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Einige Gedanken zur Lehre von der Kirche

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1. Was meinen wir, wenn wir „Kirche“ sagen?
2. Der Dienst der Versöhnung

2.1. Objektive und subjektive Erlösung
2.2. Der Dienst der Versöhnung
2.3. Kirche und Demokratie
3. Das evangelisch-lutherische Bekenntnis von der Kirche nach dem "Augsburgischen Bekenntnis"

3. Schlußfolgerungen

 

1. Was meinen wir, wenn wir „Kirche“ sagen?

Schon, wenn wir das Wort „Kirche“ in den Mund nehmen, müssen wir eigentlich dazusagen, was wir denn eigentlich damit meinen. Es werden ja oft völlig verschiedene Dinge gemeint, wenn Begriff „Kirche“ gebraucht wird: etwa ein Gebäude, in das ich gehe oder der Gottesdienst oder eine Konfession oder eine Organisation oder eine einzelne Kirchgemeinde.

So müssen wir vor allem klären: Was meinen wir, wenn wir „Kirche“ sagen?

Im griechischen Urtext des NT steht für das, was in den verschiedenen Bibelübersetzungen mit „Kirche“, „Gemeinde“ oder „Versammlung“ übersetzt wird, jeweils nur das eine Wort „ekklesia“.
Das griechische Wort „Ekklesia“ ist ursprünglich ein Begriff aus der Politik und meint die Zusammenkunft der stimmberechtigten Bürger einer griechischen Stadt auf der öffentliche Angelegenheiten behandelt wurden

Wie kam dieser ursprünglich „politische“ Begriff in das Neue Testament?
Die Juden, die in der Antike außerhalb Israels lebten und auch die an den Gott Israels gläubig gewordenen Heiden lasen das Alte Testament. Da sie aber der hebräischen Sprache nicht mächtig waren, benutzten sie eine griechische Übersetzung des AT, die sogenannte "Septuaginta". In dieser griechischen Übersetzung des Alten Testaments wird das Wort „ekklesia“ als Übersetzung für das hebräische „qāhāl“ verwendet (Manchmal auch "kahal" transkribiert). Der Ausdruck „qāhāl“ ist eine der alttestamentlichen Bezeichnung für das Volk Gottes. In der Wuppertaler Studienbibel heißt es darüber zu 1 Kor 1,2:

„Ekklesia“ tou theou" (= Gemeinde Gottes) ist ... Wiedergabe des atst "kehal Jahwe" (Mi 2,5; 4 Mo 16,3;20,4), wie auch das Wort ”kahal” als solches oder in der Verbindung "kehal Jisrael" vielfach Israel feierlich als das Gottesvolk bezeichnet. Schon die LXX (= Septuaginta: grie. Übersetzung des hebr. AT) übersetzt dieses "kahal" mit "Ekklesia". Diesen Sprachgebrauch nimmt Paulus auf. Dabei bleibt aber das Moment des Versammeltseins wichtig. Auch "kahal" blickt vielfach gerade auf das "versammelte" Gottesvolk, zu dem gesprochen wird, z. B. 5 Mo 31,30. Wer nicht an der Versammlung der Gemeinde teilnimmt, gehört nicht wirklich zu ihr.

Soweit die “Wuppertaler Studienbibel”.

Wir können also zunächst sagen, daß der neutestamentliche Terminus „ekklesia“ das versammelte Volk Gottes bezeichnet.

Als „versammeltes Volk Gottes, als „ekklesia“, wird im Neuen Testament nun folgendes bezeichnet:

  1. Das gesamte Volk Gottes an allen Orten und zu allen Zeiten:
    Die Eine, heilige, allumfassende, apostolische Kirche, wie sie im
    Nizänischen Glaubensbekenntnis bekannt wird.
    Eph 1,22f.: „Und alles hat er seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Gemeinde gegeben, die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allen erfüllt.
     

  2. Das gesamte Volk Gottes an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit:
    1 Kor 1,1f: „Paulus, berufener Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, und Sosthenes, der Bruder, an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, den Geheiligten in Christus Jesus, den berufenen Heiligen.
     

  3. Die verschiedenen Versammlungen der Christen an einem bestimmten Ort:
    Heute etwa vergleichbar mit verschiedenen Kirchgemeinden oder Hauskreise, in denen sich das eine Volk Gottes einer Stadt in verschiedenen Versammlungen traf, ohne daß es aufhört, ein einziges Volk zu sein: 
    Röm 16,3.5f.: „Grüßt Priska und Aquila, ... und die Gemeinde in ihrem Haus!“

Im NT wird das Wort „ekklesia“ in der Mehrzahl und in der Einzahl verwendet:

Es grüßen euch die Gemeinden Asiens. Es grüßen euch vielmals im Herrn Aquila und Priska samt der Gemeinde in ihrem Hause.
1 Kor 16,19:

Der neutestamentliche Befund ergibt also:
Egal, ob ein Hauskreis, eine Pfarrei, das versammelte Gottesvolk eines Ortes oder die unter ihrem Haupt Christus vereinten Christen aller Zeiten und Orte: es gehört alles zusammen und alles ist Kirche.
Die "Kirche“ verwirklicht sich in dieser Zeit und Welt in den örtlichen gottesdienstlichen Versammlungen der Christen, auch wenn sie sich eventuell an verschiedenen Stellen eines Ortes in unterschiedlichen Versammlungen sammelt.

Ein Wort noch zu dem "Unterschied" zwischen "Kirche" und "Gemeinde" Wir verwenden den Begriff „Kirche“ vorzugsweise vom gesamten Volk Gottes aller Zeiten und Orte (Gesamtkirche) und den Begriff „Gemeinde“ vorzugsweise für die einzelne konkrete Versammlung (Ortsgemeinde). Diese Unterscheidung ist nicht zwingend, aber praktikabel.

2. Der Dienst der Versöhnung

2.1. Objektive und subjektive Erlösung

Wozu ist Kirche da?
Die Antwort gibt uns der Apostel Paulus in einer Bibelstelle, in der eigentlich gar nicht von der Kirche die Rede ist:

Gott hat uns mit sich selbst versöhnt durch Christus und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat,  (nämlich) daß Gott in Christus war und die Welt mit sich selbst versöhnte, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnete und in uns das Wort von der Versöhnung gelegt hat.
So sind wir nun Gesandte an Christi Statt, indem Gott gleichsam durch uns ermahnt; wir bitten für Christus: Laßt euch versöhnen mit Gott!
(2 Kor 5,18,ff.)

Die objektive Versöhnung:
„...daß Gott in Christus war und die Welt mit sich selbst versöhnte, ihnen ihre Übertretungen nicht zurechnete“ :

Daß die Welt mit Gott versöhnt ist, ist nach dem, was der Apostel Paulus schreibt, eine allgemeingültige Tatsache. Jesus Christus hat durch seine stellvertretende Genugtuung die Wiederversöhnung der Menschheit mit Gott prinzipiell und objektiv vollzogen.
Jesus starb nicht als „einer von vielen“, sondern als der Eine, Unvergleichliche, der Christus, der Herr der Menschheit. Was aber einer in seinem Amt für andere mit Vollmacht tut, das gilt dann für diese andern, als hätten sie es selbst getan. Wenn ein Schülersprecher sich für die Klasse entschuldigt, dann haben sich damit alle entschuldigt. Wenn der Präsident eines Staates für sein Land Frieden schließt, dann ist der Krieg für alle beendet und der Friedensschluß gilt grundsätzlich allen Bürgern des Landes.

Diese objektive Erlösung muß aber vom einzelnen Menschen ergriffen und ihm zugeeignet werden. Aus der objektiven Erlösung der Welt muß eine subjektive Erlösung des einzelnen Menschen werden.  

  1. Die subjektive Erlösung
    Darum schreibt Paulus: „(Gott hat) uns den Dienst der Versöhnung gegeben ... und
    in uns das Wort von der Versöhnung gelegt . So sind wir nun Gesandte an Christi Statt, indem Gott gleichsam durch uns ermahnt; wir bitten für Christus: Laßt euch versöhnen mit Gott!"

    Die Welt ist objektiv versöhnt mit Gott und dennoch müssen die Menschen gebeten werden: "Laßt euch versöhnen!" Die von Christus durch Kreuz und Auferstehung erworbene Erlösung muß dem einzelnen Menschen zugewendet und in ihm verwirklicht werden. Mit anderen Worten: es muß zur Rechtfertigung und Heiligung des Einzelnen kommen. Wer die von Christus vollzogene objektive Erlösung nicht subjektiv ergreift und sich aneignet, geht ewig verloren. Für diese subjektive Erlösung eben, für Rechtfertigung und Heiligung, hat Gott die Kirche geschaffen.

Die Kirche setzt letztendlich die Sendung Jesu in der Welt fort: Jesus Christus hat als König, Priester und Prophet der Welt die Erlösung erworben. Die Kirche wendet diese Erlösung den Menschen zu.
Sie tut das, indem sie die Gläubigen weidet,lehrt und heiligt. anders gesagt: indem in ihr das dreifache Amt Christi ausgeübt wird, das Hirtenamt, Lehramt und Priesteramt. Die Kirche ist dabei nichts Neues neben oder außer Christus, sondern als Leib und Werkzeug Christi „verlängert“ sie quasi Sein erlösendes Handeln in Zeit und Raum.

Die Kirche ist jedoch kein Mittler neben oder außer Christus, sondern – recht verstanden – "der fortlebende Christus auf Erden":
Man muß sich dabei vor Augen zu halten, daß die Kirche der Leib Christi ist. Nie schreibt Paulus: "Die Kirche ist wie der Leib Christi", sondern er schreibt: "Die Kirche ist es."
Darum konnte Paulus schreiben „Denn wie der Leib einer ist und viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl viele, ein Leib sind: so auch der Christus.“ (1 Kor 12,12) oder „Ist der Christus zerteilt?" (1 Kor 1,13) oder „Was verfolgst du mich?" als Frage an den Kirchenverfolger Saulus in Apg 9. 

Man kann die Verbindung zwischen Haupt und Leib, Jesus und Kirche gar nicht eng genug sehen. Man kann auch nicht sagen: Hier Christus, dort die Kirche. Wo eins ist, ist auch das andere:

Wo Christus ist, da ist die allumfassende Kirche.
(Bischof Ignatius von Antiochien, gestorben als Märtyrer in Rom um 115 n. Chr.)

Der ganze Christus; Haupt und Leib, einer aus vielen ... Rede nun das Haupt oder rede der Leib, immer redet Christus; er redet aus der Rolle des Hauptes, wie der des Leibes. Wie steht es geschrieben? Zwei werden ein Fleisch sein. Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche (Eph 5,31f.) Und der Herr sagt selbst im Evangelium: ‘Sie sind nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch'. Es sind, wie ihr wißt, zwei Personen und doch wiederum nur eine durch die eheliche Verbindung ... Bräutigam nennt er sich selber als Haupt, Braut als Leib.
(Augustinus, um 400 n. Chr.)

Der „ganze Christus" ist nach dem NT mehr als Jesus von Nazaret. Jesus ist das Haupt, die Gemeinde ist der Leib. Haupt und Leib zusammen sind der „ganze Christus!"
Paulus schreibt im Epheserbrief: Gott setzte verschiedene Ämter und Dienste ein,

um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi. So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen.
(Eph 4,13 nach der Einheitsübersetzung)

Durch den Dienst der verschiedenen von Gott gestifteten Ämter soll die Kirche „Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen“, eben den „ganzen“ Christus.

2.2. Der Dienst der Versöhnung

Gott hat es so geordnet, daß die durch Kreuz und Auferstehung objektiv geschehene Erlösung durch den Dienst der „Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1 Kor 4,1) den einzelnen Menschen angeboten und zugewendet wird. Gott selbst handelt durch die „Botschafter an Christi Statt“ ( 2 Kor 5,20).

Daß Gott Menschen in Dienst nimmt, gehört zu den Grundgesetzen der göttlichen Erlösungsordnung. Dagegen kann kein Mensch Einspruch erheben, denn es ist Gottes Sache, den Weg zu bestimmen, auf dem der Mensch zu ihm kommen kann und soll.

Schon im Alten Bund gilt das Prinzip der Sendung und Bevollmächtigung. Nicht anders ist es im Neuen Bund. Auch im Neuen Bund führt Gott bzw. Christus also Seine Kirche durch Menschen, die ER sendet und autorisiert.

  1. Der Vater sandte den Sohn als Heiland der Welt: 1 Joh 4,14

  2. Die Sendung, die der Sohn vom Vater empfangen hatte, gab der Sohn seinen besonderen Beauftragten weiter.
    Diese besonders Beauftragten hatte Er aus der Menge seiner Jünger herausgerufen (Mk 3,13f., Lk 6,13) und gesandt (Joh 20,21). Wer die von Jesus Beauftragten aufnimmt, der nimmt Ihn selbst auf und letztlich den, der den Sohn beauftragt hatte. (Joh 13,20) Wer die von Jesus Beauftragten ablehnt, der lehnt Ihn selbst ab und letztlich den, der den Sohn beauftragt hatte. (Lk 10,16)

Besonders evangelische Christen müssen im Zusammenhang solcher und ähnlicher Worte erstaunt zur Kenntnis nehmen, daß Jesus sie nicht zu der gesamten Schar seiner Anhänger sagte, sondern nur zu einem Teil seiner Jünger, den er eigens berufen hat:

Und als es Tag wurde, rief er seine Jünger und erwählte zwölf von ihnen, die er auch Apostel nannte.
(Lk 6,13)

Der Kreis der Jünger Jesu war immer viel größer als der Kreis der Zwölf - sowohl vor als auch nach der Kreuzigung: Mt 28,7+16f.; Lk 6,17; 8,2; 10,1; Joh 6,66; 19,38; Apg 1,13-15.
Auch wenn in den Evangelien der Zwölferkreis oft zusammenfassend „Jünger“ genannt, gilt dennoch: Jeder Apostel war ein Jünger, doch nicht jeder Jünger ein Apostel.
Aber auch innerhalb dieses Zwölferkreises hat Jesus offensichtlich „Unterschiede“ gemacht. Der engere Kreis setzte sich zusammen aus den Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes: Mt 17,1 par; Mk 5,37; 13,3; 14,33; u.a.m.
Diese herausragende Stellung der drei blieb auch nach Pfingsten erhalten: Paulus schreibt in Gal 2,9, von
Jakobus und Kephas und Johannes, die als Säulen angesehen werden.

Wir finden also Bibelstellen, die darauf hindeuten, daß Jesus Christus innerhalb seiner Schar von Jüngern einen Teil vor allen anderen besonders bevollmächtigt hat, in Seinem Namen aufzutreten und zu handeln (Joh 20,21 und Mt 10,40; Lk 10,16). So erleben wir in der Apg und den Briefen des NT die Apostel und andere immer als solche, die sowohl Teil der Gemeinde sind, als auch dieser (mit Autorität) gegenüberstehen. 

Schon in der Urgemeinde herrschte die Auffassung, daß das Amt nicht aus der Gemeinde herauswächst, sondern daß es ihr von oben gegeben wird als stellvertretender Dienst und daß es ausgeübt wird in der Verantwortung vor dem Herrn der Kirche und in Seinem Namen. Träger dieses Amtes sind erst die Zwölf, dann diese zusammen mit ihren Mitarbeitern. Die Vollmacht Jesu, die zunächst auf Seine Apostel übergegangen ist, wird von ihnen auf ihre Mitarbeiter übertragen (Apg 6,6; 14,23) und von diesen wiederum auf andere: 1 Tim 5,22; Tit 1,5.

2.3. Kirche und Demokratie

Das demokratische Prinzip ist das Prinzip, daß jegliche Gewalt (= Vollmacht) in Staat und Gemeinde vom Volke ausgeht. Dieses Prinzip findet sich nicht (positiv) in der Bibel. Sie ist von außerhalb in die christliche Gemeinde hineingetragen worden.

Gleichwohl ist die Lehre von der „Vollmacht der Gemeinde“ uralt: Die folgenden Forderungen und Vorwürfe der von der Gemeindeversammlung (demokratisch) Gewählten an die Von Gott eingesetzten Autoritäten klingen auch uns ziemlich auch heute vertraut:

Und Korach, der Sohn Jizhars, des Sohnes Kehats, des Sohnes Levisa, unternahm es und (mit ihm) Datan und Abiram, die Söhne Eliabs, und On, der Sohn Pelets, die Söhne Rubens,
und sie erhoben sich gegen Mose mit 250 Männern von den Söhnen Israel, Fürsten der Gemeinde, Berufene der Zusammenkunft, namhafte Männer.
Und sie versammelten sich gegen Mose und gegen Aaron und sagten zu ihnen: Genug mit euch! (oder: <ihr beansprucht> zu viel für euch)
Denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der HERR ist in ihrer Mitte. Warum erhebt ihr euch über die Versammlung des HERRN?
...
Und Mose sandte hin, um Datan und Abiram, die Söhne Eliabs, zu rufen. Aber sie sagten: Wir kommen nicht hinauf!
Ist es zu wenig, daß du uns aus einem Land, das von Milch und Honig überfließt, heraufgeführt hast, um uns in der Wüste sterben zu lassen? Willst du dich auch noch zum Herrscher über uns aufwerfen?
Du hast uns keineswegs in ein Land gebracht, das von Milch und Honig überfließt, noch uns Äcker und Weinberge als Erbteil gegeben! Willst du diesen Leuten ‹etwa› die Augen ausstechen? Wir kommen nicht hinauf!
(4 Mose 16,1ff.)

Interessant ist, daß diese Männer als "Berufene der Zusammenkunft bezeichnet werden. Für "Zusammenkunft finden wir im hebräischen Text nicht das Wort "qāhāl", sondern ēd (Zusammenkunft, Begegnung Verabredung). Es scheint hier um eine Gemeindeversammlung zu gehen, die demokratisch Delegierte wählte, welche gegen Mose und Aaron auftreten sollten.

Aus der Wahrheit, daß nämlich die ganze Gemeinde heilig und der HERR in ihrer Mitte ist, wurden falsche Schlußfolgerungen gezogen: aller "Gleichheit" und "Freiheit" und die "Brüderlichkeit" (oder moderner ausgedrückt: Geschwisterlichkeit) untereinander wären durch Mose und Aaron bedroht.  

Mose wies Korach und die anderen aber auf etwas Wichtiges hin:

Du und deine ganze Rotte, ihr macht einen Aufruhr wider den HERRN! Es ist nicht Aaron, gegen den ihr murrt.

Es mag nun hier der Einwand kommen, daß Korach und seine Anhänger eben sozusagen "neutestamentlich" gedacht hätten (bzw. das, was man heute weitverbreitet dafür hält). Daß sie nämlich sozusagen avantgardistisch im "vorauseilenden Gehorsam" das "allgemeine Priestertum" propagiert hätte, daß ja nun im Neuen Bund da sei.
Abgesehen, daß es auch schon im Alten Bund das "allgemeine Priestertum aller Glieder des Gottesvolkes gab: auch noch im Neuen Testament wird die Empörung Korachs als Gefahr sehr ernst genommen!

Wehe ihnen! Denn sie sind den Weg Kains gegangen und haben sich für Lohn dem Irrtum Bileams völlig hingegeben, und in dem Widerspruch Korachs sind sie umgekommen.
Jud 11

Von einem anderen Aufruhr Korachs als dem im Namen eines „demokratischen Prinzips“ und von "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" ist im Alten Testament nichts zu finden. Welchen anderen Aufruhr Korachs sollte im neutestamentlichen Brief des Judas also die Rede sein, als den im Namen der Gemeindedemokratie?
Es scheint also auf der Hand zu liegen, daß sich das „demokratische Gemeinde-Prinzip“ sowohl weder auf das Alte, als auch nicht auf das Neue Testament berufen kann.
Auch im Neuen Testament findet man solche Christen, die sowohl Teil der Gemeinde sind, als auch dieser mit Autorität gegenüberstehen. Damit ist freilich nicht gesagt, daß anstelle einer Basisdemokratie eine Klerikerdiktatur treten solle oder nur der Klerus die Kirche wäre.

Die Kirche Gottes ist keine Demokratie! Das Prinzip der Demokratie ist: Alle Gewalt (= Vollmacht) geht vom Volke aus. Darum wird gefordert: „Alle Macht den Räten!“ In der Kirche ist diese Losung schlichtweg falsch, denn schon die Voraussetzung, daß alle Gewalt vom Volke ausgehen würde, ist falsch. Jesus, das Haupt des Leibes sagt: "Mir ist alle Macht (bzw: Vollmacht) gegeben im Himmel und auf Erden." (Mt 28,18) Schon in der Urgemeinde herrschte darum die Auffassung, daß das Amt nicht aus der Gemeinde herauswächst, sondern daß es ihr von oben gegeben wird als christusvertretender Dienst und daß es ausgeübt wird in der Verantwortung vor dem Herrn der Kirche und in Seinem Namen.

Überall im Neuen Testamente sehen wir, daß das heilige Amt die Gemeinden erzeugt, nirgends, daß das Amt ... nur eine Übertragung gemeindlicher Rechte und Machtvollkommenheit sei, daß die Gemeinde das Amt gebe.
Wilhelm Löhe: Aphorismen über die neutestamentlichen Ämter, 1848. Werke V/1, 294-297

Träger dieses Amtes sind erst die Zwölf, dann diese zusammen mit ihren Mitarbeitern. Die Vollmacht Jesu, die zunächst auf Seine Apostel übergegangen ist, wird von ihnen auf ihre Mitarbeiter übertragen und von diesen wiederum auf andere: Apg 6,6; 14,23 und 1 Tim 5,22; Tit 1,5

Wie sieht aber die kirchliche Wirklichkeit im Protestantismus aus? Im Protestantismus hat sich die Demokratisierung (= Einführung der Volksherrschaft) durchgesetzt, denn hier geht alle geistliche Vollmacht von der Gemeinde aus und hat damit aufgehört, überhaupt Vollmacht zu sein. Denn wie will der Empfänger von Vollmacht dem Spender von Vollmacht Weisungen erteilen?
Auch im römischen Katholizismus sieht es hierzulande nicht besser aus.  Karl Graf Ballestrem, Professor für Politikwissenschaft in Eichstätt, schrieb einmal: „Nicht konsequenter Katholizismus, sondern halbherziger Protestantismus ist das Problem der katholischen Kirche in Deutschland.“ (FAZ vom 4.8.1999)
Man zieht gegen eine unterstellte Klerikerherrschaft zu Felde und versucht, an ihrer Stelle eine Rätediktatur zu errichten und behauptet: Wir sind Kirche!

Welcher Gedanke steht hinter dem demokratischen Prinzip? Dahinter steht ein falsches Bild von Kirche: Sie wird wesentlich als die durch ihre Mitglieder konstituierte Gemeinschaft verstanden: Menschliche Entscheidung, freier Wille „gründen“ die Kirche.
Die Kirche ist von ihren Mitgliedern her geschaffen. Wir haben damit das Vereinsprinzip, den frommen „Klub“. Der Wille der Gemeinde und zwar als parlamentarische Versammlung ist oberste Autorität und nicht nur oberste Autorität, sondern auch willkürliche Autorität. Der Wille der Mitglieder (bzw. der durch sie gewählten Vertreter) ist oberstes Gesetz. Der Mehrheitswille entscheidet.
Die Konsequenz des demokratischen Gemeindeprinzips ist: Die Vereinskirche bzw. die Gemeinde als Verein. Der Amtsträger als „Angestellter“, Befehlsempfänger und Funktionär der Mehrheit.

Im Gegensatz dazu kennt das Neue Testament nicht den Aufbau der Gemeinde von den Gliedern her, sondern vom Haupte, von Christus her. Von Christus her über das Amt wird die Gemeinde gebaut und geführt: Eph 2,20; Mt 16,18f.; 1 Kor 12,28ff.; Offb 22,14; Apg 2,14; 15,6; 16,4; 1 Kor 3,9; Jak 3,1.
Nur als solche von oben her gebaute und geführte Gemeinschaft ist sie Gemeinde. Gemeinde ist nicht dort, wo Mitglieder sich konstituieren, sondern wo Gott durch Wort und Sakrament (durch den Dienste Seiner Knechte) Sein Volk sammelt.

Die Kirche ist mithin keine Demokratie, sondern eine Theokratie. Demokratie in der Kirche führt zwangsläufig zu Anarchie: jeder ist irgendwann sein eigener König, Priester und Prophet und ist gezwungen, sich selbst zu weiden: leitet, lehrt und heiligt sich selbst. Und obwohl es scheinbar im superfrommen Gewand daherkommt, ist das Ergebnis:

Und als Er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren verschmachtet und zerstreut wie die Schafe, die keinen Hirten haben.

 Da ist der Teufel am Ziel:

... der Wolf stürzt sich auf die Schafe und zerstreut sie ...

Und wenn er sie frißt, wird vermutlich ihr letztes Blöken sein: "Wir brauchen keine menschlichen Hirten!"

3. Das evangelisch-lutherische Bekenntnis von der Kirche (CA)

Daß die Kirche für die „Heilsdarreichung“ von Gott geschaffen wurde, steht nicht nur in der Bibel, sondern wird auch in unseren lutherischen Bekenntnisschriften gesagt.

Die Anordnung der einzelnen Artikel in der Confessio Augustana ist zum Beispiel nicht zufällig und beliebig. Sie wurden sorgfältig, kunstvoll und folgerichtig angeordnet:

Im Artikel IV wird gesagt, daß wir Vergebung der Sünden bekommen und vor Gott gerecht werden „aus Gnade um Christi willen durch Glauben“. In diesen drei Worten: aus Gnade (lat. gratis), um Christi willen, durch Glauben, liegt aller Trost gegen Hölle und Tod, Sünde und Gericht. Wir müssen darum daran festhalten, daß das Heil uns zuteil wird aus Gnade um Christ willen durch Glauben.
Das dreifache "sola" (= allein) findet sich im Augsburgischen Bekenntnis übrigens nicht!

Soweit wird jeder mehr oder wenig evangelisch gesonnenen Christen der Augustana zustimmen. Gestritten wird in der Regel um das, was in der CA danach ausführt wird!

Im V. Artikel wird nämlich gesagt, was Gott (!) gegeben hat, „daß wir diesen (rechtfertigenden) Glauben erlangen. Er hat

das (Predigt-)Amt eingesetzt, das Evangelium und die Sakramente gegeben, durch die er als durch Mittel den Heiligen Geist gibt.“

"Gott", "Amt", "Botschaft" (Evangelium), "Sakramente": das sind Begriffe, die uns heute schon in verschiedenen Bibeltexten begegnet sind:

(Gott hat) uns den Dienst der Versöhnung gegeben ... und (hat) in uns das Wort von der Versöhnung gelegt So sind wir nun Gesandte an Christi Statt, indem Gott gleichsam durch uns ermahnt; wir bitten für Christus: Laßt euch versöhnen mit Gott!“

und

Dafür halte uns jedermann für Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes“
(1 Kor 4,1; Geheimnis = grie. mysterion = lat. sacramentum)

Der Glaube, durch den ich gerechtfertigt werde, fällt nicht vom Himmel herab auf meinen Kopf, sondern damit ich ihn erlangen kann, hat nach unserem lutherischen Bekenntnis Gott – und nicht Menschen (!)– das Amt gegeben, welches das Wort Gottes verkündet und die Sakramente darreicht. Dieses „Amt der Kirche“ „repräsentiert Christus persönlich“ (Apol VII, 28: repraesentant Christi personam), verkündigt das Wort und reicht die Sakramente „an Christi statt“ Apol VII, ebd.: Christi vivi et loco) und steht der Gemeinde gegenüber, auch wenn der Diener Glied der Gemeinde bleibt.

Die Rechtfertigung ist kein spiritueller Vorgang, sie ist an feste, äußere, von Gott gestiftete und geordnete Gnadenmittel ... gebunden, durch welche ER wirkt und Menschen zum rechtfertigenden Glauben und zum Ergreifen der dargebotenen Gnade führt. ... Damit ist eine schroffe Antithese gesetzt gegen die Schwärmer, die die Wirkung des Hl. Geistes unmittelbar erwarten und die äußeren Gnadenmittel verachten.
(
Lieberg, Helmut: Grundstrukturen einer Kirche Augsburgischer Confession)

Die Kirche entsteht und besteht durch die reine Predigt des Evangeliums und die evangeliumsgemäße Verwaltung der Sakramente, weil der Heilige Geist, der den rechtfertigenden Glauben wirkt, durch das von Gott als Mittel der Geistmitteilung eingesetzte Amt kommt, welches das Evangelium predigt und die Sakramente darreicht.

3. Schlußfolgerungen

Stehen die Dinge so, ist auch klar, daß die Ordnungen und die Gestalt der Kirche nicht dem menschlichen Belieben preisgegeben sind.

Die Frage nach den Strukturen und Ordnungen in der Kirche steht und fällt mit der Vorstellung, die man von der Entstehung der Kirche hat. Wenn – wie von vielen Theologen behauptet wird – Jesus von Nazaret gar keine Kirche gewollt und ist die Kirche später aus dem Bedürfnis der Menschen herausgewachsen, sich mit Gesinnungsgenossen zusammenzuschließen, wird sie zu einer rein irdischen Vereinigung. Sie wäre dann mit rein soziologischen Begriffen zu beschreiben, menschliche Gründung, eine Vereinigung religiös gleichgesinnter Menschen, der Verein „Bedürfnisanstalt zur Befriedigung religiöser Neigungen frommer Menschen e.V.“.
Wenn sie aber eine rein menschlicher Vereinigung ist, dann wäre in der Tat

die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen oder politischen Überzeugungen überlassen.
(Barmer Theologische Erklärung von 1934, III)

Das Christentum ist keine Religion, sie sich zwischen Gott und dem Einzelnen allein abspielt. Dieser Gedanke kam wohl erst mit der Renaissance im Mittelalter auf und wurde in die heutige Zeit des Individualismus bis zum Exzeß gesteigert. Das Christentum ist aber keine private Idee, sondern ein Weg (Apg 9,2; 19,9.23; 24,14.22), den man in einer gegliederten Gemeinschaft geht.
Von Anbeginn an gibt es Christentum nur als verfaßte Gemeinschaft, nie als kirchenfreies Christentum. Wer glaubt, in die Apostelgeschichte hineinlesen zu müssen, daß am Anfang allein das Interesse Einzelner an der „Sache Jesu“ und seiner Botschaft gestanden hätte und sich diese Interessenten dann allmählich zusammengeschlossen hätten, der mag das tun und weiter im Irrtum verharren. Es bleibt dagegen festzuhalten: Die Kirche verstand sich von Anfang an als Gründung Gottes, in der das Heil vermittelt wird. Der Glaube kommt aus dem Hören, nicht aus dem Lesen. (Röm 10,17; Apg 8,30-39) Die Gnade wird vermittelt durch das verkündigte Wort und durch äußere Handlungen, weil Gott mit diesen Zeichen die Gnade verbunden hat: zum Beispiel Taufe: Apg 2,38; 22,16. Abendmahl: Mt 26,26ff. Firmung: Apg 8,17; 19,6. Krankensalbung: Jak 5,14f. Ordination: 1 Tim 4,14; 2 Tim 1,6.
Wie in Jesus Christus das Göttliche durch Menschliches vermittelt wird, so geschieht es auch in, mit und durch die Seine Kirche. Wie schon gesagt: dagegen kann kein Mensch Einspruch erheben, denn es ist Gottes Sache, den Weg zu bestimmen, auf dem der Mensch zu ihm kommen kann und soll.

Ich komme zum Schluß: Man kann die Kirche durchaus mit einem Schiff vergleichen, das uns an das jenseitige, himmlische Ufer trägt. Das Schiff gehört Gott, Kapitän ist Jesus Christus, Stewards sind die Träger des kirchlichen Amtes. Niemand kann als einzelner Schwimmer das himmlische Ufer erreichen.
Wir aber: Nachdem wir unser Leben von Jesus Christus empfangen haben, ist unsere Sehnsucht auf vollkommene Vereinigung mit ihm gerichtet. Als Glieder Seines Leibes drängt es uns danach, ganz mit seinem Leben erfüllt und völlig in sein Bild verwandelt zu werden.

Matthias Niche

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