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Die Christus-Wahrheit im Spannungsfeld zwischen
Toleranz und Fundamentalismus
Vortrag auf dem 11. Gemeindetag
am 30. Mai 2002 in Stuttgart von Prof. Peter Beyerhaus - Gomaringen Quelle: Institut Diakrisis In seinem
Verhör vor Pilatus gab Jesus seinem heidnischen Richter auf dessen Frage:
"Bist Du dennoch ein König?" die bedeutungsvolle Antwort: "Du
sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß
ich die Wahrheit bezeugen soll." (Joh 18,37). Ja, dazu also ist der Sohn
Gottes als Mensch zu uns Menschen gekommen, damit er uns die volle Wahrheit über
Gott und das Woher und Wozu unseres Lebens offenbare. Diese uns durch Jesus
Christus authentisch mitgeteilte Wahrheit allein kann den Nebel unserer
Orientierungslosigkeit lichten; sie allein vermag unserer Gebundenheit durch die
dämonischen Mächte der Lüge zu sprengen kann, damit wir in Jesu Nachfolge
wahrhaft frei werden (Joh 8,31f). Ebenso wie
Jesus selbst wesentlich dazu in die Welt gekommen war, um die Wahrheit zu verkünden,
so sandte er nach seiner Auferstehung auch seine Apostel als seine Zeugen zu
allen Völkern. Sie sollten unter diesen das Evangelium von der Erlösung durch
Christi Kreuz und Auferstehung predigen und die gläubig Gewordenen lehren,
alles zu halten, worin er seine Jünger zuvor unterwiesen hatte. Darum nennt der
Apostel Paulus (1Tim 3,15) die Gemeinde des lebendigen Gottes einen
"Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit". Darum
scheut sich die Kirche auch nicht, für die ihr aufgetragene Botschaft einen
universalen Wahrheitsanspruch zu erheben. Sie erhebt ihn im Namen dessen, der
gesagt hat: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum
Vater denn durch mich" (Joh 14,6). Über
diesen Wahrheitsanspruch ist nun aber schon seit den Erdentagen Jesu ein
gewaltiges Ringen ausgebrochen; denn an seiner Kühnheit scheiden sich die
Geister. Denn die Menschheit ist in der Vielheit und Unterschiedenheit ihrer
Kulturen und Religionen in dem zunehmend engeren Raum der einen Welt zusammengerückt.
Überall begegnen sich im Miteinander der Menschen vielfältige
Wahrheitsbegriffe; es sind solche wissenschaftlicher, ideologischer und - nicht
zuletzt! - religiöser Art. Je tiefer nun die Anhänger der jeweiligen Richtung
von ihrer Wahrheit überzeugt sind, um so leidenschaftlicher versuchen sie,
diese allgemein zu Anerkennung zu bringen: mit werbenden Worten, mit dem
beglaubigenden Vorbild oder unter Umständen auch gewaltsam. Über solchem
Durchsetzungsbemühen kann es dann zu gefährlichen Konflikten kommen, ja sogar
zu blutigen Auseinandersetzungen. - Vor diesem explosiven Hintergrund wird
deutlich, warum heute von vielen Seiten her die Forderung Toleranz zum
wichtigsten Gebot der Stunde erklärt wird. Was
versteht man allgemein darunter? Tolerant sein heiße, so sagt man, für Versöhnung,
Koexistenz und Zusammenarbeit eintreten; denn nur so könne der bedrohte Frieden
bewahrt werden. Wer dagegen nicht "tolerant"in diesem Sinne ist,
sondern auf der Gültigkeit seines weltanschaulichen Standpunktes besteht, wird
alsbald als sog. "Fundamentalist" verpönt. Das aber ist einer der
schlimmsten Vorwürfe, die man heute einem Menschen machen kann. Häufig heftet
man- und hier wird unser Thema gerade für uns hier Versammelte hochbrisant! -
dieses Etikett gerade den sich als "bibeltreu" bezeichnenden Christen
an. Darum ist es unverzichtbar, daß wir uns heute einmal Klarheit darüber
gewinnen, wie das mit der Toleranz eigentlich ist. Sind bibeltreue Christen
wirklich so verbohrt, eng und verständnislos andern gegenüber, wie man uns
vielfach vorwirft? Darum wollen wir uns erst einmal bewußt machen, was diese
meist gedankenlos gebrauchten und zu Schlagwörtern verkommenen Vokabeln
eigentlich meinen. Wir müssen uns um eine saubere Begriffsbestimmung bemühen,
nicht aus Wortklauberei, sondern aus Verantwortung gegenüber dem uns Christen
aufgegebenen Zeugnis für die lebenswichtige Wahrheit. So fragen wir also: Was heißt
Toleranz? Was heißt
Fundamentalismus? Was ist
Fundamentalismus? Wie sollen
sich bekennende Christen zur Forderung nach Toleranz und zum Vorwurf des
Fundamentalismus stellen? 1. Was heißt Toleranz?
Das Fremdwort Toleranz leitet sich ab von dem
lateinischen Verbum tolerare, das zu deutsch "tragen",
"ertragen", "erdulden" bedeutet. Ein toleranter Mensch ist
also jemand, der bereit ist, eine Last auf sich zu nehmen, was er natürlicherweise
nicht mag. Schon diese sprachliche Herleitung zeigt an, daß Toleranz kein
charmantes Vergnügen ist, wie aus gewissen zweideutigen Zeitungsannoncen
hervorzugehen scheint: "Lebensbejahender Er sucht tolerante Sie".
Nein, echte Toleranz ist stets mit einem Opfer verbunden, zumindest einem
Verzicht.
Wichtig ist es nun, zu unterscheiden zwischen zwei Formen
oder Verständnissen von Toleranz, nämlich der persönlichen und der sachlichen
Toleranz. Die eine bezieht sich auf unser Verhalten gegenüber den Menschen, die
eine uns fremde Überzeugung vertreten; die andere auf unsere geistige
Beurteilung ihrer Wahrheit.
A. Beginnen wir mit der
persönlichen Toleranz. Sie urteilt nicht über die Überzeugung eines anderen,
sondern sie gilt seiner Person. Die Menschen in unserer Umgebung vertreten alle
irgend eine ihr Empfinden und Handeln bestimmende Wertvorstellung. Solche können
vom künstlerischen Ideal bis zur Weltmeisterschaft im Fußball variieren. So
lange eine Person das als ihre Privatangelegenheit für sich behältund nur
gelegentlich darüber spricht, wird uns das nicht stören. Wir werden sie
ausreden lassen und es wird uns nichts kosten, "tolerant" zu sein.
Problematisch dagegen wird es, wenn der betreffende Mitmensch seine Meinung ständig
penetrant in Wort und Verhalten zur Darstellung bringt. Eine solche Person - wie
z.B. ein Werber für eine bestimmte Sekte! - kann uns bald schwer erträglich
werden. Denn es kostet ein Maß innerer Selbstüberwindung, ihre Gegenwart
auszuhalten. Man denke an einen Menschen, der auch in der Nähe anderer ständig
Knoblauch kaut, vielleicht aus lebensreformerischen Grundsätzen!
Vielleicht kann uns dieses harmlose, aber drastische
Beispiel einen Hinweis geben sowohl auf die Berechtigung als auch die Grenzen
der Forderung nach persönlicher Toleranz. Menschen sind nun einmal sowohl
aufgrund ihrer Veranlagung als auch ihrer kulturellen Prägung verschieden.
Unsere pluralistische Gesellschaft läßt uns jedoch keine andere Wahl, als mit
unseren uns zu Nachbarn gewordenen fremden Mitmenschen zusammenzuleben. Wir
sollen uns bemühen, mit ihnen gemeinsam das Wohl unserer Gesellschaft zu
suchen. Wir können unsere Bereitschaft zur Koexistenz nicht davon abhängig
machen, daß die anderen zunächst so werden wie wir, daß sie also unsere
Kultur, unseren Lebensstil und unsere Religion übernehmen. Das, was uns eint,
ist unser gemeinsames Menschsein und unser gesellschaftliches Zusammenleben. Das
müssen wir so gut wie möglich gemeinsam zu bewältigen suchen. Im Übrigen
soll ein jeder das Recht und die Freiheit genießen, nach seinen persönlichen
Überzeugungen zu leben, solange er damit nicht verletzend in die Sphäre
anderer eingreift.
Dieses Toleranzverständnis entspricht jedenfalls unserer
neuzeitlichen Rechtsordnung, die auf den Grundwerten des Gewissensschutzes und
der demokratischen Freiheiten aufgebaut ist. Es kann sich zugleich auch auf das
Vorbild Jesu berufen. Nahm er seine Umwelt doch zunächst einmal so, wie sie
war, ohne sie in allen Stücken verändern zu wollen. Vor allem aber verzichtete
er bewußt darauf, den Menschen sein Evangelium mit Gewalt aufzuzwingen (Lk 9,
54-56). Vielmehr begegnete er auch Heiden oder den Samaritern mit menschlichem
Respekt, den er sogar den Zöllnern und Dirnen nicht versagte. Jesus konnte
deswegen menschlich tolerant sein, weil er ganz auf die geistliche Wirkung
seines evangelistischen Bemühens vertraute. Andererseits entband er die Ungläubigen
nicht von ihrer eigenen Verantwortung für die zeitlichen und ewigen Folgen
ihrer Ablehnung seiner Botschaft. Er appellierte an ihr Gewissen: "Wer aus
der Wahrheit ist, der hört meine Stimme" (Joh 18,37).
Im Bezug auf diese erstgenannte menschliche Toleranz
gegenüber Anhängern anderer Lebensanschauungen und Religionen können wir uns
sicher mit der Mehrheit unserer Zeitgenossen einigen, - jedenfalls bisher.
Christen sollten solche den Angehörigen einer anderen Religion erwiesene
Toleranz nicht prinzipiell in Frage stellen. Leider ist das in der Geschichte
der Kreuzzüge, Konfessionskriege und auch Judenpogrome lange Zeit geschehen.
Denn wir sollten nicht vergessen, daß ja auch das Ende der altkirchlichen
Christenverfolgungen einem Toleranz-Edikt, nämlich dem 312 n.Chr. in Mailand
von Kaisers Konstantin erlassenen, zu verdanken war. Deswegen können wir heute
das Recht der von uns als Gastarbeiter ins Land gerufenen muslimischen Mitbürgern
nicht bestreiten, ihre Freitagsgebete in ihren vielerorts erbauten Moscheen zu
verrichten. Hier ist die Forderung nach persönlicher Toleranz gegenüber sowohl
einzelnen als auch Gemeinschaften berechtigt. Begründeten Einspruch sollten wir
allerdings dagegen erheben, wenn von den Minaretten wie in islamischen Ländern
nun auch inmitten unserer Städte fünf mal am Tage- durch Lautsprecher verstärkt
- die Muezzime in Ohren betäubendem Ton ihre Shahadah verkünden, in der mit
antichristlicher Spitze der Eingott Allah zum einzigen Gott und Mohammed als
sein Prophet proklamiert wird. Denn hier ist die Grenze der persönlichen
Toleranz eindeutig überschritten.
B.
Nun stehe ich allerdings unter dem Eindruck, daß viele Leute beim Einfordern
von "Toleranz" nicht mehr allein deren soeben behandelte persönliche
Gestalt im Auge haben. Vielmehr denken sie zunehmend eher an die zweite, d.h.
sachliche Toleranz, die man besser auch als "inhaltliche Toleranz"
bezeichnen kann. Damit verbindet sich vielfach die Vorstellung, daß alle
Religionen und sich moralisch begründenden Lebensstile gleichberechtigt
nebeneinander bestehen können; denn - so meint man - ihre Inhalte seinen doch
alle in gleichem Maße wahr, bzw. ethisch verantwortbar. Ja, auch ihre
verschiedenen Gottesvorstellungen und Namen bezeichneten doch letztlich ein und
dieselbe übermenschliche Macht.
Oder aber man bezweifelt wie Pilatus relativistisch, daß
es überhaupt eine objektive und deswegen universal gültige Wahrheit gibt. Man
hat nämlich seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert den Glauben an eine von
Gott der Menschheit gegebene Offenbarung preisgegeben. Deswegen ersetzt man mit
G. Ephraim Lessing (1729-81) die Wahrheit als solche mit der beständigen Suche
nach ihr. Das Maß der dabei gefundenen Wahrheit solle - wie Nathan der Weise in
seiner Ringparabel lehrt - sich daran erweisen, inwieweit eine bestimmte
Religion - heiße sie Christentum, Judentum oder Islam - dem einzelnen
Wahrheitssucher zu einem tugendhaften und sinnvollen Leben verhilft. Praktisch
solle dann jeder nach der Religion leben, die ihm am meisten gibt. Welche dies
ist, könne letztlich nur jeder für sich persönlich beantworten. Da schließlich,
wo über diesen privaten, innerseelischen Bereich hinaus nach Maßstäben für
eine von allen Bürgern verbindliche sittliche Ordnung gesucht wird, gelte es,
im Dialog zwischen den Vertretern möglichst vieler Religionen und
Weltanschauungen einen Konsensus darüber zu finden, wozu jeder von seinen
Voraussetzungen her ja sagen kann. Das Ergebnis sind dann so allgemein
akzeptable Maximen wie: Freiheit, Humanität, Friedensbereitschaft, Menschenwürde,
Gleichberechtigung, Solidarität. Mit dem Tübinger Theologen Hans Küng kann
man sie wohlformuliert in einem universal zu akzeptierenden
"Weltethos" zusammenfassen.
Verborgen bleibt dabei allerdings, daß diese Parolen in
unterschiedlichen Situationen und von unterschiedlich geprägten Voraussetzungen
her ganz widersprüchlich gefüllt werden können. Um nur zwei heute umstrittene
Prüfsteine für solches Weltethos zu nennen: Wie steht es z.B. mit dem heute
von vielen postulierten Recht auf Abtreibung unerwünschten menschlichen Lebens
und um dessen Tötung auf Verlangen, d.h. der kürzlich in Holland und Belgien
legalisierten Euthanasie? Was heißt in diesem Falle "sachliche
Toleranz"? Bedeutet es etwa, daß jede Mutter autonom entscheiden darf, ob
und bis zu welchem Wachstumsstadium sie das Kind in ihrem Leibe töten lassen
darf? Bedeutet es, daß der unheilbar Kranke selber oder sein Arzt oder seine
Angehörigen stellvertretend entscheiden dürfen, ob ihm die sogenannte
Sterbehilfe zu gewähren sei? Was sagt hierzu das viel berufene Weltethos?
Es ist deutlich, daß bekennende Christen eine so relativ
verstandene "sachliche Toleranz" von ihren dogmatischen
Voraussetzungen her nicht akzeptieren. Sie dürfen es weder auf religiösem noch
auf moralischem Gebiet. Für sie ist es nicht egal, ob man durch die Versöhnung
durch Jesus Christus zu einer ewigen Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott kommt,
oder aber ob man durch die buddhistische Erleuchtung über die Wesenlosigkeit
der sichtbaren Welt, ja sogar des eigenen Ichs sich am Ende von tausend
Reinkarnationen auflöse, um in das leere Nichts, das Nirvana einzugehen.
Auch dürfen gläubige Christen nicht darauf verzichten,
unter den Angehörigen anderer Religionen zu missionieren - wohl wissend, daß
genau das von vielen Zeitgenossen als Ausdruck unerträglicher Kultur-Arroganz
betrachtet wird. Gilt es doch, die dämonische Trugbilder zu entlarven und zur
Bekehrung zu dem lebendigen Gott aufzurufen Das heißt also: Inhaltliche
Toleranz hat es, wenn es um den Glauben geht, unüberschreitbare Grenzen.
Ebenso dürfen Christen in der öffentlichen Debatte um
die Zulässigkeit unterschiedlicher Formen des Sexualverhaltens nicht
verschweigen, daß Gott uns für unser Zusammenleben klare Weisungen in Gestalt
von Gebot und Verbot erteilt hat. Über deren heutige Gültigkeit und
Anwendbarkeit hat deswegen nicht etwa ein vom Bundeskanzler einberufener
"Ethikrat" und auch kein Parlament demokratisch gewählter
Volksvertreter zu entscheiden. Vielmehr müssen die Kirchen und Gemeinden vor
Ort unbeirrbar für die bleibende Verbindlichkeit des biblisch geoffenbarten
Willen Gottes eintreten, notfalls im öffentlichen Protest. Die Konferenz
Bekennender Gemeinschaften hat dies erst kürzlich getan, indem sie eine
ethische Orientierungshilfe erarbeitete und nun verbreitet unter dem Titel:
"Die Zehn Gebote - Gottes Wegweisung in unserer Zeit".
Was aber passiert, wenn wir weiterhin konsequent Gottes
Wort als Maßstab sowohl zur Beurteilung religiöser Wahrheit als auch für die
sittliche Gesetzgebung herausstellen? Als bekennende Christen, ob Protestanten
oder Katholiken, werden wir alsbald erfahren, daß uns der Zeitgeist wie ein
Sturmwind ins Gesicht bläst. Dann wird uns der Vorwurf entgegengeschleudert,
wir verstießen mit unserer unbeugsamen Haltung gegen das Grundgebot der
Toleranz. Man empört sich darüber, daß wir gegenüber den von uns
Differierenden die Gleichberechtigung ihres Verständnisses von Wahrheit
abstreiten und folgert daraus, daß wir ihnen letztlich das Existenzrecht
aberkennen. Ungeachtet unseres freundlichen Verhaltens anders Denkenden gegenüber
werden hier inhaltliche und persönliche Toleranz flugs in eins gesetzt.
Und nun entdecken wir die überraschend, daß die Anwälte
der inhaltlichen Toleranz gegenüber denen, die ihren Relativismus nicht
anerkennen, plötzlich sehr intolerant auftreten können. Man schließt sie aus
der Gemeinschaft der an der öffentlichen Meinungsbildung Beteiligten, z.B. im
Lehrberuf oder in der Medienarbeit aus. Man schneidet ihnen das Wort ab oder
betreibt ein existenzbedrohendes Mobbing gegen sie. Aus der im modernen Sinne
gedeuteten sachlichen Toleranz, die der amerikanische Autor Josh McDowell als
die "neue Toleranz" bezeichnet und beschrieben hat, wird also im
Umschlag in ihr eigenes Gegenteil eine totalitäre Ideologie. Diese sucht allen
Menschen das Bürgerrecht zu entziehen, die sich aufgrund ihrer unwandelbaren
ethisch-religiösen Überzeugungen nicht ihrem Grundgebot fügen, auch andere
Denk- und Verhaltensweisen als gleich wahr und gleich berechtigt anzuerkennen,
die ihnen widersprechen. So veranstaltet z.B. an der amerikanischen Universität
Stanford die "Schwulen- und Lesbenallianz" jedes Frühjahr einen
"Shorts-Tag", an dem alle Dozenten und Studenten ihre Solidarität mit
ihren homosexuellen Kommilitonen öffentlich demonstrieren sollen, und zwar
dadurch daß sie in Shorts zu den Vorlesungen kommen. Und Schande über den, der
hier aus der Reihe tanzt! Wie aber soll in einer solchen Situation ein
gewissenhafter Christ sich verhalten, der sich nicht darüber hinwegsetzen kann,
daß in der Heiligen Schrift sowohl im Alten wie im Neuen Testament der
homosexuelle Verkehr als eine schwere Sünde vor Gott gebrandmarkt wird, die vom
Reich Gottes ausschließt (3. Mose 18,22; Röm 1,26f. 1. Kor. 6,9) ? Es ist überhaupt
erstaunlich und bestürzend, wie heute in aller Welt und in allen Institutionen,
- einschließlich der Kirchen! - die Anerkennung der praktizierten Homosexualität
- geradezu ein Schibboleth geworden ist, an dem sich die Tugend der "neuen
Toleranz" zu erweisen hat! Könnte es sein, daß der altböse Feind sich
diesen Punkt als das infame Mittel ausgeklügelt hat, mit dem er einzelnen
Christen und ganzen Kirchen das geistliche Rückgrat zu brechen sucht, um sie
moralisch gefügig zu machen? Eine schon eingangs erwähnte Waffe, die man gegen solche Christen anwendet, welche unbeirrt an der bleibenden Gültigkeit der geoffenbarten Wahrheit in Gesetz und Evangelium festhalten, ist, daß man sie hämisch als "Fundamentalisten" brandmarkt. Das bringt uns zu unserer zweiten Leitfrage: 2. Was ist Fundamentalismus?
"Fundamentalismus" wird allgemein als Synonym
gebraucht für Engstirnigkeit, intellektuelle Rückständigkeit, mangelnde
Sensibilität für die Erfordernisse unserer zur Einen Welt zusammenrückenden
Menschheit. In schlimmen Fällen steckt man seit der Revolution des Ayatollah
Khomeini im Jahre 1979 die christlichen "Fundamentalisten" - ganz
gleich ob diese sich selber so bezeichnen oder nicht - in die gleiche Kategorie
wie auch zur Gewalttätigkeit greifende reaktionäre Fanatiker anderer
Religionen. Man verdächtigt sie des Rassismus, Sexismus und Rechtsextremismus
und läßt sie so als Gefahr für den Weltfrieden erscheinen.
Weil es aber gleichzeitig immer noch - besonders in
Amerika - konservative Kirchen und Theologen gibt, die sich selber unbeirrt als
"Fundamentalisten" bezeichnen, ist es wichtig, sich auch hier um eine
Klärung des Begriffs zu bemühen. Das Wort hat seinen geschichtlichen Ursprung
in einer in den Jahren 1910-15 auftretenden Bewegung angesehener evangelikaler
Theologen in den USA. Aus Besorgnis über den in die Kirchen eindringenden
Liberalismus veröffentlichten sie unter dem übergreifenden Titel "The
Fundamentals" eine Reihe von zwölf Bänden. Hierin stellten sie jene
zentralen biblischen Wahrheiten heraus, welche nach allgemeiner evangelischer Überzeugung
die unaufgebbaren Grundlagen des christlichen Glaubens überhaupt bilden: Die
Autorität der Bibel, die göttliche Dreieinigkeit, die Göttlichkeit Christi,
sein Sühneopfer am Kreuz, seine leibliche Auferstehung und Wiederkunft zum Jüngsten
Gericht. Diese Bewegung trug wesentlich dazu bei, die evangelikalen Christen in
Amerika in ihren bibeltheologischen Überzeugungen zu festigen.
Wie ist es dann aber dazu gekommen, daß das Wort
"Fundamentalismus" später einen so negativen Beigeschmack bekam?
Leider versäumte man es später an den konservativ-evangelikalen Bibelschulen,
sich ernsthaft mit den geistigen Herausforderungen durch den Fortschritt der
Naturwissenschaften und die philosophischen Zeitströmungen auseinanderzusetzen.
Deswegen gerieten die Evangelikalen bei ihren modernistischen Gegnern weithin in
den Verruf mangelnder akademischer Kompetenz. - Hier ist allerdings nach dem II.
Weltkrieg durch die Gründung neuer theologischer Seminare und durch eine
beachtliche Forschungstätigkeit eine bemerkenswerte Wandlung eingetreten. Noch verhängnisvoller wurde für die bibeltreue Bewegung
die Tendenz, ihre theologisch konservative Haltung eng zu verbinden mit
sozial-politischem Konservatismus. Auch beharrten sie vielfach auf
traditionellen Formen der Gemeindeordnung sowie des persönlichen Lebensstiles.
Am fatalsten wirkte der Hang gerade auch kleinerer Geister, sich selber als
alleinige Repräsentanten der unverfälschten protestantischen Kirche
auszugeben, während sie bei ihren Mitchristen schon die leiseste Abweichung von
ihrer eigenen Position unter den Verdacht des Glaubensverrats stellten. So griff
man solche deswegen an, die in ihrem Streben nach umfassender evangelikaler
Gemeinschaft und Zusammenarbeit eine etwas großzügigere Haltung einnahmen,
indem sie z.B. gelegentlich bei Evangelisationen unter kirchlich entfremdeten
Bevölkerungsschichten zusammen mit erwecklich gesonnenen Katholiken auftraten.
Davon blieb sogar ein Billy Graham nicht verschont. "Fundamentalismus"
kann in der Tat von innen heraus entarten zu einem verknöcherten
Strukturkonservativismus, der allen geistlichen Neuaufbrüchen
prinzipiell abhold ist. Unbiblischer Separatismus aber lähmt die
evangelistische Stoßkraft und gibt die bekennenden Christen schließlich dem öffentlich
Gespött preis.
Ich möchte aber betonen, daß dies Erscheinungen sind,
die man weder den geistigen Vätern dieser Bewegung noch ihren heutigen
besonnenen Vertretern anlasten darf. Denn sie vertraten bzw. vertreten ja das
durchaus berechtigte Anliegen, die wirklich unaufgebbaren Fundamente des
christlichen Glaubens zu schützen. Und es geht ihnen zugleich darum
herauszustellen, daß die Christus-Wahrheit ihre immer aktuelle Bedeutung gerade
auch in den Nöten einer zunehmend gottentfremdeten Gesellschaft nicht verloren
hat. Das Bild von der Kirche als geistlichem Haus, das auf dem festen Fundament Jesus Christus und dem apostolischen Bekenntnis zu ihm erbaut ist, stammt ja unmittelbar aus Jesu Mund selber (Mt 16,16-18), und die neutestamentlichen Episteln spielen mehrfach darauf an (1. Kor. 3,10f.; Eph 2,20; 1. Pt 3,4-6). Letztlich gilt ja für jede Kultur, für jede Philosophie und Religion und auch jede weltanschaulich bestimmte politische Partei, daß sie nur so lange Glaubwürdigkeit und Bestand haben kann, wie sie ihren ursprünglichen Grundlagen treu bleibt. Zerbröckelt jedoch das Fundament, stürzt schließlich der ganze Bau zusammen. Das könnte sehr wohl das baldige Schicksal unserer europäischer Völker sein - in unserem weitverbreitenden Spandauer Bußwort vom Oktober 2000 haben wir davor gewarnt! - ja, es könnte auch das Schicksal unserer evangelischen Volks- und Freikirchen werden. Ihren Hirten und Lehrern rufen wir deswegen zu: Gebt acht auf die Fundamente! 3. Wie sollen sich bekennende Christen zur Toleranzforderung und zum Fundamentalismusvorwurf verhalten?Nachdem
wir uns bewußt geworden sind, wie vieldeutig die Begriffe "Toleranz"
und "Fundamentalismus" sind und welch agitatorischer Mißbrauch mit
ihnen getrieben wird, kann mein erster Ratschlag nur lauten: Lassen wir uns
nicht aus der Fassung bringen, wenn man sie uns schlagwortartig oder gar als
Totschlag-Keule vorhält in der Absicht, uns für ein anderes Wahrheitsverständnis
gefügig zu machen. Prüfen wir zunächst einmal, was überhaupt gemeint ist und
welches Ziel die Gesprächspartner verfolgen. Wir haben als Christen keinen Anlaß,
uns den Wertmaßstäben des Zeitgeistes blind zu unterwerfen. Wir stehen unter
einem höheren Auftraggeber und gewinnen unser Wahrheitsverständnis allein aus
seinem heiligen Wort. Was wahre Toleranz ist, wenn andere uns böswillig der
"Intoleranz" zeihen, lernen wir nirgends besser als bei Jesus, der als
Lamm Gottes die Last der Sünde der Welt auf sich genommen und weggetragen hat
(Agnus Dei qui tollis peccata mundi - Joh 1,29). Und welches die wahren
Fundamente sind, auf die wir unser Vertrauen im Leben und Sterben setzen dürfen,
sagt uns Paulus: "Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der
gelegt ist: Jesus Christus" (1Kor 3,11). Mein
zweiter Ratschlag lautet: Wenn wir aber spüren, daß unser Gesprächspartner
wirklich ein ernstes Anliegen verfolgt und er Anstoß an unserem Reden und
Verhalten gegenüber anders Eingestellten nimmt, prüfen wir uns dann, ob in
seinem Einwand ein Korn von Wahrheit liegen könnte. Geht es uns in unserem
missionarischen Zeugnis wirklich darum, daß Jesus in seiner Rettungsabsicht
gewinnend zu Worte kommt? Oder aber wollen ihm gegenüber arrogant die
Richtigkeit unseres eigenen Standpunktes demonstrieren? Nur aus einer demütigen
Haltung heraus können wir deutlich machen, daß es die Liebe Jesu ist, die uns
treibt, sie auch den erfahren zu lassen, der Ihm noch ablehnend gegenüber
steht. Paulus ermahnt uns (Eph 4,15), "wahrhaftig zu sein in der
Liebe". Das gilt sowohl für die missionarische Begegnung mit Andersgläubigen
und Skeptikern als auch für das theologische Gespräch mit teilweise
andersdenkenden Mitchristen. Diesen gegenüber ist es mitunter sogar angebracht,
nicht nur persönliche, sondern auch inhaltliche Toleranz zu üben. Denn wir
sollten nicht vergessen, daß die in der Heiligen Schrift geoffenbarte Wahrheit
weiter ist, als sie ein einzelner Christ oder auch eine ganze kirchliche
Gemeinschaft oder Frömmigkeitsrichtung erschöpfend erfassen kann. Wenn
wir uns in hitzige Streitgesprächen mit unseren Mitchristen verwickeln, seien
wir darum vorsichtig mit dem Häresie-Vorwurf. Denken wir vielmehr daran, daß
ja auch der Bruder und die Schwester die Bibel lesen und den Heiligen Geist
anrufen, sie der Pfingstverheißung entsprechend in alle Wahrheit zu führen
(Joh 16,13). Mein
dritter und abschließender Ratschlag lautet: Da, wo man uns im Namen der
Toleranz eindeutig dazu drängen sucht, den biblischen Standpunkt zugunsten
eines zeitgeistig veränderten Wahrheitsverständnisses preiszugeben, haben wir
als bekennende Christen vollmächtig zu widerstehen. Aktuell
gilt das heute zum einen für den Glauben an Jesus Christus als den einzigen der
Welt zum Heil gesandten Erlöser. Diesen Glauben dürfen wir unter keinen Umständen
zugunsten einer der Welteinheit dienenden Religionsvermischung opfern, selbst
wenn Papst und Ökumenische Konzilien uns dazu ermuntern sollten. Es
gilt zum andern, gerade heute einzutreten für das biblische Ethos besonders im
fünften und sechsten Gebot des Dekalogs. Das fünfte schützt die unaufgebbare
Würde des menschlichen Lebens von der Empfängnis bis zum Tode, das sechste die
von Gott gestiftete Ordnung der Ehe. Als lebenslange Verbindung eines Mannes mit
einer Frau zur gegenseitigen Stütze begründet sie auch die Familie, die
Keimzelle des Volks. Niemals dürfen Christen einer "neuen Moral"
zustimmen, welche andersartige geschlechtliche Verbindungen als ebenfalls
gottgewollt behauptet. Denn dann gerieten in der Tat die sittlichen Grundlagen
der menschlichen Gesellschaft aus ihren Fugen. Ich
weiß sehr wohl, daß bekennende Christen, die es wagen, hier zu widerstehen,
den Verruf der Intoleranz und des Fundamentalismus auf sich ziehen. Ja, in
England und Schweden ist die Lage bereits eingetreten, daß Leute mit
gerichtlicher Verfolgung bedroht werden, wenn sie es wagen, die biblische Sicht
der Homosexualität als auch heute gültig zu betonen. Auch Prediger würden
davon betroffen sein. Hier kommt Christen ihr Zeugnis für die Wahrheit im wörtlichen
Sinne teuer zu stehen. Das läßt - nicht nur in Schweden! - sogar manche Bischöfe
zurückschrecken. Doch das Zeugnis für die Christus-Wahrheit konnte schon immer teuer sein. In manchen Zeiten führte es zum Martyrium. Echte Nachfolger bestanden auch diese äußerste Glaubenserprobung im Blick auf ihren Herrn, der als König der Wahrheit vor Pontius Pilatus ein unerschrockenes Zeugnis für die Wahrheit abgelegt hat. Er mußte dafür durch die Nacht des Todes gehen. Doch nicht einmal der Tod konnte die Wahrheit zum Schweigen bringen. Am dritten Tage erstand Jesus aus dem Grabe; er erschien seinen Jüngern und bevollmächtigte sie durch den Heiligen Geist, die Wahrheit in alle Welt zu tragen. Daß die Wahrheit gegen alle Mächte der Lüge am Ende auch sichtbar triumphieren wird, ist gewiß. Wenn Christus in Macht und Herrlichkeit wiederkehren wird, werden sich alle Knie beugen vor Ihm, der die lebendige Wahrheit in Person ist. |