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Christian Braw, aus "Naden och Världen"
Stockholm 1993, übersetzt von Pfr. i. R. J. Diestelmann. Entnommen: "BRÜDERN-Rundbrief"
Nr 5 A/2002
„Wir glauben an den Heiligen Geist,
eine heilige, katholische (christliche) Kirche“ – dies bekennen wir mit dem
Apostolischen Glaubensbekenntnis. Was aber bedeuten die Worte “Eine heilige
Kirche?“
Wenn
man Berichte aus der Kirche liest, bekommt man eher den Eindruck von einer
Kirche, die unheilig ist, unsicher, schwankend, im jeweiligen Trend liegend und
angestrengt ausgelassen. Aber auch beim Lesen kirchlicher Zeitungen bekommt man
zuweilen eine Ahnung von etwas anderem, wenn man dabei Kirchenleuten mit einem
tiefen Glauben begegnet, solchen, die selbst dem Heiligen begegnet sind. Diese
Menschen vermitteln eine Ahnung von dem, was es bedeutet, daß Gottes Volk ein
heiliges Volk sein soll, das Anteil hat am göttlichen Wesen. Auch in unseren
Gemeinden gibt es solche Menschen. Sie sind wie Pfeiler in unseren
Ortsgemeinden. Wenn man ihnen begegnet, versteht man etwas von dem Inhalt des
Wortes „eine heilige Kirche“. Aber dennoch ist es nicht allein so. Auch
unter den „Pfeilern“ der Gemeinden gibt es solche, die überhaupt nicht
heilig sind und die Enttäuschung hervorrufen.
Kennzeichen
der Kirche
Wie
kann man dann überhaupt von einer „heiligen Kirche“ reden? Bevor wir diese
Frage behandeln, stellen wir eine andere: Wo begegnen diese Menschen dem
Heiligen? Sie begegneten ihm in der christlichen Gemeinde in Gottes Wort und
Sakrament. Wenn wir von der Kirche reden als von der „Gemeinschaft der
Heiligen“, geht es zu aller erst um die Gemeinschaft an den heiligen
„Dingen‘, das heißt an Gottes Wort und Sakrament. Das Wort und die
Sakramente sind im eigentlichen Sinne das Heilige in der Kirche. Darum werden
das Wort und die Sakramente Kennzeichen der Kirche genannt. (lateinisch: nota
ecclesiae) Wo es sie gibt, da kann
man mit Gewißheit wissen, daß sie heilig ist.
Martin
Luther hat in seiner Schrift „Von der Kirche und den Konzilien“ die Frage
von den Kennzeichen der Kirche untersucht. Wenn Luther von der Kirche spricht,
denkt er überhaupt nicht an so etwas wie eine Institution, sondern an die
Gottesdienst feiernde Gemeinde. Dort findet man, daß es das Heilige in der
Kirche gibt, die Kennzeichen der Kirche.
Das
erste unter
diesen Kennzeichen der Kirche ist Gottes Wort. Luther schrieb: „Dies ist
das Hauptstück und das heilige Hauptheiligtum, von dem das christliche Volk
heilig heißt. Denn Gottes Wort ist heilig und heiligt alles, auf das es trifft,
ja es ist selbst Gottes Heiligkeit.“ Wo also Gottes Wort verkündigt, öffentlich
bekannt, angenommen und geglaubt wird, da ist eine heilige Kirche, das heißt
ein christliches, heiliges Volk.
Das zweite
Kennzeichen der Kirche ist das Sakrament der Heiligen Taufe „wo
es nach der Ordnung Christi recht gelehrt, geglaubt und gebraucht wird“.
Das
dritte
Kennzeichen der Kirche ist das Heilige Abendmahl,
das heilige Sakrament des
Altares, “wo es recht nach Christi
Einsetzung gereicht, geglaubt und empfangen wird“. Es ist ein Heilsmittel,
das heißt, es verwandelt die, die es empfangen, so daß die Heiligkeit des
Heiligen Abendmahles in die Abendmahlgäste übergeht.
Das
vierte
Kennzeichen der Kirche ist der Löse- und Bindeschlüssel, der in der in der öffentlichen
und in der privaten Beichte angewandt wird: “Wo du nun siehst, daß man etlichen Personen die Sünde vergibt oder
Sünder straft, es sei öffentlich oder einzeln, da wisse, daß Gottes Volk da
ist.“ Auch dies ist ein Heilsmittel. Es verwandelt Menschen, so daß sie
gleich Gott werden.
Das fünfte
Kennzeichen der Kirche ist das Amt der Kirche. Es ist dazu da, die eben
genannten Kennzeichen der Kirche zu verwalten. Dies Amt ist dazu da, daß die
vier Heilsmittel zu uns gelangen. Das Amt ist heilig, nicht die Person des
Amtsträgers. Der Amtsträger muß wie alle andern Christen auch darauf aus sein,
geheiligt zu werden. Heilig ist er nicht auf die gleiche Weise wie die Heilige
Taufe oder das Heilige Abendmahl. Seine Heiligkeit oder Unheiligkeit nimmt weder
den Sakramenten etwas, noch gibt sie ihnen etwas. Luther sagt: „Wo du nun dieses
Amt oder die Inhaber dieses Amtes siehst, da sollst du wissen, daß es da ein
christliches, heiliges Volk gibt.“
Das
sechste
Kennzeichen der Kirche ist das gemeinsame Gebet und der Lobgesang, “daß
man öffentlich Gott lobt und dankt“. Zu diesem Kennzeichen der Kirche gehört
auch die öffentliche Unterweisung in Gottes Wort, was aus diesem Gesichtspunkt
auch ein Lobpreis Gottes ist. Es handelt sich also um das, was wir Gottesdienst
oder Liturgie nennen. Auch der Gottesdienst ist ein Heilsmittel: Durch ihn
bekommen wir Anteil an Gottes Heiligkeit.
Gottes
Heiligkeit hat man lateinisch ein „mysterium
tremendum et fascinosum“ genannt, das heißt ein Geheimnis, das zugleich
ein heiliges Erschaudern wie auch ein heiliges Sehnen hervorruft, Es ist ebenso
mit dem Heiligen in der Kirche: Es erweckt zugleich Hoffnung und Furcht. Es ist
etwas ganz Andersartiges.
Wo
darum das Heilige in der Kirche hervortritt, erweckt es zugleich auch Widerstand
und Haß. Das ist das
siebente Kennzeichen der Kirche,
das heilige Kreuz,
„daß man alles Unglück und Verfolgung, allerlei Anfechtung und Böses (von dem
wir beten im Vater unser) vom Teufel, der Welt und dem Fleisch erleiden muß. Denn kein anderes Volk auf Erden muß solch bitteren Haß
leiden“..
Und
dies, „weil es allein Christus und
niemanden sonst als Gott haben will“. Das Christentum ist nämlich etwas
sehr, sehr schlichtes. Das sind die drei kleinen Worte: „Jesus ist der
Herr.“ Aber diese drei Worte sind die schwersten von allen. Sie rufen Bestürzung
und Bitterkeit im Herrschaftsbereich des Teufels hervor. Wird Jesus der Herr in
dem Leben eines Menschen, dann ist ja das Böse abgesetzt. Da kann es ihn nicht
mehr regieren und verderben. Diese drei kleinen Worte erwecken Unruhe und
Kampfeslust bei allen Menschen und den Organisationen, die über uns herrschen
wollen. Nun achten sie darauf, daß sie ihre Macht nicht verlieren! Dies ist ja
wirklich das große Interesse aller Machthaber: ihre Macht zu behalten und
auszuweiten. Aber die drei kleinen Worte erwecken auch Widerwillen in unserem
eigenen Inneren, denn sie bedeuten das Ende unserer eigenen liebsten
Beschäftigung: das ständige Kreisen um das „Ich“, das „Mich“ und das „Mein“.
Das
ist der Grund, warum das heilige Kreuz kommt. Es ist die Bestätigung, daß die
sechs anderen Kennzeichen der Kirche in Kraft sind, daß Jesus durch sie der
Herr geworden ist, daß eine Begegnung mit dem Heiligen stattgefunden hat. Aber
auch das heilige Kreuz ist ein Heilsmittel: Dadurch wird das sterbliche Wesen
des Menschen verwandelt in ein lebendiges Abbild Gottes: „...wenn auch unser äußerer
Mensch verfällt, so wird doch der innere von Tag zu Tag erneuert.“ (2.Kor
4,16) Davon handelt die Bibel von der ersten bis zur letzten Seite: Von der
Erneuerung der Schöpfung, wie die alte Schöpfung zur neuen verwandelt wird.
Das ist die Heiligung. Sie geschieht durch das Heilige in der Kirche, das wir
hier als Kennzeichen der Kirche genannt haben. Alle unsere Gottesdienste,
Sonntagsschulen und Gemeindegruppen, alle Chöre, Jugendversammlungen und
Kinderstunden, alle Gemeindebesuche und Mitarbeiterbesprechungen, alle Aktivitäten
haben das gleiche Ziel. Alles zielt auf das eine und selbe Ziel ab: Die Erneuerung der
Schöpfung, die Verwandlung der alten Schöpfung zur neuen. Anders ausgedrückt:
Was wir schon im ersten Buch Mose lesen, wird seinen Abschluß im letzten
Kapitel des Offenbarungsbuches finden.
Nach
dieser Erneuerung sehnen wir uns so intensiv und fürchten sie doch zugleich,
denn kein Leben wird ohne Schmerzen geboren. Die Erneuerung der Schöpfung und
unsere eigenen Erneuerung geht nicht schmerzlos vor sich. “Mit Schmerzen sollt du Kinder gebären. “Dieses Wort (l. Mose
3,16) gilt auch für die Gemeindearbeit. für das Taufgespräch, für
Jugendgruppen und kirchliche Jugendarbeit. Das ist so seit dem Sündenfall.
Aber
wir wollen am liebsten leben, als ob es so etwas wie einen Sündenfall nie
gegeben hätte, so daß die Gemeinde ihre Kinder ohne Schmerzen gebären könnte,
und die Schöpfung ohne Angst verwandelt werden könnte.
Deshalb
geschieht es leicht, daß man versucht, den Schmerzen der Verwandlung zu
entgehen. Man schiebt das Heilige beiseite, Gottes „mysterium tremendum et fascinosum“, das Heilige in der Kirche. Statt dessen setzte man
auf das Leichte und Wohlbekannte, auf Unterhaltung jeder Art. Und wenn man tüchtig
ist, kann man Erfolge erzielen mit Familien-Rallyes, Ausflügen und Diskotheken,
eben auf die Art und Weise, wie man Menschen zusammenbringt.
Aber
nichts geschieht. Es wird kein neues Leben hervorgebracht. Wenn die Aktivitäten
des Tages vorbei sind, ist alles vorbei. Es hat sich nichts ereignet. Tod,
Ziellosigkeit, und Hoffnungslosigkeit regieren uneingeschränkt weiter bei den
Menschen, die man auf diese Weise zusammen gebracht hat.
Wenn
man versucht, den Schmerzen der Geburt zu entgehen, kommt man schließlich
dahin, daß überhaupt kein Leben geboren wird. Mit der Kirche Jesu Christi ist
es nämlich so, daß sie niemals von der Peripherie her erneuert wird, sondern
nur von ihrer Mitte. ihrem Zentrum her. Wenn also Gottes Wort rein und klar und
ohne Vorbehalte vorgetragen wird, beginnt die Erneuerung. Wenn die Taufe hoch
geachtet und gefeiert wird als Fest der neuen Geburt, wenn das heilige Abendmahl
im Zentrum des Gemeindelebens steht, dann geschieht die Erneuerung. Das
geschieht auch, wenn wir Gottes Gnade suchen in der Absolution und Beichte. Das
geschieht, wenn die Amtsträger der Kirche anfangen, ihr Amt hoch zu schätzen
und geachtet werden als Seelsorger. Dann ist die Verwandlung der Schöpfung im
Gang, dann drängt das Leben den Tod bei Vielen beiseite. Das Geschieht, wenn
die häusliche Frömmigkeit und der Gottesdienst der Gemeinde immer mehr geprägt
wird von der Gegenwart des Heiligen. Da hat die Erneuerung begonnen. Dein
eigenes Morgengebet, die Hausandacht mit der Familie, das Tischgebet. das
gottesdienstliche Leben in der Kirche – alles das wird zum Werkzeug der
Erneuerung je mehr es erfüllt wird von der offenbarten Wahrheit Gottes.
Aber
dann, wenn alles dies geschieht, erfährt es Widerstand, ja unversöhnlichem Haß.
Das ist das Heilige Kreuz. Und das ist etwas ganz anderes als wenn man nur
Beschwerlichkeiten bekommt, weil man ichbezogen und urteilslos lebt. Das Heilige
Kreuz ist etwas, was man dafür tragen muß, daß man Jesus zum Herren hat. Auch
das ist ein Heilsmittel. Es verwandelt den Menschen und macht ihn Jesus gleich,
während dagegen Beschwernisse, die man sich durch Hochmut und Dummheit zuzieht,
den Menschen oft bitter und gehemmt macht.
Es
sind also die sieben heiligen Kennzeichen der Kirche, durch die die Kirche
heilig wird. Durch sie wird die Kirche geheiligt, verwandelt und erneuert, so daß
sie zu einer heiligen Kirche wird. Dies ist etwas, was überall da in Gang
gesetzt wird, wo es die sieben Kennzeichen der Kirche gibt, wo man sie recht
gebraucht und wo sie im Glauben angenommen werden.
Die
Kirche wird heilig genannt, weil Christus sich für ihre Heiligung geopfert hat
und weil ihre Glieder auf dem Wege der Heiligung sind. Sie ist heilig, weil das
Blut Christi für sie vergossen ist und weil ihre Glieder nach Heiligkeit
streben. Bo Giertz sagt in seinem Buch „Grunden“ („Der Grund“): Die
Kirche ist heilig, denn Christus ist heilig. Die Gnadenmittel sind heilig und
die Glieder der Kirche sollen durch sie geheiligt werden. Weil die rechten
Glieder der Kirche geheiligt werden, wird die Kirche die Gemeinde der Heiligen
genannt.“
Die
Lehre von der Heiligkeit der Kirche gibt eine Wegweisung und Zielsetzung für
alles Gemeindeleben. Das, was bedeutungsvoll und fruchtbar ist, das läßt die
Heiligkeit der Kirche in den Kennzeichen der Kirche hervortreten und bewirkt, daß
es zu einer Begegnung mit dem Heiligen kommt, das verwandelt und erneuert. Was
bedeutungslos und schädlich ist, das verdeckt oder entstellt die Heiligkeit der
Kirche in den Kennzeichen der Kirche. Es verhindert die Begegnung mit dem
Heiligen, durch die die Erneuerung geschehen soll.
Es
gibt Zeiten in der Kirchengeschichte, in denen diese grundlegenden Einsichten
verdeckt und verdunkelt werden, wie wenn ein Felsen in der Mündung eines
Flusses vom Schlamm verdeckt wird. Das sind Verfallszeiten. Aber dann kommen
andere Zeiten, in denen der Schlamm weggespült wird und der Fels der Wahrheit
aus Neue hervortritt. Das sind Zeiten der Erneuerung und Reformation, in denen
das Leben über den Tod siegt. |