Von dem, was uns schadet und dem, was zu
unserem Besten dient, redet das Gebet dieses Sonntags. Wovor wollen wir
bewahrt werden? Was schadet uns?
Die Lesung aus Röm 8 spricht von unserem "Fleisch". "Fleisch" meint
jedoch nicht (nur) Sexualität und "rohen Genuß". Zwar spielen Gaumengenuß
und Erotik - oft hinter einer Fassade von Anstand - eine weit größere Rolle,
als wir zugeben möchten. Den "Fleischesmenschen" können aber gern auch
höhere Ziele zugestanden werden. Dessen ungeachtet bleibt oft auch das
Streben nach "höheren" und "geistigen" Dingen ich-gebunden, weil wir – wie
Luther es ausdrückt – in uns selbst verkrümmte Menschen sind: Homo
incurvatus in se.
Das kann ganz verschieden aussehen und ist doch immer
wieder dasselbe: Selbstbewunderung wie Selbstverachtung zum Beispiel sind
Gestalten des in sich selbst gefangenen Herzens, das immer wieder nur mit
sich selbst beschäftigt ist. Und obwohl Selbstbewunderung wie
Selbstverachtung so unterschiedlich zu sein scheinen: ihre Wurzel ist der
Mensch, der in sich selbst verkrümmt ist, nur mit sich selbst beschäftigt
ist, auch wenn er es unter vorgeblich „frommen“ Vorzeichen tut. Er kann
nichts mehr denken oder fühlen außer sich selbst. Er kreist, möglichst
ununterbrochen um sich selber. Er bleibt bei sich selbst.
"Nach dem Fleisch leben" heißt also keineswegs einfach "unmoralisch leben".
Wenn Paulus die Galater fragt: "Im Geist habt ihr angefangen, wollt ihrs
denn nun im Fleisch vollenden?" (Gal 3,3), dann sieht er bei ihnen gar nicht
erotische oder sonstige Zuchtlosigkeiten vor sich, sondern den Rückfall in
das Gesetz! Die Galater wünschten sich ein viel "höheres" Christentum
als das von den Apostel gepredigte, und
dies gerade war "Fleisch". So kann Paulus auch im Blick auf die Römer und
ihr Fragen nach dem Gesetz an die Gefahr gedacht haben, daß sie erneut den
Gesetzesweg gehen und in eigenen frommen Leistungen ihr Heil suchen könnten.
Wie kommt man da heraus? Hilfe kommt "von außen" her: vom Geist Gottes, wie
es uns der Apostel Paulus in der Brieflesung dieses Sonntags sagt.
Wir bitten zweitens um Bewahrung vor
Lügenpropheten. (Sonntagsevangelium)
Propheten sind solche, die vom Heiligen Geist getrieben im Namen Gottes reden.
Es gibt aber Lügenpropheten, die Lügen weissagen im Namen dessen, der sie
nicht gesandt hat.
Denn es gibt zweierlei Kirchen von
der Welt Anfang an bis zu Ende, die Augustin Kain und Abel nennt. Und der Herr
Christus gebietet uns, daß wir nicht die falsche Kirche annehmen sollen und
unterscheidet selbst zwei Kirchen, eine rechte und falsche: "Sehet euch vor
vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen" usw. Wo
Propheten sind, da sind Kirchen, darin sie lehren. Sind die Propheten falsch,
so sind die Kirchen auch falsch, die den Propheten glauben und folgen. ...
Wenn das Bleilot oder das Winkeleisen falsch oder krumm sein sollte, was
wollte oder könnte der Meister danach arbeiten? Da würde eine Krummheit die
andere ergeben, ohne Ende und Maß. So kann auch hier das Leben wohl Sünde und
unrecht sein, ja es ist leider allzu unrecht; aber die Lehre muß schnurgerade
und sicher, ohne alle Sünde sein. Darum darf in der Kirche nichts als allein
das gewisse, reine und einzige Wort Gottes gepredigt werden. Wo es daran
fehlt, so ists nicht mehr die Kirche, sondern des Teufels Schule ... Das ist
nun alles mit Bezug darauf gesagt, daß die Kirche allein Gottes Wort lehren
und des gewiß sein muß, dadurch sie der Grund und Pfeiler der Wahrheit und auf
den Felsen gebauet, heilig und unsträflich heißt, das ist, wie man recht und
gut sagt: Die Kirche kann nicht irren, denn Gottes Wort, welches sie lehret,
kann nicht irren.
Martin Luther: Wider Hans Worst,
1541
Schafe
ohne Hirten - Eine Predigt