Von Professor Dr. Hubert Gindert
Berlin (kath.net)
Hat Deutschland eine christliche Leitkultur? Das ist umstritten, wie die
Polemik Patrick Bahners (FAZ) gegen den Bischof von Limburg zeigt. Tebartz van
Elst hatte gewagt, den Bundespräsidenten Christian Wulff an die christliche
Leitkultur zu erinnern.
Die Gründungsväter der Bundesrepublik Deutschland wussten noch, dass Europa
geistig auf drei Hügeln gebaut ist, nämlich auf die Akropolis, auf das Capitol
und auf Golgotha.
Und, wenn sie das Grundgesetz mit den Worten beginnen ließen: “Im Bewusstsein
seiner Verantwortung vor Gott“… dachten sie nicht an irgendein pantheistisches
Wesen, sondern an den christlichen Gott.
Wer das Christentum als prägende Kraft der europäischen Kultur beseitigen will,
soll uns sagen, was von unserer Kultur noch übrig bleibt, wenn das vom
christlichen Geist inspirierte Geschaffene verschwunden ist?
Die Vision einer Gesellschaft ohne den persönlichen und geoffenbarten Gott setzt
mit den „Aufklärern“ des 18. Jahrhunderts ein. Sie wollten einen Menschen, der
sich selbst erschafft und der für den von ihnen konstruierten Staat keinen Gott
braucht.
Dementsprechend hat die Französische Revolution Gott „abgeschafft“ und auf ihre
Altäre die „Göttin der Vernunft“ gesetzt.
Die neuen „Aufklärer“ in der Politik möchten uns für die „Errungenschaften“ der
Französischen Revolution erwärmen, etwa, wenn der Generalsekretär der FDP,
Christian Lindner, in der aktuellen Integrationsdebatte anmerkt, es sei „zu viel
von Religion und zu wenig von Republik die Rede“.
Lindner meint, die Wurzeln der deutschen Verfassungsidee lägen in Athen und Rom,
ihre Prinzipien seien seit der Französischen Revolution erkämpft worden
(Tagespost 23.10.2010).
Lindner liegt mit den Geistesverwandten in der FDP und mit denen anderer
Parteien in der sich verschärfenden Debatte um die Integration von Einwanderern
aus anderen Kulturen auf einer Linie. Sie verweisen uns auf die Bedeutung der
Französischen Revolution für das moderne Europa.
Was Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“ losgetreten hat, hat
den Kulturkampf, in dem wir uns befinden, deutlich werden lassen. Es geht ja in
der Integrationsfrage nicht, wie vernebelnd behauptet wird, nur um die bessere
Sprachfähigkeit der Einwanderer, sondern auch darum, Gedanken einer christlichen
Leitkultur in das Reich der Illusionen zu verbannen.
Es ist längst an der Zeit, die Aufklärung der „Aufklärung“ und ihrer Folgen
unter die Lupe zu nehmen – nicht nur die der 68er Kulturrevolution, sondern auch
die der Französischen Revolution. Letztere ist Mutter und Vorbild vieler
Revolutionen der vergangenen 200 Jahre.
Eine erste Frage wäre da, auf welche „Errungenschaften“ sich die Politiker, die
uns die Französische Revolution in leuchtenden Farben propagieren, beziehen? Die
Antwort ist deswegen bedeutsam, weil die Französische Revolution mehrere Phasen
aufweist, die aber alle in einem inneren Zusammenhang stehen.
Da ist einmal die Verfassungsgebende Nationalversammlung. Sie hat nicht nur die
feudalen Rechte und Privilegien von Adel und Geistlichkeit abgeschafft und die
Allgemeinen Menschenrechte proklamiert. Sie hat auch Klostergemeinschaften gegen
ihren Willen aufgelöst, Priester zum Eid auf die Zivilkonstitution gezwungen und
sie zu Staatsdienern degradiert und außerdem die geschichtlich gewachsenen
Regionen durch eine schematische Departementeinteilung zerschlagen. Vom 2. bis
6. Sept. 1792 wurden die nicht mit den „Errungenschaften der Revolution“
Sympathisierenden in Paris massakriert („Septembermorde“).
Als die Gesetzgebende Nationalversammlung im September 1792 durch den so
genannten „Konvent“ ersetzt wurde, stand die Bevölkerung in der Véndee und in
der Bretagne gegen die Revolutionsregierung auf. Es handelte sich also um
französische Bürger, die ihr Menschenrecht auf freie Religionsausübung bedroht
sahen.
In dem Jahre dauernden Bürgerkrieg wurden ganze Landstriche von den Armeen der
Revolutionsregierung ausgemordet. Am 10. März 1793 wurde das
„Revolutionstribunal“ eingesetzt, das politische Gegner und „Verdächtige“ ohne
Appellationsmöglichkeit hinrichten ließ.
Als dann der so genannte „Wohlfahrtsausschuß“ der Jakobiner am 6. April 1793 die
exekutive Gewalt an sich riss, wurde die eben beschlossene Verfassung außer
Kraft gesetzt. Im ganzen Land herrschten das Terrorregime und die Guillotine.
Die Französische Revolution stand unter der Parole „Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit“. Diese Prinzipien wurden so hoch gehängt, dass die Revolutionäre
bequem darunter durchgehen und die scheußlichsten Verbrechen verüben konnten.
Frankreich sollte sich, wie später die chinesische Kulturrevolution unter Mao
Tse Tung, von seinen historischen und kulturellen Wurzeln „befreien“. Der
christliche Kalender und der Sonntag wurden abgeschafft und durch eine neue
Zeitrechnung ersetzt.
Zu den „Errungenschaften“ der Französischen Revolution zählt auch die Allgemeine
Wehrpflicht (Levée en Masse), die dem Staat die Möglichkeit verschaffte, seine
„glorreichen Errungenschaften“ mit militärischer Gewalt in die Nachbarländer zu
tragen.
Wir würden gerne wissen, worauf sich die neuen Propagandisten der Französischen
Revolution beziehen? Immerhin wurden im Namen ihrer Prinzipien die größten
Verbrechen begangen.
Quelle:
kath.net
Professor Dr. Hubert Gindert ist Initiator und Vorsitzender des Forums
Deutscher Katholiken und Chefredakteur der katholischen Monatszeitschrift Der
Fels.