrem selektiv zitiert.
- Ein Großteil relevanter Informationen wird dem Zuschauer
vorenthalten.
Zur Begründung greife ich einige Beispiele aus dem Frontal
21-Beitrag heraus. Dass die o.g. Behauptungen falsch sind, zeigt sich z.B. an
folgenden leicht nachprüfbaren Tatsachen:
- Die Studiengemeinschaft legt seit langem in vielen
Publikationen größten Wert darauf, die Ebenen von Glaube und Naturwissenschaft
zu unterscheiden.* (zu 3)
- Die Belege für Evolution werden in
„Evolution - ein kritisches Lehrbuch“ ausdrücklich und respektvoll
gewürdigt. Auch die Tatsache, dass diese Belege ausführlich kritisch
analysiert werden, zeigt gerade, dass sie eben nicht ignoriert werden. (zu 2)
- Die Methodik der Naturwissenschaft wird uneingeschränkt
anerkannt (Kapitel I.1 des Lehrbuchs); es wird aber auch auf die Grenzen
der Erkenntnismöglichkeiten dieser Methode hingewiesen. (zu 4)
- Die christliche „Schöpfungsidee“ wird im Lehrbuch gerade
nicht als wissenschaftlich dargestellt. Vielmehr wird sie im Kapitel
„Grenzüberschreitungen“ in einen möglichen (!) Bezug zu biologischen Daten
gestellt. (zu 5)
- Was als „wissenschaftsfeindlich“ bezeichnet wird, ist in
Wahrheit die Ablehnung des Monopolanspruchs des Naturalismus und
Materialismus in der Ursprungsfrage. (zu 1)
Aus langen Interviews mit Herrn Scherer und Herrn Ellinghaus
wurden nur wenige Fragmente herausgegriffen. Nach persönlicher Auskunft von
Herrn Scherer und Herrn Ellinghaus waren diese Interviewteile in keinster Weise
repräsentativ für das gesamte Interview.
Sämtliche evolutionskritischen Argumente auf der Homepage der
Studiengemeinschaft Wort und Wissen und im Lehrbuch wurden vollständig
verschwiegen. 90% des Lehrbuches befassen sich nur mit Evolution und
naturwissenschaftlicher Kritik derselben, das wurde den Zuschauern ebenfalls
nicht gesagt. Erst dadurch konnte in der Sendung der
Eindruck erweckt werden, man würde Belege für Evolution ignorieren.
Aus dem Lehrbuch und von der Homepage von Wort und Wissen
wurden fast nur solche Seiten gezeigt, in denen die Schöpfungslehre thematisiert
wird. Dieser Teil (im Buch sind es 10%) richtet sich vor allem an Christen, an
Religionslehrer und an Mitarbeiter in christlichen Gemeinden. Weiter wurde
verschwiegen, dass die aus dem Lehrbuch gezeigten Seiten allesamt aus dem
Kapitel „Grenzüberschreitungen“ stammen, aus dem Teil also, welcher im Buch
explizit als nicht-naturwissenschaftliche Grenzüberschreitung gekennzeichnet
ist. Stattdessen kommt der nirgendwo belegbare Satz: „In seinem
Biologie-Lehrbuch stellt Scherer die christliche Schöpfungsidee als
wissenschaftlich dar.“ Richtig wäre gewesen: In diesem Buch wird im Kapitel
„Grenzüberschreitungen“ diskutiert, ob und wie Inhalte des christlichen
Schöpfungsglaubens und biologische Daten jenseits von Naturwissenschaft
miteinander in Beziehung gebracht werden können.
Entgegen der Behauptungen von Frontal 21 soll die christliche
Schöpfungslehre nicht im Biologieunterricht verankert werden, diesen Sachverhalt
teilte Herr Scherer Redakteur Ulrich Stoll in schriftlicher Form etwa fünf
Wochen vor dem Sendetermin ausdrücklich mit. Das wurde von Herrn Scherer auch im
Interview gegenüber Frontal 21 ausdrücklich gesagt (vgl.
Evolution und Schöpfung in der Schule). (zu 6)
Das alles hätte Frontal 21 ohne Probleme wissen können,
schließlich wurde die Homepage der SG Wort und Wissen „gescannt“, und das
Lehrbuch sowie schriftliche und mündliche Informationen lagen reichlich vor.
Trotzdem wurden die o.g. Unwahrheiten und Verzerrungen einem Millionenpublikum
präsentiert. Man muss dem Frontal 21-Slogan wohl zustimmen: „Die Wahrheit ist
oft dort, wo niemand hin will.“
Anhang: Zur Trennung von Daten,
Deutungen und Weltanschauung
in „Evolution - ein kritisches Lehrbuch“
Die saubere Trennung von Daten, Deutungen und
Weltanschauung in „Evolution - ein kritisches Lehrbuch“ wurde auch von solchen
Autoren, Herausgebern oder Reportern positiv hervorgehoben, die unsere
Glaubensposition nicht teilen. Nachfolgend einige Beispiele:
„... dieses Lehrbuch ist methodisch nicht unsauber. Der
größte Teil behandelt rein empirische Fragen. Davon deutlich abgehoben sind
die letzten drei Kapitel mit der bezeichnenden Überschrift
„Grenzüberschreitungen“. Hier verweisen die Autoren darauf, dass wir immer
Neigung haben, das evolutive Geschehen weltanschaulich zu deuten, sei es
materialistisch, sei es im Sinn einer christlichen Schöpfungslehre. Solche
Deutungen werden von Junker und Scherer nicht als Konsequenzen der
Wissenschaft hingestellt, sondern als philosophische oder theologische
Optionen.“ (Hans-Dieter Mutschler: „Intelligent
Design. Spricht die Evolution von Gott?“ Herder Korrespondenz Jg. 59, Heft
10/2005, S. 497-500)
„Der Naturwissenschaftler und Theologe Dr. Reinhard Junker
und der Professor für mikrobielle Ökologie, Siegfried Scherer setzen sich sehr
sachlich und anschaulich mit dem Darwinismus auseinander. Ihr Buch „Evolution
- ein kritisches Lehrbuch“ trägt seinen Titel zurecht. Darin wird zunächst
sehr analytisch Darwins Theorie vorgestellt und mit interessanten und
anschaulichen Beispielen aus der Natur verdeutlicht. Sehr kritisch wird in
jedem Kapitel aufgezeigt, dass wissenschaftliche Daten entweder im Sinne
Darwins oder auch im Sinne einer Schöpfungslehre gedeutet werden können. Diese
Anmerkungen werden als Grenzüberschreitungen auch optisch abgesetzt und
ermöglichen den Einstieg in eine sachliche Diskussion. Die Fragen, die
Reinhard Junker und Siegfried Scherer an die Theorie Darwins stellen, weisen
auf derzeit noch ungeklärte Probleme hin.“
(Südwest-Rundfunk, SWR 2 Wissen, „Ist der Darwinismus eine Verdummungskapagne?
/ 7. 7. 99)
„Was ich als Naturwissenschaftler und absoluter
Nichtkreationist aber doch sehr sympathisch fand, ist diese eindeutige
Trennung zwischen Wissenschaft und Grenzüberschreitung, die Sie deutlich
markieren; ich meine, das würde ich mir bei manchen wissenschaftlichen Büchern
auch wünschen, dass ein bisschen deutlicher auf die Lücken und Unsicherheiten
hingewiesen wird, so wie Sie das machen.“ (Markus
Bohn in einem Radiogespräch mit Friedrich Wilhelm Graf, Reinhard Junker und
Thomas Waschke, SWR 2 Forum, 27. 9. 2005, über „Evolution - ein kritisches
Lehrbuch“)
Der 10-seitige Überblicksartikel „Evolution“ in der
„Enzyklopädie Naturwissenschaft und Technik“ des renommierten ecomed-Verlags
wurde von Reinhard Junker und Siegfried Scherer verfasst. Nach Auskunft des
verantwortlichen Redakteurs war der Anlass für die Anfrage für diesen Artikel
das Buch „Evolution - ein kritisches Lehrbuch“. Der Artikel wurde Anfang 2003
veröffentlicht. (Bei der
W+W-Geschäftsstelle kann ein Sonderdruck angefordert werden.)
Quelle:
http://www.wort-und-wissen.de/index2.php?artikel=disk/d05/3/d05-3.html
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