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Die letzte Zeit des Kirchenjahres hat ein großes Thema: das Ende der Welt und das Wiederkommen Jesu Christi. Es ist gut, sich bei Predigten an die Themenkomplexe des Kirchenjahres zu halten. So besteht nicht die Gefahr, Wichtiges zu vernachlässigen und eigene Lieblingsthemen überzubetonen. Zudem darf man das Thema „Endzeit“ nicht Sektierern überlassen. Über die letzte Zeit liest man in der Bibel „Unerfreuliches“: Kriege, Seuchen, Christenverfolgung, Verführung zum Abfall vom Glauben, das Aufhören der Liebe ... . Heute wollen wir einen Punkt herausgreifen: den „Menschen der Bosheit“, den „Sohn des Verderbens“, den „Widersacher, der sich erhebt über Gott und den Gottesdienst, der sich in das Haus Gottes setzt und behauptet Gott zu sein“, „der mit Macht und großer Kraft auftreten wird“ - heute würden wir sagen „voller Power“ - „und mit Zeichen und Wundern und durch süße Worte und prächtige Reden die Herzen der Ahnungslosen zur Ungerechtigkeit verführen wird: der Anti-Christus (bzw.: Antichrist oder Antichristus) Das Thema „Anti-Christus“ wird in der gegenwärtigen evangelischen Kirche offenbar gemieden. In den Predigttext-Ordnungen unserer Kirche kommen leider kaum Texte vor, die vom Anti-Christus handeln. Mt 24, 15-28 war bis vor einiger Zeit das in der Evangelischen Kirche verlesene Evangelium des Drittletzten Sonntages im Kirchenjahr. Bis zur letzten großen Reform der Textordnungen für den Gottesdienst stand dieser Sonntag also geradezu unter dem Thema „Das Kommen des Anti-Christus“. Nach der letzten Reform ist dieser Text samt allen Paralleltexten ganz weggefallen. Dem Teufel hat man damit einen guten Dienst getan: Der Anti-Christus wird kommen, ohne daß die Gemeinden durch entsprechende Predigten vorgewarnt sind. Es werden die Herzen der Ahnungslosen sein, die von Jesus Christus weggedreht werden. Der Teufel hat zwei Dinge besonders gern: wenn gar nicht über ihn und seine Werke geredet wird bzw. wenn nur noch darüber geredet wird. +++
Es
könnten der Einwand vorgebracht werden:
Dazu ist zu sagen: Es gibt erstens viele Stellen in der Heiligen
Schrift, die klar und deutlich über den Anti-Christus sprechen, so daß wir hier
nicht auf reine Spekulationen angewiesen sind.
Die Zeiten haben sich geändert. Heute werden die heiligsten Dinge oft wie Perlen vor die Säue gestreut. Dinge aber, die die Alte Kirche der Geheimhaltung nicht wert achtete, werden verschwiegen. Die Lehre vom Anti-Christus ist aber kein Wissen Privilegierter, das geheim bleiben soll. Selbstverständlich wird es hier heute keine umfassende Belehrung zu dem Thema geben können. Wir werden viele Dinge nur kurz streifen können und auch nur einige der zahlreichen Bibelstellen zum Thema ansprechen können. +++2 Thess 2,1-12 ist gewiß eine der wichtigsten Bibelstellen zum Anti-Christus:
1. Der Anti-Christus als Ersatz-ChristusEs fällt auf, daß der Begriff „Anti-Christus“ hier bei Paulus gar nicht vorkommt. Statt dessen schreibt er vom „Menschen der Bosheit“, dem „Sohn des Verderbens“, dem “Widersacher“, dem „Bösen“. Der Ausdruck „Anti-Christus“ taucht aber in einer anderen wichtigen Bibelstellen auf: in 1+2 Johannesbrief: (eigene Übersetzung)
Wir
lernen hier zwei wichtige Dinge über den Anti-Christus:
Nun
denkt mancher, daß es nicht schwierig sein wird, wenn jener
kommt, ihn zu erkennen und hält es für leicht, den
„Menschen der Gesetzlosigkeit“, den „Sohn des Verderbens“, den „Den-sich-Widersetzenden“
und „Gesetzlosen“ zu identifizieren. Vielleicht nehmen viele an, daß der
Anti-Christus ein
atheistischer und bestialisch grausamer Diktator sein wird, der sich
unvermittelt auf die Kirche Gottes stürzen wird, um ihr Gewalt anzutun.
Sind
wir darauf vorbereitet, daß die Gemeinde gar nicht vergewaltigt, sondern verführt
werden soll? Daß sie nicht gezwungen
wird, Gottes Wort und Willen beiseite zu schieben, sondern dazu verlockt wird?
Aber ist das nicht unwahrscheinlich, daß der Anti-Christus als „Retter der Welt“ gefeiert werden wird? Er ist ja schließlich „der Gesetzlose“. Ein genaues Betrachten seines Titels „Anti-Christus“ kann uns helfen, sein Wesen und seine verführerische Taktik besser zu verstehen und zu durchschauen. Die griechische Vorsilbe "anti-" bezeichnet nämlich gar nicht zuerst eine Feindschaft im Sinne von „dagegen“, sondern in erster Linie ein Ersetzen im Sinne von „an Stelle". Etwas ähnliches haben wir auch in der deutschen Sprache, wenn wir sagen: „Ich tauschte einen Apfel gegen ein Ei.“ Wir meinen: Ich habe jetzt das Ei anstatt des Apfels.
Es
hängt entscheidend viel für das richtige Verständnis des Anti-Christus davon
ab, ob wir erkennen, daß „anti-“ zuerst „anstatt“ und erst davon abgeleitet „dagegen“
heißt. Recht verstanden
ist also der Anti-Christus nicht
jemand, der zuallererst gegen Christus
ankämpft, sondern jemand, der an Seine
Stelle treten und Ihn ersetzen
will. Hier wird dann nicht ein Apfel gegen ein Ei getauscht, sondern an Stelle
des Christus Jesus von Nazareth will ein anderer der Weg, die Wahrheit und das
Leben sein Haben wir das erst einmal verstanden, können wir alles andere ableiten: Der Anti-Christus wird kommen zu einer Menschheit, die "vergehen wird vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde (Lk 21,26). Er wird den verstörten und verängstigten Völkern, die in ihrer Ausweglosigkeit quasi zusammengepreßt werden (Lk 21, 25: synochè ethnõn en aporía) einen Ausweg und Heil, Glück, Rettung und Wohlstand im Sinn versprechen. Gewiß wird er bei der Verwirklichung seiner Verheißungen sicher auch hier und da einige Erfolge vorweisen können und schließlich als Retter der Erde und Weltheiland verehrt und angebetet werden. Laßt uns also nicht nach einem blutrünstigen christenfressendem Monster ausschauen, das urplötzlich auftaucht und wie aus heiterem Himmel die Kirche verfolgt. Er wird nicht aggressiv, sondern mit dem frommen, erhabenen Gehabe eines Retters, im Glanz der Toleranz und Humanität, angeblich Liebe und Fürsorge hegend, auftreten. Er wird auch kein atheistischer Diktator sein, sondern Religion und Politik so verquirlen daß man eines vom anderen nicht mehr unterscheiden kann. Sicher wird er sich sehr religiös gebärden: Auch wenn er sich zwar anmaßt, über Gott und Gottesdienst erhaben zu sein, wird er sich doch aber in das Haus Gottes setzen und sich als Gott verehren lassen. Die Tendenz seines Wirkens - bewußt oder unbewußt - weist immer dahin, die Herrschaft und Wiederkunft des Christus Jesus von Nazareth als überflüssig und schädlich zu erweisen. Was er verspricht, klingt ausgezeichnet und ist eigentlich unwiderstehlich: eine immer mehr zunehmende Vervollkommnung der Welt, die unter dem Einsatz aller geistigen, moralischen und religiösen Kräfte der ganzen Menschheit erreicht werden kann und wird. Er wird das Himmelreich auf Erden bauen wollen. Und das ohne den lebendigen Gott und seine Ordnungen. Wenn vor dem Paradies, dem Garten Eden ein Engel steht, der Cherub mit dem flammenden Schwert, um uns Menschen den Zugang zu versperren, dann lautet seine Parole: „Wir bauen uns ein eigenes Paradies ohne Gott und seinen Christus, denn wir wollen nicht, daß dieser über uns herrsche." 2. Der Anti-Christus als ChristenverfolgerFreilich: indem der Antichristus den Anspruch erhebt, zu geben, was ausschließlich der Christus Jesus als König, Priester und Prophet geben kann, erweist er sich als Christi Gegner. Der „Ersatz-Christus“ ist also in der Tat der „Gegen-Christus“, der "andere" Erlöser Der Antichrist wird gegen den Absolutheitsanspruch Jesu Christi angehen, indem er vor allem gegen die Bekenner dieses Absolutheitsanspruchs Jesu von Nazareth vorgeht. Die Verfolgung der treuen Christen wird eine allgemeine Forderung der anderen Menschen sein. Warum das? Erinnern wir uns: Beim Anti-Christus wird Glauben und Politik eins. Überall wird man denselben Wortschatz in der politischen und der religiösen Verkündigung hören: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Frieden, Toleranz, soziale Gerechtigkeit, Wohlstand für alle sind ihre Schlagworte. Aber: es sind hier nicht nur moralische Forderungen! Es wird es sich um Verheißungen mit messianischen Klang handeln. Sie versprechen eine glückliche Zukunft, die sich der Mensch gestaltet, das bessere Leben in einer besseren Welt mit allem, was dazugehört: hoher Lebensstandard, Sicherheit, Freiheit von Not, Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.
Wer kann schon dagegen sein? Wer
wird etwas gegen Humanität, Toleranz, Völkerverständigung und Frieden sagen?
Wer dann bei der allgemeinen Verehrung dessen, der diese Dinge garantiert, nicht
mitmacht, macht sich „unbeliebt“. Besonders schmerzlich und irreführend wird für die treuen Bekenner des Christus Jesus die Distanzierung und der Haß durch die sein, die sich auch angeblich auf Jesus berufen, „Kirche“ nennen und in Wahrheit „Synagoge des Satans“ sind Der Anti-Christus wird ja - so der Apostel Paulus - im Hause Gottes sitzen. Auch wenn die Ausleger nicht einhelliger Meinung sind, ob „das Haus Gottes“ hier allgemein die christliche Kirche oder der neu erbaute Tempel in Jerusalem ist, muß uns eins klar sein: Die Spaltung in der Menschheit durch die unterschiedliche Haltung zum Anti-Christus wird nicht an der Grenze zwischen dem, was sich Kirche nennt und „Welt“ verlaufen. Der entsetzliche Riß wird mitten durch die Kirche gehen. 3. Der Anti-Christus kommt nicht plötzlich
Wer
also jetzt nach einem blutrünstigen christenfressendem Monster ausschaut, das urplötzlich
auftaucht und überraschend die Kirche verfolgt, wird vielleicht in unserer
jetzigen Situation nicht mehr wachsam genug sein.
Wir
erleben in unseren Tagen, daß man planmäßig
Gottes Ordnungen für seine Kirche und seine Welt beiseite stößt. Ehe,
Familie, Sittlichkeit werden verächtlich macht und zerrüttet. In den Tempel
Gottes ist der Nebel Satans eingedrungen ist. Man erhebt sich inmitten der Kirche über alles was Gott oder Gottesdienst heißt.
Mit den Dingen, in denen Gott uns begegnet: Wort und Sakrament verfährt man
unwidersprochen, wie es einem momentan gerade in den Kram paßt und en vogue
ist. Ich meine hier z. B. den historisch-kritischen Umgang mit der Bibel und die
abartigen, neu eingeführten, völlig verunstalteten Gottesdienste, Tauf- und
Abendmahlsfeiern landauf, landab, in denen nicht Gott gedient wird, sondern der
autonome Mensch sich selbst feiert.
Woran
erkennen wir den antichristlichen Geist? Aber wenn es immer so einfach wäre, wäre Verführung nicht Verführung. Wir wissen: Wo „Nutella“ draufsteht, ist auch „Nutella“ drin. Aber wo „Jesus“ draufsteht, muß noch lange nicht „Jesus“ drin sein. Paulus schreibt an die Korinther:
Könnte der Apostel das nicht heute auch von Teilen der Christenheit sagen? Das listige Schema der Verführung ist zu allen Zeiten dasselbe: egal, ob im Garten Eden, im Korinth zur Zeit des Paulus oder in unseren Tagen: Es fängt damit an, daß gefragt wird:
Die Antwort lautet
entweder: „Ja, aber er tat es, um uns zu einzuengen oder den Spaß zu
verderben“ oder: „Natürlich nicht! Es war bestenfalls Paulus oder sonst wer,
eher aber ein antiker Fälscher. Das hat
heute für uns keine Bedeutung mehr.“ Ihr Lieben! Nicht mehr nur der Horizont ist schwarz. Die Gewitterwolken haben sich schon über uns zusammengezogen. Es sind nicht mehr nur einige Windböen, die uns umwerfen wollen. Der Gewittersturm heult schon tosend und tobend über unseren Köpfen! 4. Was sollen wir tun?
Dahinter steht folgende Annahme: Wenn ein Löwenrudel jagt, läßt angeblich ein Löwe sein markerschütterndes Gebrüll hören läßt. Die gejagten Tiere sollen dann vor Schreck so starr sein, daß sie eine leichte Beute des jagenden Rudels werden. Petrus möchte, daß das Brüllen des Teufels uns nicht so vor Angst lähmt oder kopflos macht, daß wir des Teufels leichte Beute werden.
+++ Ihr Lieben: Ihr seid gewarnt vor dem Verführer. Sein Geist ist schon heute immer mehr am Wirken. Ihr seid gewarnt wegen des Kommens des Anti-Christus. Aber Ihr seid auch hoffentlich getröstet wegen des Kommens des Christus Jesus, der „den Bösen umbringen wird mit dem Hauch seines Mundes und ihm ein Ende machen wird durch seine Erscheinung wenn er kommt.“ Seid wachsam und furchtlos, haltet fest am Wort Gottes, an den Sakramenten, an der wahren Kirche Jesu Christi und am Gebet. Vortrag, gehalten von Matthias Niche Wer mehr über diese Dinge erfahren will, sei auf das Buch "Der Antichrist" von Pastor Karsten Bürgener hingewiesen. |