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Von Lic. theol. Volkmar Walther
"Ökumenische Information” der KNA vom 18. Juli
2006:
Karsten
Bürgener ist als junger Pfarrer in Kontakt mit der kleinen evangelischen
hochkirchlichen Bewegung gekommen. Er hat seit dieser Zeit die Bibel mit neuen
Fragen gelesen und ist auf manche Stelle gestoßen, über die man sonst
hinwegliest. So findet sich im 4. Mosebuch eine Gesetzesvorschrift, die den
Leviten auferlegt, von dem Zehnten, den sie erhalten, ihrerseits den Zehnten
abzuliefern an den Hohenpriester Aaron - "als gäbet ihr Korn von der Tenne und
Wein aus der Kelter."
Der Gesetzestext ist erstaunlich. Er ist in der Wüste gegeben, setzt aber die
Kulturlandsituation voraus. Zudem stirbt Aaron kurz nach Erlaß dieses Gebotes in
der Wüste. Es geht offensichtlich gar nicht um Aaron, sondern um den Zehnten für
die Hohenpriester aller folgenden Generationen. Die Bibel spricht zwar nur von
einer Person, meint aber eine ganze Generationenfolge. Sie meint Sukzession!
Durch diese Stelle aufmerksam geworden findet Bürgener den unausgesprochenen
Sukzessionsgedanken an vielen anderen Stellen. Gott sagt zu Adam und Eva: "Seid
fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde...". Sollte die Erde nur von den
Kindern dieser beiden Ureltern erfüllt werden? Auch hier spricht die Bibel nur
von den beiden Anfangspersonen, meint aber die gesamte Generationenfolge. Oder
anders gesagt: Die Bibel meint die Sukzession aller späteren Elternpaare.
In der Bibel fehlen ja vielfach die Oberbegriffe wie "Sakrament" oder
"Exkommunikation". Die damit bezeichneten Dinge werden aber deutlich bezeugt.
Das ist auch bei dem Begriff der "Sukzession" der Fall. Wenn Jesus den Aposteln
befiehlt, in alle Welt hinauszuziehen und das Evangelium zu verkündigen, meint
er nicht bloß die Elf, sondern auch ihre Nachfolger. Er spricht von einer
"apostolischen Sukzession". In apostolischer Sukzession soll aber nicht nur das
Evangelium verkündet werden, sondern auch der Segen bzw. das Amtscharisma
weitergegeben werden.
In einem ausführlichen ersten Teil seines Buches "Segen, Amt und Abendmahl"
untersucht der Verfasser die vielfältigen, meist unbeachteten Aussagen der Bibel
zum Segen und zum Amtscharisma. "Im Alten Testament wird das Amtscharisma
entweder durch Handauflegung oder durch eine Salbung mit geweihtem Öl
übertragen. Im Neuen Testament wird es offenbar nur durch die segnende
Handauflegung verliehen. Das Amtscharisma hilft dem Amtsträger bei der Ausübung
seines Dienstes. Dabei betont der Apostel Paulus sowohl die 'Herrlichkeit' als
auch die Hilfe, die die Amtsgnade dem Predigtamt verleiht" (67).
Eine wichtige Frage ist auch die nach der Vollmacht zum Segen (62-70), die
"nicht an die Frömmigkeit eines Menschen gebunden, sondern an das Amt oder an
der Stellung, die dem Betreffenden von Gott bzw. von der Kirche verliehen worden
ist. Das Alte und das Neue Testament stimmen also überein: Einen vollmächtigen
Segen kann nur derjenige erteilen, der dazu eine besondere Vollmacht erhalten
hat" (70). Der Verfasser argumentiert evangelisch, nämlich mit der Bibel, kommt
aber in der Amtsfrage zu katholischen Ergebnissen. In den beiden anderen Teilen
"Das Amt" (90-209) und "Das Abendmahl" (212-279) geht es um die praktischen
Konsequenzen der biblischen Vorgaben. Im zweiten Teil "Das Amt" behandelt der
Verfasser Themen, die sowohl für die innerevangelische Erneuerung wie auch für
den ökumenischen Dialog wichtig sind. Dazu gehört die Frage, ob evangelische
Landesbischöfe in der apostolischen Sukzession stehen (165-164), was von der
presbyteralen Sukzession zu halten ist (165-176), wie Ordination ohne
Handauflegung (177-179) oder unsichere Ordination (180-186) zu beurteilen sind.
In diesem Zusammenhang macht der Verfasser den Vorschlag: "Wer sich für sein
kirchliches Amt die dazugehörige Gnadengabe wünscht, von der in 1. Tim. 4,14 und
2. Tim. 1,6 deutlich die Rede ist, der sollte sich zusätzlich zu seiner
Ordination um eine hochkirchliche Priesterweihe bemühen" (186). Die Möglichkeit
dazu ist über verschiedene hochkirchliche Bruderschaften gegeben.
Im Kapitel "Hochkirchliche Bischöfe" (194-200) macht der Verfasser den Leser
damit bekannt, woher diese ihre Sukzession bekommen haben. Als Beispiel erwähnt
er das "Hochkirchliche Apostolat St. Ansgar", ein Kreis, der "Allein auf die
hohe Segenssukzession des Bischofs und die geistliche Freundschaft seiner
Mitglieder gegründet" ist (195). Abgeschlossen wird dieser Teil mit der
Erörterung des weit umstrittenen Problems der "Frauenordination" (202-209) und
der damit verbundenen Frage der gültigen Sakramentsspendung, die durch deren
Praktizierung in Frage gestellt und verneint wird.
Im dritten Teil: "Das Abendmahl" (212-258) wird gezeigt, wie glaubensstärkend
und sogar heilsnotwendig der gültige Empfang des Heiligen Abendmahls für jeden
Christen ist. In diesem Zusammenhang widmet sich der Verfasser den Themen
"Realpräsenz" (212-221), "Predigtamt und Abendmahl" (222-230), "Wandlungsworte
und Segensvollmacht (231-239), "Abendmahl und Meßopfer" (240-245). Abgeschlossen
wird dieses Kapitel mit einem "Exkurs zur Saftfrage" (246-249) und eventuellen
"Volkskirchlichen Widerständen" (250-258), die bei der praktischen Umsetzung
auftreten können.
Zur Zeit ist die ökumenische Annäherung der Konfessionen ja leider ins Stocken
geraten. Die Amtsfrage liegt als ein schwerer Stolperstein im Wege. Bürgener
zeigt, wie durch sorgfältige Exegese eine Annäherung möglich sein müßte. Es
sollte aller Mühe wert sein zu prüfen, ob nicht tatsächlich durch ein erneutes
Studium der Heiligen Schrift das große Ärgernis der Kirchenspaltung geheilt
werden kann. Möge Gott Gnade schenken und eine theologische Verständigung!
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