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Vom Sakrament des Altars oder Hl. Abendmahl
In derselben Weise, wie wir es von der heiligen Taufe gehört haben, müssen
wir auch von dem zweiten Sakrament reden, nämlich von den drei Stücken: was es
ist, was es nützt, und wer es empfangen soll; und das alles ist auf die Worte
gegründet, durch die es von Christus eingesetzt worden ist. Diese muß auch
jeder wissen, der ein Christ sein und zum Sakrament gehen will. Denn wir sind
nicht gesinnt, die zuzulassen und es denen zu reichen, die nicht wissen, was sie
da suchen oder warum sie kommen.
Die Worte aber sind folgende:
Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das
Brot, dankte und brach's und gab's seinen Jüngern und sprach: Nehmet hin und
esset: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem
Gedächtnis. Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl, dankte und
gab ihnen den und sprach: Nehmet hin und trinket alle daraus. Dieser Kelch ist
das neue Testament in meinem Blut, das für euch vergossen wird zur Vergebung der
Sünden. daß tut, so oft ihr's trinket, zu meinem Gedächtnis.
Auch hier wollen wir uns nicht in den Haaren liegen und mit den Lästerern und
Schändern dieses Sakrament fechten. Sondern in erster Linie das lernen, worauf
es hier wie auch bei der Taufe ankommt: nämlich, daß das vornehmste Stück
Gottes Wort und Ordnung oder Befehl ist. Denn [das Abendmahl] ist von keinem
Menschen erdacht oder aufgebracht worden, sondern ist ohne jemandes Rat und
Überlegung von Christus eingesetzt worden. Deshalb [ist's] wie bei den zehn
Geboten, dem Vaterunser und dem Glaubensbekenntnis: die bleiben in ihrem Wesen
und in ihrer Würde [bestehen], so daß ihm kein Abbruch getan noch etwas
genommen wird, auch wenn wir es unwürdig gebrauchen oder vollziehen. Was meinst
du: sollte Gott nach unserm Tun oder Glauben fragen und deswegen seine Ordnung
umwandeln lassen? Bleibt doch in allen weltlichen Dingen alles so, wie es Gott
geschaffen und angeordnet hat, gleichviel, wie wir es gebrauchen und behandeln.
Das muß man immerfort betreiben. Damit kann man nämlich sicherlich aller
Rottengeister Geschwätz zurückweisen; denn sie sehen die Sakramente ohne
Rücksicht auf Gottes Wort als ein Ding an, was wir tun.
Was ist nun das Sakrament des Altars? Antwort: Es ist der wahre Leib und Blut des Herrn Christus in und unter dem Brot und Wein [wie es] durch
Christi Wort uns Christen zu essen und zu trinken befohlen [ist]. Und wie wir
von der Taufe sagten, daß sie nicht bloßes Wasser sei, so sagten wir auch hier:
das Sakrament ist Brot und Wein, aber nicht bloß Brot und Wein, wie man es sonst
zu Tisch aufträgt, sondern Brot und Wein in Gottes Wort gefaßt und daran
gebunden. Das Wort ist es, sage ich, was dieses Sakrament macht und
unterscheidet, so daß es nicht bloßes Brot und Wein, sondern Christi Leib und
Blut ist und heißt. Denn es heißt: "Accedat verbum ad elementum et fit
sacramentum" [d.h.] "Wenn das Wort zum äußerlichen Ding hinzu kommt, so wird es
ein Sakrament". Dieser Ausspruch des hl. Augustinus ist so treffend und richtig
gesprochen, daß er kaum einen besseren gesagt hat. Das Wort muß das Element
zum Sakrament machen; andernfalls bleibt es ein bloßes Element. Nun handelt es
sich nicht [bloß] um Wort und Anordnung eines Fürsten oder Kaisers, sondern der
hohen Majestät; davor sollen alle Kreaturen zu Füßen fallen und Ja sprechen,
daß es sei, wie er sagt, und es mit allen Ehren, mit Furcht und Demut annehmen.
Aus diesem Wort kannst du dein Gewissen stärken und sprechen: "Wenn
hunderttausend Teufel samt allen Schwärmern daherkommen: 'Wie kann Brot und Wein
Christi Leib und Blute sein?' usw., so weiß ich, daß alle Geister und Gelehrten
zusammen nicht so klug sind wie die göttliche Majestät im kleinsten Fingerlein.
Nun steht hier Christi Wort: 'Nehmet, esset, das ist mein Leib.', 'Trinket alle
daraus, das ist das neue Testament in meinem Blute' usw.; da bleiben wir dabei
und wollen die sehen, die ihn meistern und es anders machen wollen als er's
geredet hat." Das ist wohl wahr: wenn du das Wort davon wegtust oder es ohne das
Wort ansiehst, so hast du nichts als bloßes Brot und Wein. Wenn die Worte aber
dabeibleiben, wie sie sollen und müssen, dann ist's so wie sie lauten wahrhaftig
Leib und Blut Christi. Denn wie Christi Mund redet und spricht, so ist es; denn
er kann nicht lügen noch trügen.
Von da aus ist nun leicht zu antworten auf allerlei Fragen, mit denen man
sich jetzt bekümmert, wie z.B. die, ob auch ein böser Priester das Sakrament
verwalten und geben könne, und was desgleichen mehr ist. Denn da schlußfolgern
wir und sagen: Obgleich ein böser Bube das Sakrament nimmt oder gibt, so nimmt
er das rechte Sakrament, d.h. Christi Leib und Blut, ebensowohl wie der, der es
in allerwürdigster Weise verwaltet. Denn es ist nicht gegründet auf Heiligkeit
von Menschen, sondern auf Gottes Wort. Und wie kein Heiliger auf Erden, ja kein
Engel im Himmel das Brot und den Wein zu Christi Leib und Blut machen kann,
ebenso kann auch niemand etwas daran ändern und umwandeln, mag es auch
mißbraucht werden. Denn um der Person bzw. um des Unglaubens willen wird das
Wort nicht falsch, durch welches es zu einem Sakrament geworden und eingesetzt
ist. Denn [Christus] sagt nicht: "Wenn ihr glaubt oder würdig seid, so habt ihr
meinen Leib und Blut"; sondern: "Nehmet, esset und trinket; das ist mein Leib
und Blut." Ebenso: "Solches tut", nämlich das, was ich jetzt tue, einsetze, euch
gebe und euch nehmen heiße. Das heißt soviel als: Gleichviel, ob du unwürdig
oder würdig bist, so hast du hier seinen Leib und sein Blut kraft dieser Worte,
die zu dem Brot und Wein kommen. Das merke dir und behalte es nur wohl. Denn auf
[diesen] Worten steht unser ganzer Grund, unser Schutz und unsere Wehr gegen
allen Irrtum und alle Verführung, die je gekommen sind oder noch kommen mögen.
Damit haben wir in Kürze das erste Stück besprochen, welches das Wesen dieses
Sakraments belangt. Nun sieh weiter auch die Wirkung und auch das Nötigste
dabei, daß man wisse, was wir da suchen und holen sollen. Dies ist nun klar und
leicht zu ersehen eben aus den angeführten Worten: "Das ist mein Leib und Blut,
für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden." Das heißt ganz
kurz soviel: wir gehen deshalb zum Sakrament, um hier diesen Schatz zu
empfangen, durch den und in dem wir Vergebung der Sünden bekommen. Warum das?
Darum, weil diese Worte dastehen und uns solches geben. Denn darum heißt er mich
essen und trinken, daß es mein [eigen] sei und mir nütze als gewisses
Unterpfand und Zeichen, ja als eben das gut selber, das für mich eingesetzt ist
gegen meine Sünde, Tod und alles Unglück.
Darum heißt es mit Recht eine Speise der Seele, die den neuen Menschen nährt
und stärkt. Durch die Taufe werden wir ja erstlich neugeboren; aber daneben
bleibt, wie gesagt, gleichwohl noch die alte Haut in Gestalt von Fleisch und
Blut am Menschen. Da gibt's so viel Hinderung und Anfechtung vom Teufel und der
Welt, daß wir oft müde und matt werden und zuweilen auch straucheln. Darum ist
uns das Sakrament zur täglichen Weide und Fütterung gegeben, damit sich der
Glaube erhole und stärke, um in diesem Kampf keinen Rückfall zu erleiden,
sondern immerfort stärker und stärker zu werden. Denn das neue Leben soll so
beschaffen sein, daß es stets zunehme und fortschreite. Es muß aber dagegen
viel leiden. Denn der Teufel ist so ein zorniger Feind: wenn er sieht, daß man
sich wider ihn legt und den alten Menschen angreift und daß er uns nicht mit
Gewalt überrumpeln kann, dann schleicht und streicht er auf allen Seiten umher,
versucht alle Künste und läßt nicht ab, bis er uns zuletzt müde macht, so daß
man entweder den Glauben fallen läßt oder Hände und Füße gehen läßt und
unlustig oder ungeduldig wird. Dafür ist nun dieser Trost gegeben; wenn das Herz
das fühlt, daß es ihm zu schwer werden will, soll es hier neue Kraft und Labsal
holen.
Hier drehen sich abermals unsere klugen Geister mit ihrer großen Kunst und
Klugheit; sie schreien und poltern: "Wie kann Brot und Wein die Sünde vergeben,
oder den Glauben stärken?" Und dabei hören und wissen sie doch, daß wir das
nicht von Brot und Wein sagen, die für sich [genommen], eben Brot [und Wein]
sind, sondern von solchem Brot und Wein, das Christi Leib und Blut ist und jene
Worte bei sich hat. Dieses, sagen wir, und nichts anderes ist wahrlich der
Schatz, durch den solche Vergebung erworben worden ist. Nun wird es uns wirklich
anders als in den Worten: "Für euch gegeben und vergossen" gebracht und
zugeeignet. Denn darin hast du beides: daß es Christi Leib und Blut ist, und
daß es Dein ist als ein Schatz und Geschenk. Nun kann jedenfalls Christi Leib
nicht ein unfruchtbares, vergebliches Ding sein, das nichts schaffen noch nützen
würde. Wie groß jedoch dieser Schatz auch an sich selbst sein mag, - er muß in
das Wort gefaßt und uns gereicht werden, sonst würden wir's weder wissen noch
suchen können.
Darum ist es auch sinnlos geredet, wenn sie sagen, Christi Leib und Blut sei
nicht im Abendmahl für uns gegeben noch vergossen worden; somit könne man im
Sakrament nicht Vergebung der Sünden haben. Denn obwohl das Werk am Kreuz
geschehen und [am Kreuz] die Vergebung der Sünden erworben worden ist, so kann
sie doch nicht anders als durchs Wort zu uns kommen. Denn was wüßten wir sonst
davon, daß das geschehen sein, oder uns geschenkt werden solle, wenn man es
nicht durch die Predigt oder durch mündliches Wort forttrüge? Woher wissen sie
es oder wie können sie die Vergebung ergreifen und zu sich bringen, wenn sie
sich nicht an die [Heilige] Schrift und das Evangelium halten und daran glauben?
Nun es ist jedenfalls das ganze Evangelium und der ganze Glaubensartikel "Ich
glaube an eine heilige christliche Kirche, Vergebung der Sünden usw." durch das
Wort in dieses Sakrament hineingesteckt und uns vorgelegt. Warum sollten wir
denn diesen Schatz aus dem Sakrament herausreißen lassen, wo sie doch bekennen
müssen, daß es die gleichen Worte sind, die wir allenthalben im Evangelium
hören? Können sie doch ebensowenig sagen, diese Worte im Sakrament seien nichts
nütze, so wenig sie zu behaupten wagen, daß das ganze Evangelium oder Wort
Gottes außerhalb vom Sakrament nichts nütze sei.
So haben wir nun das ganze Sakrament besprochen, sowohl was es an sich selbst
ist, als auch was es bringt und nützt. Nun muß man auch sehen, wer die Person
ist, die diese Kraft und diesen Nutzen empfangen soll. Das ist, ganz kurz
gesagt, wie es oben bei der Taufe und sonst oft gesagt worden ist, [der], der
das glaubt, wie die Worte lauten und was sie [mit sich] bringen. Denn sie sind
nicht [zu] Stein und Holz gesagt oder verkündigt, sondern denen, die sie hören;
zu diesen spricht er: "Nehmet und esset usw." Und weil er Vergebung der Sünden
anbietet und verheißt, so kann es nicht anders als durch den Glauben empfangen
werden. Solchen Glauben fordert er selbst in seinem Wort, indem er sprich: "Für
euch gegeben und für euch vergossen." Das ist, als wollte er sagen:
Darum gebe ich's und heiße euch essen und trinken, daß ihr's euch aneignen und
genießen sollt. Wer sich nun das gesagt sein läßt und glaubt, daß es wahr ist,
der hat es. Wer aber nicht glaubt, der hat nichts; denn er läßt es sich umsonst
anbieten und will dieses heiligschaffende Gut nicht genießen. Der Schatz ist
wohl aufgetan und jedermann vor die Türe, ja sogar auf den Tisch gelegt; es
gehört aber dazu, daß du ihn dir auch aneignest und ihn gewiß für das hältst,
was dir die Worte angeben.
Darin besteht nun die ganze christliche Vorbereitung, dies Sakrament würdig
zu empfangen. denn weil dieser Schatz ganz in den Worten vorgelegt wird, kann
man's nicht anders ergreifen und sich aneignen, als mit dem Herzen. Denn mit der
Faust wird man ein solches Geschenk und ewigen Schatz nicht erfassen. Fasten und
Beten usw. kann wohl eine äußere Vorbereitung und Kinderübung sein; daß sich
der Leib züchtige und ehrerbietig gegenüber dem Leib und Blut Christi verhalte
und gebärde. Aber das, was darin und damit gegeben wird, kann der Leib nicht
fassen noch an sich bringen. Das tut vielmehr der Glaube des Herzens; er erkennt
hier diesen Schatz und begehrt in. Damit sei es genug, soviel für den
allgemeinen Unterricht über dieses Sakrament nötig ist. Denn was weiter davon zu
sagen ist, das gehört zu einer anderen Zeit besprochen.
Nachdem wir nun das rechte Verständnis und die Lehre von diesem Sakrament
erörtert haben, ist am Ende auch eine Ermahnung und ein Anreiz dazu wohl nötig,
daß man diesen großen Schatz, den man täglich unter den Christen verwaltet und
austeilt, nicht umsonst vorübergehen lasse. D.h. die, die Christen sein wollen,
sollten sich dazu schicken, das hochwürdige Sakrament oft zu empfangen. Wir
sehen nämlich, daß man sich geradezu lässig und faul dazu stellt und es unter
denen, die das Evangelium hören, einen großen Haufen von ihnen gibt. Seitdem des
Papstes Tand abhanden gekommen ist und wir von seinem Zwang und Gebot frei
geworden sind, gehen sie zwei oder drei Jahr und noch länger ohne Sakrament
dahin, als seien sie so starke Christen, die seiner nicht bedürfen. Auch lassen
sich einige daran hindern und davon abschrecken, weil wir gelehrt haben, es
solle niemand dazu gehen als die, die einen Hunger und Durst fühlen, der sie
dazu treibt; einige nehmen als Vorwand, es sei freigestellt und nicht nötig und
es sei genug, daß sie sonst glauben. So kommen die meisten dahin, daß sie ganz
roh werden und zuletzt beides, das Sakrament und das Wort Gottes verachten.
Nun ist's wahr, was wir gesagt haben: man solle beileibe niemand dazu treiben
noch zwingen, um nicht wieder eine neue Seelenmörderei anzurichten. Aber das
soll man dann doch wissen, daß solche Leute für keine Christen zu halten sind,
die sich so lange Zeit dem Sakrament fernhalten und entziehen. Denn Christus hat
es nicht deshalb eingesetzt, daß man es als ein Schauspiel behandle, sondern
hat seinen Christen geboten, daß sie es essen und trinken und seiner dabei
gedenken. Und wahrlich, die, die rechte Christen sind und das Sakrament teuer
und wert halten, sollen sich wohl selber dazu antreiben und hinzudrängen. damit
jedoch die Einfältigen und Schwachen, die ach gern Christen wären, desto mehr
dazu angereizt werden, die Ursache und die Notwendigkeit zu bedenken, die sie
dazu treiben sollten, wollen wir davon ein wenig reden. Denn wie es bei andern
Sachen, die den Glauben, die Liebe und die Geduld betreffen, nicht genügt, bloß
zu lehren und zu unterrichten, [wie man vielmehr] auch täglich dazu ermahnen
muß, so ist es auch hier nötig, mit Predigten anzuhalten, damit man nicht
lässig und verdrossen werde. Wir wissen ja und fühlen, wie der Teufel sich immer
gegen dieses und überhaupt alles christliche Wesen sperrt und dagegen hetzt und
treibt, soviel er kann.
Und da haben wir erstens die helle Schriftstelle in den Worten Christi: "Das
tut zu meinem Gedächtnis." Das sind Worte, die uns etwas heißen und
befehlen: durch sie ist es denen, die Christen sein wollen, auferlegt, das
Sakrament zu genießen. Darum wer Christi Jünger sein will - und mit solchen
redet er hier -, der denke daran und halte sich auch dazu, nicht aus Zwang, weil
er von Menschen gedrängt wird, sondern um dem Herrn Christus zu gehorchen und zu
gefallen. Aber du sprichst: "Es steht doch dabei: 'So oft ihr's tut', damit
zwingt er jedenfalls niemand, sondern überläßt es dem freien Willen!" Antwort:
Das ist wahr; aber es steht nicht da, daß man es überhaupt nicht mehr tun soll;
vielmehr ist gerade, wenn er die Worte spricht: 'So oft ihr's tut', dann doch
darin inbegriffen, daß man's oft tun soll. Und zwar ist das deshalb
dazugesetzt, weil er das Sakrament frei haben will, ohne daß es an eine
besondere Zeit gebunden wäre wie das Osterlamm der Juden; diese durften sie ja
alle Jahre nur einmal essen, und zwar genau am Abend des vierzehnten
Tages beim ersten Vollmond, sie durften keinen Tag darüber hinausgehen. Es ist,
als ob Christus damit sagen wollte: "Ich setze euch ein Osterfest oder Abendmahl
ein, das ihr nicht eben nur an diesem Abend einmal im Jahre, sonder
oftmals genießen sollt, wann und wo ihr wollt, wie einer gerade die Gelegenheit
hat oder es für notwendig hält, ohne an einen Ort oder eine bestimmte Zeit
gebunden zu sein." Freilich hat der Papst nachher das ins Gegenteil verkehrt und
wieder ein jüdisches Fest daraus gemacht.
Somit siehst du, daß nicht in dem Sinne Freiheit gelassen ist, daß man's
verachten dürfte. Denn das heiße ich verachten, wenn man so lange Zeit vergehen
läßt und, ohne sonst ein Hindernis zu haben, doch es nie begehrt. Willst du
eine solche Freiheit haben, so nimm dir lieber gleich auch noch die Freiheit,
daß du [überhaupt] kein Christ mehr bist und nicht zu glauben und zu beten
brauchst; denn dies ist ebensosehr Christi Gebot als jenes. Willst du aber ein
Christ sein, so mußt du wenigstens dann und wann diesem Gebote genugtun und
gehorchen. Denn dieses Gebot sollte dich zum wenigsten bewegen, in dich selbst
zu schlagen und zu denken: "Sieh, was bin ich für ein Christ? Wäre ich's, so
würde ich mich jedenfalls ein wenig nach dem sehnen, was mir mein Herr zu tun
befohlen hat." Und wahrlich, daran, daß wir uns so fremd dazu stellen, spürt
man gut, was für Christen wir unter dem Papsttum gewesen sind: solche, die aus
lauter Zwang und aus Furcht vor menschlichem Gebot hingegangen sind, ohne Lust
und Liebe und ohne Christi Gebot einmal anzusehen. Wir aber zwingen und
drängen niemand; es braucht's auch niemand uns zu Dienst oder Gefallen zu
tun. Das aber soll dich anreizen und sogar zwingen, daß er es haben will
und daß es ihm gefällt. Von Menschen soll man sich weder zum Glauben noch zu
irgendeinem guten Werk nötigen lassen. Wir tun nicht mehr als daß wir sagen und
dazu ermahnen, was du tun sollst, nicht um unsret- sondern um deinetwillen. Er
lockt und reizt dich; willst du das verachten, so verantworte dich selbst dafür.
Das soll nun das erste sein, besonders für die Kalten und Nachlässigen, daß
sie über sich selber nachdenken und sich aufwecken. Denn das ist gewiß wahr,
wie ich bei mir selber deutlich erfahren habe und wie es jeder bei sich finden
wird: Wenn man sich so [dem Sakrament] entzieht, wird man von Tag zu Tag immer
roher und kälter und schlägt es [schließlich] ganz in den Wind. Andernfalls muß
man sich wenigstens mit seinem Herzen und Gewissen befragen und sich als ein
Mensch verhalten, der gerne mit Gott recht stehen wolle. Je mehr nun das
geschieht, desto mehr wird das Herz erwärmt und entzündet, so daß es nicht ganz
erkaltet.
Sagst du aber: Was aber dann, wenn ich fühle, daß ich nicht geschickt bin
(nicht in der rechten Verfassung bin)? Antwort: Das ist meine Anfechtung auch,
wie sie besonders von dem alten Zustand unter dem Papst herrührt. Da hat man
sich so zermartert, daß man ganz rein wäre und Gott kein Tädelein an uns fände.
Dadurch sind wir so scheu davor geworden, daß sich flugs jedermann entsetzte
und sich sagte: "O weh, du bist nicht würdig." Denn da beginnt Natur und
Vernunft unsere Unwürdigkeit gegen das große, teure Gut aufzurechnen. Da findet
sie sich dann vor wie eine finstere Laterne gegenüber der lichten Sonne oder wie
Mist gegenüber Edelsteinen; und weil sie das sieht, will sie nicht dran hin und
harrt, bis sie geschickt werde (in die rechte Verfassung komme), so lange, daß
eine Woche die andere und ein halbes Jahr das andere [nach sich] bringt. Aber
wenn du darauf sehen willst, wie fromm und rein du bist, und darauf
hinarbeitest, daß dich [keine Gewissensbisse mehr] beißen, so darfst du
überhaupt nie herzukommen.
Deshalb soll man hier die Leute unterscheiden: Denen nämlich, die freche und
wilde Menschen sind, soll man sagen, sie sollen davon wegbleiben; denn sie sind
nicht geschickt (in der Verfassung), Vergebung der Sünden zu empfangen, da sie
diese nicht begehren und nicht gern fromm sein möchten. Die andern aber, die
keine solche rohen und losen Leute sind und gerne fromm würden, sollen sich
nicht davon sondern, auch wenn sie sonst schwach und gebrechlich sind. So hat
auch der Hl. Hilarius gesagt: "Wenn eine Sünde nicht derart ist, daß man jemand
mit Recht aus der Gemeinde stoßen und für einen Unchristen halten kann, soll man
nicht vom Sakrament wegbleiben", damit man sich nicht des Lebens beraube. Denn
soweit wird niemand kommen, daß er nicht viel tägliche Gebrechen in seinem
Fleisch und Blut behält.
Darum sollen solche Leute lernen, daß es die höchste Kunst ist, zu wissen,
daß unser Sakrament nicht auf unserer Würdigkeit steht. Wir lassen uns [ja]
nicht taufen als solche, die würdig und heilig sind; wir kommen auch nicht zur
Beichte, als wären wir rein und ohne Sünde, sondern im Gegenteil, als arme,
elende Menschen und zwar eben deshalb, weil wir unwürdig sind, außer es handelte
sich um jemand, der keine Gnade und Absolution begehrte und sich zu bessern
gedächte. Wer aber gerne Gnade und Trost haben möchte, soll sich selbst [zum
Sakrament] antreiben und durch niemand davon abschrecken lassen. Er soll so
sagen: "Ich wollte wohl gerne würdig sein, aber ich komme nicht auf Grund
irgendeiner Würdigkeit, sondern auf dein Wort hin, weil du es befohlen hast, als
einer, der gern dein Jünger wäre; meine Würdigkeit mag bleiben, wo sie will."
Das ist aber schwer; denn [die Tatsache] liegt uns dabei immer im Wege und
hindert uns, daß wir mehr auf uns selbst als auf Christi Wort und Mund sehen.
Unsere Natur möchte nämlich gerne so handeln, daß sie sicher auf sich selber
fußen und stehen könnte; andernfalls will sie nicht dran hin. Das sei genug vom
ersten Stück.
Zweitens ist außer dem Gebot [zum Abendmahl zu gehen], auch eine Verheißung
da, die wir auch schon oben gehört haben; die soll uns am allerstärksten
anreizen und antreiben. Denn da stehen die freundlichen, liebreichen Worte: "Das
ist mein Leib für euch gegeben; das ist mein Blut, für euch
vergossen zur Vergebung der Sünden." Diese Worte, habe ich gesagt, sind nicht
einem Stock oder Stein gepredigt, sondern mir und dir; sonst könnte [Christus]
ebensogut stillschweigen und kein Sakrament einsetzen. Darum denke und bringe
dich auch in das "Euch" hinein, damit er nicht umsonst mit dir redet. Denn da
bietet er uns den ganzen Schatz an, den er uns vom Himmel gebracht hat und zu
dem er uns auch sonst aufs allerfreundlichste lockt, z.B. wenn er Matth 11
spricht: "Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will
euch erquicken." Nun ist's jedenfalls eine Sünde und Schande, wenn er uns so
herzlich und treu zu unserem höchsten und besten Gut auffordert und ermahnt, und
wir uns so fremd dazu stellen und so lange hin gehen lassen, bis wir ganz
erkalten und verhärten, so daß wir keine Lust noch Liebe mehr dazu haben.
Man hat doch jedenfalls das Sakrament nicht als ein schädlich Ding anzusehen,
vor dem man davonlaufen müßte, sondern als eine durchaus heilsame, tröstliche
Arznei, die dir helfen und das Leben geben soll, beides für Leib und Seele. Denn
wo die Seele genesen ist, da ist dem Leibe auch geholfen. Warum stellen wir uns
dann dazu, als wäre es ein Gift, an dem man sich den Tod ißt? Das ist wohl
wahr: die, die [das Sakrament] verachten und unchristlich leben, nehmen es sich
zu Schaden und Verdammnis. Denn solchen soll nichts gut und heilsam sein, so
wenig wie einem Kranken, er aus Mutwillen ißt und trinkt, was ihm vom Arzt
verboten ist. Aber denen, die ihre Schwachheit fühlen und sie gerne los wären
und Hilfe begehren, - die sollen das Sakrament nicht anders ansehen und
gebrauchen als wie ein köstliches Gegengift gegen das Gift, das sie bei sich
haben. Denn hier im Sakrament sollst du aus Christi Mund Vergebung der Sünde
empfangen; diese aber hat bei sich und bringt mit sich Gottes Gnade und Geist
samt allen seinen Gaben, Schutz und Schirm und Gewalt wider Tod und Teufel und
alles Unglück.
So hast du von Gottes wegen sowohl das Gebot als auch die Verheißung des
Herrn Christus. Außerdem sollte dich deinetwegen deine eigene Not dazu treiben,
die dir auf dem Hals liegt; denn um ihretwillen kommt es zu diesem Gebieten,
Locken und Verheißen. Spricht doch Christus selber: "Die Starken bedürfen des
Arztes nicht, sondern die Kranken", d.h. die, die mühselig und beschwert sind
durch Sünde, Furcht vor dem Tode und Anfechtung von seiten des Fleisches oder
des Teufel. Bist du nun beladen und fühlst deine Schwachheit, so geh fröhlich
hin und laß dich erquicken, trösten und stärken. Denn willst du darauf harren,
bis du das los wirst, um dann rein und würdig zum Sakrament zu kommen, so mußt
du ewig davon wegbleiben. Da fällt nämlich [Christus] das Urteil und sagt: "Bist
du rein und fromm, so brauchst du mich nicht, und umgekehrt ich dich auch
nicht." Darum heißen allein die unwürdig, die ihr Gebrechen nicht fühlen und
nicht Sünder sein wollen.
Sagst du aber: "Wie soll ich mir denn helfen, wenn ich diese Not nicht fühlen
und keinen Hunger und Durst nach dem Sakrament empfinden kann?" Antwort: Denen,
die so gesinnt sind, daß sie sich nicht so fühlen, weiß ich keinen besseren
Rat, als daß sie doch in ihren Busen greifen möchten, ob sie auch Fleisch und
Blut haben; wenn du dann dieses vorfindest, so gehe doch dir zugute zu dem Brief
des hl. Paulus an die Galater und höre dort, was dein Fleisch für ein Früchtlein
ist. "Offenbar sind aber - sagt er - die Werke des Fleisches: nämlich Ehebruch,
Hurerei, Unreinheit, Geilheit, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader,
Eifersucht, Zorn, Zank, Zwietracht, Sekten, Hass, Mord, Saufen, Fressen und
dergleichen." Kannst du es deshalb nicht fühlen, so glaube es doch der Schrift;
die wird dich nicht belügen, da sie dein Fleisch besser kennt als du selber. Ja,
eine noch weitergehende Schlußfolgerung zieht der hl. Paulus Röm 7: "Denn ich
weiß, daß in mir, d.h. in meinem Fleische, nichts Gutes wohnt." muß der hl.
Paulus solches von seinem Fleische sagen so wollen wir auch nicht besser noch
heiliger sein. Wenn wir's aber nicht fühlen, so ist das nur um so ärger. Denn
das ist ein Zeichen davon, daß es sich um ein aussätziges Fleisch handelt: ein
solches empfindet nichts, und doch wütet es und frißt um sich. Doch wie gesagt,
bist du so ganz und gar erstorben, so glaube doch der [Heiligen] Schrift, die
dieses Urteil über dich spricht. Und kurz: je weniger du deine Sünde und
Gebrechen fühlst, desto mehr hast du Ursache, [zum Sakrament] hinzugehen und
Hilfe und Arznei zu suchen.
Zweitens sieh dich um, ob du auch in der Welt bist; oder, falls du es nicht
weißt, so frage deine Nachbarn darnach. Bist du in der Welt, so denke nicht,
daß es an Sünde und Not fehlen werde. Denn fange nur einmal an und verhalte
dich so, als wollest du fromm werden und beim Evangelium bleiben, und dann sieh
zu, ob dir niemand feind werden, dazu Leid Unrecht und Gewalt antun, ferner auch
Ursache zu Sünden und Bosheit geben wird! Hast du es nicht erfahren, so laß
dir's von der Heiligen Schrift sagen; sie gibt der Welt allenthalben einen
solchen Preis und Zeugnis.
Überdies wirst du wahrlich auch den Teufel um dich haben, den du nie ganz
unter dich treten wirst; hat doch selbst unser Herr Christus das nicht ganz
umgehen können. Was ist nun der Teufel? Nichts anderes als ein Lügner und ein
Mörder, wie ihn die Schrift nennt. Ein Lügner: er will das Herz von Gottes Wort
wegverführen und verblenden, damit du deine Not nicht fühlest noch zu Christus
kommen könntest. Ein Mörder: er gönnt dir keine Stunde lang das Leben. Wenn du
sehen solltest, wie viel Messer, Spieße und Pfeile alle Augenblicke auf dich
gezielt werden, so würdest du froh sein, zum Sakrament zu kommen, so oft du
könntest. Wenn man aber so sicher und unachtsam dahingeht, so hat das keinen
anderen Grund, als daß wir nicht bedenken und glauben, daß wir im Fleisch und
in der bösen Welt bzw. unter des Teufels Reich sind.
Darum prüfe und übe das recht; gehe nur in dich selber oder sieh dich ein
wenig um, halte dich nur an die [Heilige] Schrift. Fühlest du dann auch nichts
[von deiner Not], so hast du es desto nötiger, das sowohl Gott als auch deinem
Bruder zu klagen; da laß dir raten und für dich bitten, und laß nur nicht ab,
so lange bis der Stein von deinem Herzen wegkommt. Dann wird sich die Not schon
finden und du wirst gewahr werden, daß du zweimal tiefer liegst als ein anderer
armer Sünder, und daß du des Sakraments noch viel mehr bedarfst gegen das
Elend, das du leider nicht siehst. Vielleicht gibt Gott Gnade, daß du es dann
mehr fühlst und immer hungriger nach dem Sakrament wirst, besonders weil der
Teufel dir so zusetzt und ohne Unterlaß dir nachstellt, um dich zu erhaschen
und um Seele und Leib zu bringen, so daß du keine Stunde vor ihm sicher sein
kannst. Wie bald könnte er dich plötzlich in Jammer und Not gebracht haben, wenn
du am wenigsten darauf gefaßt bist!
Soviel sie nun zur Ermahnung gesagt, nicht bloß für uns Alte und Große,
sondern auch für das junge Volk, das man in christlicher Lehre und Verständnis
aufziehen soll. Auf diesem Weg könnte man ja die zehn Gebote, Glaubensbekenntnis
und Vaterunser der Jugend um so leichter beibringen, daß es ihr mit Lust und
Ernst einginge und sie sich so von Jugend auf darin übten und daran gewöhnten.
Denn bei den Alten ist doch nun vielfach [die Möglichkeit] vorbei; man kann
dieses und anders nur so erreichen, daß man die Leute aufzieht, die nach uns
kommen und in unser Amt und Werk eintreten sollen. Sie sollen dann auch ihre
Kinder fruchtbringend erziehen, damit Gottes Wort und die Christenheit erhalten
werde. Darum wisse ein jeder Hausvater, daß er auf Grund von Gottes Befehl und
Gebot dazu verpflichtet ist, seine Kinder dies zu lehren oder lernen zu lassen,
was sie können sollen. Denn nachdem sie getauft und in die Christenheit
aufgenommen sind, sollen sie auch in den Genuß dieser Gemeinschaft am Sakrament
kommen, damit sie uns dienen, und nützlich werden können. Denn sie alle müssen
uns doch glauben, lieben, beten und wider den Teufel fechten helfen.
Nun kommt die Ermahnung zur Beichte.
Eine kurze Vermahnung zur Beichte
Von der Beichte haben wir so allezeit gelehrt, daß sie freiwillig sein
solle; wir haben des Papstes Tyrannei niedergelegt, so daß wir alle seinen
Zwang los und von der unerträglichen Bürde und Last befreit sind, die der
Christenheit auferlegt war. Denn wie wir alle es erfahren haben, ist bisher kein
schwerer Ding gewesen, als daß man jedermann zum Beichten gezwungen hat bei
höchster Todsünde. Ferner hat man [das Beichten] so sehr beschwert und die
Gewissen mit der Aufzählung von so mancherlei Sünden gemartert, daß niemand hat
können rein genug beichten. Und was das Ärgste gewesen ist: niemand hat gelehrt
oder gewußt, was die Beichte ist bzw. wie nützlich und tröstlich sie ist; sie
haben vielmehr lauter Angst und Höllenmarter daraus gemacht, so daß man's hat
tun müssen, während man doch keinem Ding so feind gewesen ist. Diese drei Stücke
sind uns nun abgenommen und geschenkt: wir brauchen es nicht unter einem Zwang
oder aus Furcht zu tun; wir sind auch die Marter los geworden, daß wir alle
Sünden so genau aufzählen müssen; und zudem haben wir den Vorteil, daß wir
wissen, wie man die Beichte selig gebrauchen soll zur Tröstung und Stärkung
unseres Gewissens.
Aber darüber weiß nun jedermann Bescheid, und sie haben es nur allzu gut
gelernt: sie tun, was sie wollen, und eignen sich die Freiheit so an, als
sollten und brauchten sie überhaupt nicht mehr zu beichten. Das hat man ja bald
erfaßt, was uns ohnedies wohltut, und es geht uns über die Maßen leicht ein, wo
das Evangelium sanft und weis ist. Aber solche Säue, habe ich gesagt, sollten
nicht bei dem Evangelium sein noch etwas davon haben, sondern sollten unter dem
Papst bleiben und sich treiben und plagen lassen, daß sie beichten, fasten
müßten usw., mehr als jemals vorher. Denn wer das Evangelium nicht glauben und
darnach leben will und tun, was ein Christ tun soll, der soll auch keinen Genuß
davon haben. Was wäre das, wenn du nur einen Genuß haben und nichts dazu tun
und darauf verwenden wolltest? Solchen Leuten wollen wir darum nichts gepredigt
haben und ihnen auch mit unserem Willen nicht von unserer Freiheit einräumen und
zu genießen geben, sondern wollen wieder den Papst oder seinesgleichen über sie
[kommen] lassen; der soll sie zwingen wie ein rechter Tyrann. Denn unter dem
Pöbel, der dem Evangelium nicht gehorchen will, gehört doch nichts anderes als
ein solcher Stockmeister, der Gottes Teufel und Henker ist. Den andern aber, die
es sich gerne sagen lassen, müssen wir immer predigen und sie anhalten, reizen
und locken, daß sie diesen teuren und tröstlichen Schatz, der durchs Evangelium
angeboten wird, nicht umsonst vorbeigehen lassen. Darum sollen wir auch etwas
von der Beichte sagen, um die einfachen Menschen zu unterrichten und zu
ermahnen.
Erstens gibt es, wie ich [in anderen Schriften] gesagt habe, außer dieser
Beichte, von der wir hier reden, noch zwei Arten von Beichte, die mehr ein allen
Christen gemeinsames Bekenntnis heißen könnten: nämlich, wenn man Gott selber
allein oder dem Nächsten allein beichtet und sie um Vergebung bittet. Diese
[beiden Arten] sind auch ins Vaterunser eingeschlossen, wenn wir sprechen:
"Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern usw." Ja, das
ganze Vaterunser ist nichts anders als eine solche Beichte. Denn was ist unser
Beten anders, als daß wir bekennen, was wir nicht haben und tun, was wir
schuldig sind, und daß soll und muß ohne Unterlaß geschehen, solange wir
leben. Denn darin besteht eigentlich das christliche Wesen, daß wir uns als
Sünder erkennen und um Gnade bitten.
Gleichfalls ist die andere Art von Beichte, die ein jeder seinem Nächsten
gegenüber ablegt, auch ins Vaterunser eingeschlossen: Wir sollen uns
untereinander unsre Schuld beichten und vergeben, ehe wir vor Gott kommen und
ihn um Vergebung bitten. Nun sind wir insgeheim alle untereinander schuldig;
darum sollen und können wir gut öffentlich vor jedermann beichten, und keiner
braucht den andern zu scheuen. Denn es geht, wie das Sprichwort sagt: "Ist einer
fromm, so sind sie es alle", und keiner tut Gott oder dem Nächsten gegenüber,
was er soll. Doch gibt es neben diesem allgemeinen Schuldbekenntnis auch noch
ein besonderes; wenn einer den andern erzürnt hat, soll er es ihm abbitten. So
haben wir im Vaterunser eine doppelte Absolution: es ist uns vergeben, sowohl
was wir gegen Gott als auch, was wir gegen den Nächsten verschuldet haben,
vorausgesetzt, daß wir dem Nächsten vergeben und uns mit ihm versöhnen.
Außer einem derartigen öffentlichen, täglichen und notwendigen Beichten gibt
es nun diese heimliche Beichte, die allein einem Bruder gegenüber erfolgt. Und
zwar soll sie dort dienlich sein, wenn uns etwas Besonderes anliegt oder
anficht, worüber wir Gewissensbisse empfinden und nicht zufrieden sein können
und wogegen wir uns im Glauben nicht stark genug finden. Dann sollen wir das
einem Bruder klagen um Rat, Trost und Stärkung zu holen, wann und wie oft wir
wollen. Denn es ist nicht in ein Gebot gefaßt wie jene zwei anderen Arten;
vielmehr ist es jedem, der dessen bedarf, anheimgestellt, davon Gebrauch zu
machen, wie er es nötig hat. Und zwar ist das daher gekommen und angeordnet,
daß Christus selbst seiner Christenheit die Absolution in den Mund gelegt und
befohlen hat, uns von Sünden loszusprechen. wenn nun ein Herz da ist, das seine
Sünde fühlt und Trost begehrt, so hat es hier eine gewisse Zuflucht; da findet
und hört es Gottes Wort, in dem Gott einen durch einen Menschen von seinen
Sünden entbindet und losspricht.
So merke dir nun, wie ich schon oft gesagt habe, daß die Beichte aus zwei
Stücken besteht. Das erste ist unser Werk und Tun: Ich beklage meine
Sünde und begehre Trost und Erquickung für meine Seele. Das zweite ist ein Werk,
das Gott tut. Durch das Wort, das dem Menschen in den Mund gelegt wird,
spricht er mich los von meinen Sünden; und das ist denn auch das Vornehmste und
Edelste, was [die Beichte] lieblich und tröstlich macht. Nun hat man bisher
allein auf unser Werk gedungen und war auf nichts weiter bedacht, als daß wir
ja rein (fehlerlos) gebeichtet hätten. Das zweite, nötigste Stück hat man nicht
beachtet und gepredigt, gerade, als handelte es sich bloß um ein gutes Werk, mit
dem man Gott bezahlen müßte; und wenn die Beichte nicht vollkommen und aufs
allergenaueste abgelegt war, so sollte die Absolution (Lossprechung) nicht
gelten und die Sünde nicht vergeben sein. Damit hat man die Leute so weit
getrieben, daß jedermann [dran] hat verzweifeln müssen, so rein (fehlerlos) zu
beichten, weil das ja nicht möglich war; kein Gewissen hat zur Ruhe kommen und
sich auf die Absolution verlassen können. So haben sie uns die liebe Beichte
nicht bloß nutzlos, sonder auch noch schwer und sauer gemacht zu spürbarem
Schaden und Verderben der Seele.
Darum sollen wir's so ansehen, daß wir diese zwei Stücke weit voneinander
scheiden und auseinandersetzen: wir sollen unser Werk gering, Gottes Wort
dagegen hoch und groß achten und sollen nicht zur Beichte hingehen, als wollten
wir ein köstliches Werk tun und ihm geben, sondern nur von ihm nehmen und
empfangen. Du darfst nicht kommen und sagen, wie fromm oder böse du bist. Bist
du ein Christ, so weiß ich das schon ohne dies gut; bist du keiner, so weiß
ich's noch viel mehr. Aber darum ist es zu tun, daß du deine Not klagst und dir
helfen und ein fröhliches Herz und Gewissen machen lässest.
Dazu braucht dich nun niemand mit Geboten zu drängen; sondern wir sagen so:
Wer ein Christ ist oder gerne einer sein wollte, der bekommt hier einen treuen
Rat, daß er hingehen und den köstlichen Schatz holen möge. Bist du kein Christ
oder begehrst du diesen Trost nicht, so lassen wir dich durch einen andern dazu
zwingen. Damit heben wir nun des Papstes Tyrannei, Gebot und Zwang alles in
allem auf, da wir das nirgends brauchen; wir lehren ja, wie gesagt, so: wer
nicht freiwillig und um der Absolution (Lossprechung) willen zur Beichte geht,
der lasse es nur anstehen. Ja, auch wer im Blick auf eigenes Werk hingeht, wie
rein (fehlerlos) er seine Beichte abgelegt habe, der bleibe nur weg davon. Wir
ermahnen aber: du sollst beichten und eine Not anzeigen, nicht um damit ein Werk
zu tun, sondern um zu hören, was dir Gott sagen läßt. Dieses Wort oder die
Absolution, sage ich, sollst du hochhalten und teuer achten als einen
vortrefflichen, großen Schatz, der mit allen Ehren und Dank anzunehmen ist.
Wenn man das unterstriche und daneben die Not aufzeigte, die uns dazu bewegen
und anreizen sollte, so brauchte man nicht viel zu nötigen und zu zwingen. Da
würde jeden sein eigenes Gewissen genug dazu antreiben und so bange machen, daß
er [des Schatzes] froh würde und es täte, wie ein armer, elender Bettler. Wenn
ein solcher hörte, daß man an einem Ort eine reiche Spende, Geld oder Kleider
austeile, so bedürfte man keines Büttels, der ihn triebe und schlüge; er würde
wohl von selber aus Leibeskräften laufen, was er laufen könnte, um es nicht zu
versäumen. Wenn man nun ein Gebot daraus machte, daß alle Bettler dahin laufen
sollten, und damit basta, verschwiege dabei jedoch, was man dort suchen und
holen solle, - was wäre dann anders der Fall, als daß man mit Unlust hinginge?
Man dächte nicht daran, daß man etwas holen dürfe, sondern nur, daß man sich
sehen lassen müsse, wie arm und elend man als Bettler sei. Daraus würde man
nicht viel Freude oder Trost schöpfen; man würde dem Gebot desto feindlicher
werden.
Ebenso haben bisher des Papstes Prediger von diesem vortrefflichen, reichen
Almosen und unaussprechlichen Schatz geschwiegen; sie haben nur [die Menschen]
in Haufen zur Beichte getrieben, mit keinem weiteren Ziel, als daß man sehe,
was für unreine und unflätige Leute wir seien. Wer konnte da gerne zur Beichte
gehen? Wir aber sagen nicht, daß man sehe, wie voller Unflats du bist, und sich
darin spiegle, sondern wir raten und sagen [vielmehr]: Bist du arm und elend, so
gehe hin und gebrauche die heilsame Arznei. Wer nun sein Elend und seine Not
fühlt, wird wohl ein solches Verlangen darnach kriegen, daß er mit Freuden
hinzuläuft. Die aber, die es nicht achten und von selber kommen, die lassen wir
auch fahren. Das sollen sie aber wissen, daß wir sie nicht für Christen halten.
So lehren wir nun, was für ein vortreffliches, köstliches und tröstliches
Ding es um die Beichte ist, und ermahnen dazu, man möge dieses teure Gut nicht
verachten im Blick auf unsre große Not. Bist du nun ein Christ, so bedarfst du
an keiner Stelle weder meines Zwangs noch des Papstes Gebot, sondern du wirst
dich wohl selber dazu zwingen und mich darum bitten, daß du dessen teilhaftig
werden mögest. Willst du es aber verachten und so stolz ungebeichtet hingehen,
so schließen wir daraus das Urteil, daß du kein Christ bist und auch nicht in
den Genuß des Sakraments [des Abendmahls] kommen sollst; denn du verachtest,
was kein Christ verachten soll, und bewirkst damit, daß du keine Vergebung der
Sünde bekommen kannst. Und es ist ein sicheres Anzeichen dafür, daß du auch das
Evangelium verachtest.
Kurz, wir wollen von keinem Zwang wissen; wer aber unser predigt und
Ermahnung nicht hört und befolgt, mit dem haben wir nichts zu schaffen; der soll
auch nichts vom Evangelium haben. Wärest du ein Christ, so solltest du so froh
darüber werden, daß du gerne über hundert Meilen darnach laufen möchtest, und
solltest dich nicht nötigen lassen, sondern kommen und uns dazu zwingen. Denn da
muß der Zwang umgekehrt werden, daß wir unters Gebot und du in die Freiheit
kommst; wir drängen niemand, sondern leiden es, daß man uns drängt, geradeso,
wie man uns zwingt, daß wir predigen und das Sakrament reichen müssen.
Wenn ich daher zur Beichte ermahne, so tue ich nichts anderes, als daß ich
ermahne, ein Christ zu sein; wenn ich dich dahin bringe, so habe ich dich wohl
auch zur Beichte gebracht. Denn die, die es darnach verlangt, daß sie gerne
fromme Christen wären und ihre Sünden loswürden, und die ein fröhliches Gewissen
haben wollten, die haben schon den rechten Hunger und Durst: sie schnappen nach
dem Brot wie ein gejagter Hirsch, der vor Hitze und Durst entbrannt ist, wie der
42. Psalm sagt: "Wie der Hirsch schreiet nach den Wasserbächen, so schreiet
meine Seele, Gott, zu dir", d.h. so weh und bange es einem solchen ist nach
einem frischen Born, so angst und bange ist es mir nach Gottes Wort oder der
Absolution und dem Sakrament usw. Sieh, das wäre recht von der Beichte gelehrt;
so könnte man Lust und Liebe dazu machen, daß die Leute herzu kämen und uns
mehr nachliefen, als wir gerne hätten. Die Päpstlichen lassen sich und andere
Leute plagen und martern, die diesen Schatz nicht achten und ihn sich selbst
verschließen. Uns aber lasset die Hände aufheben, Gott loben und danken, daß
wir zu solcher Erkenntnis und Gnade gekommen sind.
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