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"Alberne Gottesdienste" und zu wenig Spiritualität

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Künstler beklagen fehlenden Ernst in evangelischer Kirche

In Brief an Bischof Huber kritisieren Prominente „alberne Gottesdienste“ und zu wenig Spiritualität

Von Claudia Keller

Eine Gruppe prominenter Berliner, darunter Filmregisseur Wim Wenders sorgen sich um die evangelische Kirche und kritisieren Landesbischof Wolfgang Huber. „Wir fürchten, dass eine der wichtigsten religiösen und gesellschaftlichen Institutionen in die Spaßgesellschaft abdriftet und sich dabei selbst demontieren könnte“, heißt es in einem dreiseitigen Brief, den die zwanzig Berliner nach frustrierenden Erfahrungen mit Weihnachtsgottesdiensten an Bischof Wolfgang Huber geschrieben haben. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören Kulturschaffende wie die frühere Theaterdirektorin Nele Hertling, Schauspielerin Jutta Lampe und der Publizist Michael S. Cullen. Zu den Unterstützern des Schreibens zählen Filmregisseur Wim Wenders und Kulturmanager Peter Raue.

In den Weihnachtsgottesdiensten haben die Briefeschreiber „Musical statt Gottesdienst“ erlebt, „Albernheiten statt Weihnachtsbotschaft, keine Predigt, nichts“. „Sitzt unsere Kirche nicht dem grandiosen Irrtum auf, man müsse nur ,zeitgemäß‘ sein, um die Gläubigen zu halten? Ist nicht das Gegenteil richtig?“, fragen sie sich. Es gebe nichts Zeitgemäßeres, nichts Aktuelleres als die Botschaft der Bergpredigt. „Sind die evangelische Kirche und ihre ordinierten Vertreter nicht willens oder nicht mehr in der Lage, diese Botschaft zu vermitteln? Wo schicken Sie denn die Menschen hin, die die Weihnachtsbotschaft hören wollen, die sich Trost, Sinn, Inhalte von ihrer Kirche erhoffen? In das Theater des Westens?“, fragen die Unterzeichner.

Die Kritiker vermissen außerdem die Stimme der Kirchen in der aktuellen Wertedebatte. Ausgerechnet die Kirchen, die den Werte-Konservatismus im besten Sinne erfunden hätten, schlössen sich von dieser Debatte aus. Wenn sich die von ihnen beobachtete Entwicklung fortsetze, träten immer mehr Menschen zum Katholizismus über.

Die 14-zeilige Antwort von Bischof Wolfgang Huber fanden die Unterzeichner „mehr als dürftig“, wie Jan D. Schmitt-Tegge, früher leitender Mitarbeiter im Umweltbundesamt, sagt. Er hat den Brief an den Bischof verfasst. Huber stellt in Aussicht, „den Klagen, die an mich gelangen, nachzugehen“. Auf die generelle Kritik an einer Entwicklung innerhalb der evangelischen Kirche geht der Bischof in seiner Antwort nicht ein. „Ich habe den Brief sehr ernst genommen“, sagte Huber dem Tagesspiegel. „Es ist doch klar, dass die Frage nach der Qualität von Gottesdiensten für mich zentral ist.“ Er habe aber so knapp geantwortet, weil er schnell reagieren wollte.

Besorgt sind die Kritiker auch über den Kurs der evangelischen Kirche, der vor zwei Wochen auf dem „Zukunftskongress“ in Wittenberg diskutiert wurde. Pfarrer, Bischöfe und viele Kirchenmitglieder kritisierten vor und in Wittenberg, dass in der Kirche zu viel über Strukturreformen und zu wenig über geistliche, spirituelle Fragen gesprochen werde. „Was machen die bloß? Wo bleiben die Inhalte?“, fragt Jan D. Schmitt-Tegge. Es könne doch nicht vordergründig um „Taufquoten“, „Qualitätsmanagement“ oder die Zusammenlegung von Landeskirchen gehen. Das seien Formalien. Die Kirche müsse sich auf ihre Botschaft und auf die Spiritualität besinnen und etwas gegen das „Zerfleddern der bestehenden Gottesdienstformen“ tun. Denn wenn es so weitergehe, so Schmitt-Tegge, frage er sich, ob die evangelische Kirche noch lange Bestand haben werde. (Seite 7)

Quelle: Der Tagesspiegel (11. Februar 2007)


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