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Der folgende Dialog findet sich im 1966 vollendeten Buch
"Cordula oder der Ernstfall" des römisch-katholischen Theologen Hans Urs von
Balthasar (1905 - 1988)
Des Toren Weisheit ist ein
Trümmerhaufen,
Des Narren Einsicht unverstandenes Gerede.
Ben Sira 21,18
Der wohlgesinnte Kommissar:
Genosse Christ, kannst du mir einmal klaren Wein
einschenken darüber, was mit euch Christen los ist? Was wollt ihr eigentlich
noch in unserer Welt? Worin seht ihr eure Daseinsberechtigung? Was ist euer
Auftrag?
Der Christ: Zunächst einmal sind wir Menschen wie andere auch,
die am Aufbauwerk der Zukunft mitarbeiten.
Der Kommissar: Das erste glaube ich dir, und das zweite will ich
hoffen.
Der Christ: Wir sind nämlich seit neuestem "weltoffen", einzelne
von uns haben sich sogar ernsthaft "zur Welt bekehrt"
Der Kommissar: Das scheint mir ein verdächtiges Pfaffengerede.
Wäre ja noch schöner, wenn ihr, "Menschen wie andere auch", euch erst noch zu
einem menschenwürdigen Dasein zu bekehren hättet. Also zur Sache. Warum seid ihr
noch Christen?
Der Christ: Wir sind heute mündige Christen, wir denken und
handeln in eigener sittlicher Verantwortung.
Der Kommissar: Will ich ebenfalls hoffen, wenn ihr euch schon
als Menschen ausgebt. Aber ihr glaubt doch irgendwas Besonderes?
Der Christ: Das ist nicht so wichtig, auf das epochale Wort
kommt es an, der Ton liegt heute auf der Nächstenliebe. Wer den Nächsten liebt,
der liebt Gott.
Der Kommissar: Falls er existieren würde. Aber da er nicht
existiert, liebt ihr ihn eben nicht.
Der Christ: Wir lieben ihn einschlußweise, ungegenständlich.
Der Kommissar: Aha, euer Glaube hat also keinen Gegenstand. Wir
kommen weiter. Die Sache klärt sich.
Der Christ: Ganz so einfach ist sie allerdings auch nicht. Wir
glauben an Christus.
Der Kommissar: Auch schon gehört von dem. Aber scheints weiß man
historisch verflixt wenig von ihm.
Der Christ: Zugegeben. Praktisch nichts. Darum glauben wir
weniger an den historischen Jesus als an den Christus des Kerygmas.
Der Kommissar: Was ist das für ein Wort? Chinesisch?
Der Christ: Griechisch. Es heißt die Verkündigung der Botschaft.
Wir fühlen uns vom Sprachereignis der Glaubensbotschaft betroffen.
Der Kommissar: Und was steht denn in dieser Botschaft?
Der Christ: Es kommt drauf an, wie man von ihr betroffen wird.
Sie kann einem die Vergebung der Sünden zusprechen. Das war jedenfalls die
Erfahrung der Urgemeinde. Sie muß dazu angeregt worden sein durch die Ereignisse
um den historischen Jesus, von dem wir freilich nicht genug wissen, um sicher zu
sein, daß er ...
Der Kommissar: Und das nennt ihr Konversion zur Welt. Ihr seid
ja die gleichen diffusen Dunkelmänner wie eh und je. Und mit solch diffusem
Geschwätz wollt ihr am Aufbau der Welt mitarbeiten!
Der Christ (spielt seinen letzten Trumpf): Wir haben Teilhard de
Chardin! Er hat in Polen eine große Wirkung!
Der Kommissar: Haben wir selbst schon. Brauchen wir nicht erst
von euch zu erwerben. Aber schön, daß ihr endlich auch soweit seid; tut bloß
noch den mystischen Krimskrams hinaus, der hat mit Wissenschaft nichts zu tun,
dann können wir uns miteinander über die Evolution unterhalten. Auf die andern
Geschichten lasse ich mich nicht ein. Wenn ihr davon selber so wenig wißt, seid
ihr nicht weiter gefährlich. Uns spart ihr damit eine Kugel. Wir haben in
Sibirien sehr nützliche Lager, dort könnt ihr eure Menschenliebe beweisen und
tüchtig an der Evolution mitarbeiten. Es wird mehr dabei herauskommen als auf
euren deutschen Kathedern.
Der Christ (etwas enttäuscht): Sie unterschätzen die
eschatologische Dynamik des Christentums. Wir bereiten das kommende Reich
Gottes. Wir sind die wahre Weltrevolution. Egalité, liberté, fraternité: das ist
ursprünglich unsere Sache.
Der Kommissar: Schade, daß andere die Schlacht für euch schlagen
mußten. Nachträglich ist es nicht schwer, dabei zu sein. Euer Christentum ist
keinen Schuß Pulver wert.
Der Christ: Sie sind bei uns dabei!
Ich weiß wer sie sind. Sie meinen es ehrlich, sie sind ein anonymer Christ.
Der Kommissar: Nicht frech werden, Junge. Auch ich weiß jetzt
genug. Ihr habt euch selber liquidiert und erspart uns damit die Verfolgung.
Abtreten.
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