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Die Apostelgeschichte als hochkirchliches Dokument (I)

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

0. Vorrede

0.1. Keine falschen Erwartungen
0.1.1. Nichts Neues
0.1.2. Nichts Erschöpfendes
0.2. Hochkirchlich?
0.3. Selektive Bibellektüre?

Kap 1

1.1. Vers 1: Alles, von Anfang an, sorgfältig und in guter Ordnung
1.2. Vers 2: Die erwählten Apostel
1.3. Vers 3: Die leibliche Realität des Christusgeschehens
1.4. Verse 3-8: Reich Gottes und Kirche
1.5. Verse 12-14: Die sichtbare Kirche
1.6. Verse 15 – 26: Die Wahl des Matthias
1.6.1. Jünger und Apostel
1.6.2. Klerus
1.6.3 Apostel und Bischöfe
1.6.4 Notwendigkeit

Kap 2

2.1. Verse 37 – 47: “Entstehung der Gemeinde“?
2.2. Vers 42: Das, worauf es ankommt
2.2.1. Lehre der Apostel
2.2.2 Gemeinschaft
2.2.3. Brotbrechen
2.2.4. Gebete

Kap. 3

3.1. Regelmäßige Gebetzeiten
3.2. „Schau auf uns“?

Kap 4

4.1. Gütergemeinschaft

Kap 5

5.1. Hananias und Saphira
5.2. Wunder durch der Apostel Hände

 

0. Vorrede

Es soll dieser Vortrag nicht mit Präliminarien belastet werden, in denen so lange grundsätzliche Dinge geklärt werden, bis die Zuhörer keine Lust mehr haben, zu hören, worum es eigentlich geht. Doch müssen einige Dinge vorausgeschickt werden.

0.1. Keine falschen Erwartungen

0.1.1. Nichts Neues

Wer die im HAStA erschienenen Bücher gelesen hat, erwarte keine sensationellen neuen Erkenntnisse!

Daß Wiederholung auch in der Kirche die Mutter manches Guten ist, wußte schon der hl. Paulus, der vor denen warnte,

 die immer auf neue Lehren aus sind und nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können[1]

 und an die Philipper schrieb:

Daß ich euch immer dasselbe schreibe, verdrießt mich nicht und macht euch um so gewisser.[2]

Gewißheit zu stärken und mitzuhelfen, daß jeder hier Festigkeit gewinnt, ist ein durchaus ehrenwertes Ziel der Theologischen Tagungen unseres Hochkirchlichen Apostolats.

 0.1.2. Nichts Erschöpfendes

Das Thema „Die Apg als hochkirchliches Dokument“ ist zu umfänglich und der Referent zu unvermögend, als daß jemand hier eine wirklich tiefschürfende Exegese in Frage kommenden biblischer Texte erwarten darf. Es geht lediglich darum, auf einige Dinge aufmerksam zu machen. Es soll also nur auf solche Stellen aus der Apg hingewiesen werden, die hochkirchlich bedeutsam zu sein scheinen. Dabei mag die Auswahl der besprochenen Bibelstellen mehr oder weniger willkürlich erscheinen – und sie ist es gewiß auch.

Aus der Intensität, mit der die verschiedenen Bibelstellen besprochen werden, kann keineswegs auf ihre Bedeutung für die evangelisch-hochkirchliche Theologie geschlossen werden.

In diesem Vortrag werden also nicht alle hochkirchlich bedeutsamen Stellen Berücksichtigung finden können und die aufgezeigten Schriftworte werden auch nicht in jede nur denkbare Richtung hin ausgelegt. Ein Ziel dieser Tagung neben der Festigung der Gewißheit ist es auch schließlich, zum Augen-offen-halten, zum Selber-Suchen und zum Weiterdenken anzuregen.

0.2. Hochkirchlich?

Es geht hier nicht um die Apg „an sich“, sondern um die Apg „als hochkirchliches Dokument“.

Was die Apg ist muß man kaum jemandem erläutern. Aber was genau sich hinter dem Wort „hochkirchlich“ verbirgt, ist nicht immer allen klar. Es genügt für unsere Zwecke heute die Definition des Brockhaus, in der es zum Stickwort „hochkirchliche Bewegung“ unter anderem heißt:

 … Die hochkirchliche Bewegung erstrebt eine „Evangelische Katholizität“, gekennzeichnet durch eine hohe Wertschätzung des durch apostolische Sukzession übertragenen geistlichen Amtes, die Betonung des sakramentalen Charakters des Gottesdienstes (die regelmäßige Gottesdienstfeier mit Predigt und Abendmahl), die Pflege des Stundengebets, die Förderung der Einzelbeichte und die Bildung evangelischer Kommunitäten. …[3]

„Amt in apostolischer Sukzession“ – „Gottesdienst“– „Sakramente“: um diese drei Dinge geht es der „Hochkirchlichen Bewegung“ besonders. Ihr besonderes Kennzeichen im Unterschied zu rein liturgischen Bewegungen ist dabei m. E. die „hohe Wertschätzung des durch apostolische Sukzession übertragenen geistlichen Amtes“.

In diesem Vortrag wird gelegentlich der Begriff „katholisch“ verwandt. Es sei darauf hingewiesen, daß das nie als konfessionelle Bezeichnung gemeint ist. Der Begriff „katholisch“ wird hier nie mit „römisch“ gleichgesetzt, sondern immer im ursprünglichen Sinn: „allumfassend“ bzw. „gesamtchristlich“ verstanden. Wenn jedoch die „Römisch-Katholische Kirche“ gemeint ist, dann wird sie auch ausdrücklich als „Römisch-Katholische Kirche“ bezeichnet.

Bibelstellen werden, wenn es nicht anders angegeben ist, nach dem 1984 revidierten Luthertext zitiert.

0.3. Selektive Bibellektüre?

Mancher, der hochkirchlichen Anliegen nicht wohlgesonnen ist, könnte uns vielleicht vorwerfen, daß wir ja doch nur in der Apg lesen, um unsere vorher gefaßten Ansichten nachträglich von der hl. Schrift bestätigen zu lassen.

Auf solche Vorwürfe erwidern wir, daß wir natürlich wissen, daß in der Apg viel mehr zu finden ist, als die Dinge, die uns besonders am Herzen liegen. Doch eben diese Dinge zu finden, lassen wir uns von niemand verbieten.

Wir aber bitten Gott um ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge, denn beides macht der HERR[4]:

Schüler der Heiligen Schrift sind wir, gib o Herr, daß wir es bleiben vor Dir.[5]

Kap 1

1.1. Vers 1: Alles, von Anfang an, sorgfältig und in guter Ordnung

Den ersten Bericht habe ich gegeben, lieber Theophilus, von all dem, was Jesus von Anfang an tat und lehrte …

So beginnt die Apg. Lukasevangelium und Apg gehören zusammen. Lukas knüpft zu Beginn der Apg an sein Evangelium an.

Natürlich soll heute das Evangelium nach Lukas nicht Gegenstand der Betrachtung sein. Nichtsdestoweniger erscheint es mir notwendig, auf den Beginn des lukanischen Doppelwerkes, „den ersten Bericht“, hinzuweisen. Denn dort sagt der Evangelist Lukas, daß es ihm gut erschienen sei, nachdem er alles[6] von Anfang an[7] sorgfältig[8] erkundet hatte, es dem Theophilus (und uns), in guter Ordnung[9] aufzuschreiben.

Da diese Vorrede des Lukasevangeliums nicht nur dem Evangelium voransteht, sondern dem ganzen Doppelwerk, gehen wir davon aus, daß Lukas nicht nur für sein Evangelium, sondern auch für die Apg sorgfältig recherchiert hat. Darum lesen wir auch die Apg voll Vertrauen darauf, daß hier alles von Anfang an sorgfältig erkundet und in guter Ordnung aufgeschrieben wurde. Lukas schreibt in seinem Doppelwerk nicht über Mythen, sondern über handgreifliche Fakten und nachprüfbare Tatsachen, die in Raum und Zeit geschehen sind.

1.2. Vers 2: Die erwählten Apostel

… nachdem er den Aposteln, die er erwählt hatte …

Schon im Vers 2 des 1 Kapitels werden in der Apg zum ersten Mal die Apostel erwähnt. Gleich bei der ersten Nennung wird besonders darauf hingewiesen, daß der Herr sie erwählt hat. Sie sind nicht von einer Jüngerversammlung beauftragt worden und auch keine Delegierten einer irgendwie organisierten oder unorganisierten „Basis“.

1.3. Vers 3: Die leibliche Realität des Christusgeschehens

Ihnen (nämlich den Aposteln) zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes.

Besonders das Lukasevangelium bezeugt sehr massiv die leibliche Auferstehung.[10] Was hat aber die leibliche Auferstehung mit dem hochkirchlichen Anliegen zu tun?

Wenn man mich gelegentlich fragte, was das hochkirchliche Anliegen sei, antwortete ich gerne kurz und sagte:

„Hochkirchliches Christentum ist Christentum, das die Leiblichkeit Gottes in der Welt ernst nimmt!“

Was damit gemeint ist, beschreibt einer unserer hochkirchlichen Väter, Bischof Helmut Echternach, in einem seiner Bücher. Die Zeit des Märtyrers Ignatius glich der unseren:

Auch damals drangen in die Gemeinden Strömungen ein, die das Christusgeschehen ins Gleichnishafte und die Erlösung ins Geistige verflüchtigen wollten.[11]

Warum eine solche „Vergeistigung“ tatsächlich un-christlich ist, begründet Echternach so:

Im Mittelpunkt alles Christseins steht das große Geheimnis der Inkarnation. Von Gott im Himmel wissen auch die Heiden; das Neue Testament verkündet Gott, der auf die Erde kam. An Gott im Himmel glauben ist leicht, denn es ist ziemlich unverbindlich. Der Glaube an Gott, der in die irdische Wirklichkeit einging, fordert alle Kräfte.[12]

und:

Darum beruhen im Grunde alle Häresien aller Zeiten darauf, daß das große Geheimnis der Inkarnation nach der einen oder anderen Seite abgeschwächt wird. Ob man Christus zum bloßen Menschen oder zum bloßen Gottwesen macht, ob man die Heilstaten ins Symbolische verflüchtigt oder die Sakramente als gleichnishafte Handlungen umdeutet – in jedem Falle will man im geheimen Gott auf höfliche Weise aus der Welt hinauskomplimentieren. Alle Häresien besagen zuletzt: für ihn der Himmel, für uns die Erde.[13]

Bis hierhin werden ihm gewiß viele folgen. Jedoch denkt ein hochkirchlicher Evangelischer bei dem „Eingehen Gottes in die irdische Wirklichkeit“ nicht nur an den einen und einmaligen heilsgeschichtlichen Zeitpunkt, als unser Herr „Fleisch angenommen (hat) durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und Mensch geworden“ ist. Er denkt zu Recht auch an die Kirche. Echternach schreibt über sie:

In ihr setzt sich fort, was in Bethlehem geschah: das Eingehen Gottes in die irdische Wirklichkeit, in Materie und Alltag, in Schmerz und Tod.[14]

Die Leiblichkeit Gottes in der Welt ernst zu nehmen, bedeutet einerseits die Glaubensgeheimnisse ernst zu nehmen, derer die Kirche am 25. März und am 25. Dezember gedenkt, aber andererseits auch die Kirche als den Leib (!) Christi und das, was damit zusammenhängt, zum Beispiel Amt und Sakramente:

Daß Gott einging in den Leib eines Menschen, daß er weiter gegenwärtig ist im Taufwasser, Brot und Wein besagt ja, daß er die ganze irdische Wirklichkeit durchdringen und erlösen will. … Die leibliche Realität des Christusgeschehens wird für den einzelnen zur Wirklichkeit im Sakrament.[15]

Wir betrachten die Betonung der „Leiblichkeit Gottes in der Welt“ bei Lukas cum grano salis als Beleg einer auch „hochkirchlichen Prägung“ der Apg.

1.4. Verse 3-8: Reich Gottes und Kirche

Jesus redete mit den Aposteln vom Reich Gottes. …
Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel?
Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat;
aber ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.

Die Jünger fragten nach dem Reich für Israel, dem sichtbaren und endgültigen Kommen des Reiches Gottes. Jesus aber sprach von der Kirche.

Ihr werdet den Hl. Geist empfangen und „werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“

Dem 1908 exkommunizierten französische Priester, Religionshistoriker und Religionsphilosoph Loisy [lwa'zi], der sich schließlich ganz vom Christentum abwandte und sich einer ethischen Humanitätslehre zuwandte, wird der Spruch zugeschrieben:

Jesus hat das Reich Gottes verkündet - gekommen ist die Kirche!

In einem Vortrag, in dem lediglich Hinweise auf hochkirchlich bedeutsame Stellen der Apg gegeben werden sollen, ist es leider nicht möglich, ausführlich auf das Verhältnis zwischen Reich Gottes und Kirche einzugehen.

Nur soviel sei gesagt: Das Reich Gottes wurde von Jesus als zukünftig angekündigt, als er seine Jünger lehrte, um das Kommen dieses Reiches zu bitten.

Es wurde von Ihm aber auch als gegenwärtig verkündigt. Als Pharisäer Ihn fragten, wann das Reich Gottes käme, sagte Er ihnen, daß das Reich Gottes in ihrer Mitte sei[16] – ein Ausspruch, den wiederum nur Lukas überliefert hat. Der Auslegung, daß Jesus damit gemeint habe, das Reich Gottes sei inwendig in den Herzen der Christen, folge ich nicht. Jesus sagte das ja nicht zu seinen Jüngern, sondern zu Pharisäern.
Was aber war denn „inwendig“ in den Pharisäern bzw. in ihrer Mitte? Es war der Herr selbst, der „inmitten“ der Ihn fragenden Pharisäer stand! Wo Christus Jesus ist, ist das Reich Gottes.

Dort, wo Jesus Christus ist, ist aber nicht nur das Reich Gottes, sondern auch die Kirche. Wir erinnern uns an das bekannte Wort des Märtyrerbischofs Ignatius:

Wo Christus Jesus ist, ist die katholische Kirche.[17]

Eine einfache Gleichsetzung von Reich Gottes und Kirche geht gewiß nicht auf. Desungeachtet wollen wir festhalten, daß dort, wo Christus Jesus ist, das Reich Gottes ist, aber eben auch die allumfassende, die katholische Kirche.

Auf einen Nebenzug dieses Textes möchte ich noch hinweisen. Jesus sagte den Aposteln:

Ihr werdet den Hl. Geist empfangen und „werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.“

Es versteht sich von selbst, daß die, denen dieses Wort gesagt wurde, nicht selbst Zeugen in allen Ländern der Erde sein konnten. Keiner der Apostel kam (soviel wir wissen) je nach Germanien oder Grönland, ganz zu schweigen von Australien oder Amerika.

Hatte sich Jesus also geirrt, als er Seinen Hörern damals die Zusage gab, daß sie in der ganzen Welt Seine Zeugen sein würden? Nein, natürlich nicht! Denn Jesus redete hier selbstverständlich von den Aposteln und ihren Nachfolgern. In dieser einen kurzen Verheißung finden wir also schon – unausgesprochen – den Gedanken der apostolischen Sukzession.

1.5. Verse 12-14: Die sichtbare Kirche

(Nach der Himmelfahrt des Herrn) kehrten sie nach Jerusalem zurück von dem Berg, der heißt Ölberg und liegt nahe bei Jerusalem, einen Sabbatweg entfernt.
Und als sie hineinkamen, stiegen sie hinauf in das Obergemach des Hauses, wo sie sich aufzuhalten pflegten: Petrus, Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon der Zelot und Judas, der Sohn des Jakobus.
Diese alle waren stets beieinander einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.

Das scheint nun kein ausdrücklich hochkirchlicher Topos zu sein, es sei denn, man versuchte, hier auf Biegen und Brechen das Stundengebet zu finden – was wir allerdings nicht tun!

Aber es sei der kleinen hochkirchlichen Bewegung aber zum Trost gesagt und zur Nachahmung empfohlen: Die ersten Christen beteten! Sie spuckten nicht in die Hände, sondern falteten sie. Sie waren keine Macher, sondern Beter!
Die erste Gemeinde war eine kleine Gruppe von unbedeutenden Menschen und stand vor einer riesengroßen Aufgabe und vor schier unlösbaren Problemen: Hilfe von weltlichen und religiösen – ich hätte beinahe gesagt: jüdisch-kirchlichen – Führern hatten sie nicht zu erwarten. Im Gegenteil! Eher verbissenen Widerstand. Und was taten sie? Sie beteten. Sie streckten ihre leeren Hände aus zu Gott.

Die Kirche wird uns hier als sichtbar vor Augen gestellt. Es gibt nicht nebeneinander eine sichtbare, empirische (Amts-)Kirche und – davon völlig unterschieden und daneben– eine andere, unsichtbare Kirche (des Geistes). Die Eine wahre Kirche ist zugleich sichtbar und unsichtbar. Die verborgene Kirche des Hl. Geistes ist offenbar wie eine Stadt auf dem Berge. Gesehen wurde schon damals nur eine religiöse Gruppierung, wie es sie viele gab und gibt. Geglaubt wird sie gegen den Augenschein als die Eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche.

Der behandelte Abschnitt nötigt uns eigentlich auch zu einer Stellungnahme bezüglich des Petrusamtes, denn hier, wie in allen anderen Apostellisten steht der Apostel Petrus gewiß nicht ohne Grund am Anfang. Eine ausführliche Darlegung der Haltung der evangelischen hochkirchlichen Bewegung zum Petrusamt ist hier allerdings aus Zeitgründen leider nicht möglich. Ich verweise auf frühere Theologische Tagungen unseres "Hochkirchlichen Apostolats St. Ansgar", auf denen dieses Thema behandelt wurde.

Auch eine tiefergehende Beschäftigung mit Maria, der „Mutter Jesu“ wie sie hier genannt wird, währe lohnenswert und notwendig, kann aber hier nicht erfolgen. Auch hier weise ich auf frühere Tagungen hin.

Maria wird in der Apg nur dieses eine Mal erwähnt. Es drängt sich ein Vergleich mit den Extremen der heutigen Zeit auf. Mancher römisch-katholischen Kreise reden anscheinend nur noch von Maria, manche Evangelikalen gar nicht mehr. Bei den einen ist sie zur Unperson geworden, deren Name bei Strafe der Ächtung nicht in den Mund genommen werden darf. Bei den anderen wird sie schier zur Göttin. Die kleine hochkirchliche Bewegung sollte hingegen alle Extreme vermeiden und es auch aushalten, zwischen den Stühlen ungesunder Übertreibungen zu sitzen. Das gehört zu dem Kreuz, das zu tragen ihr aufgegeben ist. Als unser Herr an Seinem Kreuze hing, hing er auch zwischen Himmel und Erde – sozusagen „zwischen den Stühlen“ – und hielt es aus. Bequem war es nicht, aber notwendig.

1.6. Verse 15 – 26: Die Wahl des Matthias

1.6.1. Jünger und Apostel

Und in diesen Tagen stand Petrus in der Mitte der Brüder auf und sprach - und es war eine Menge von etwa hundertzwanzig Personen beisammen.

Es war eine Menge von etwa 120 Personen beisammen! Und das bereits vor der pfingstlichen Ausgießung des Hl. Geistes! Es sei darum hier wieder einmal darauf hingewiesen, daß die Kirche von Anfang an aus mehr als den Aposteln des Herrn bestand. Für gewöhnlich wird nämlich folgende Gleichung aufgemacht:

  1. Wenn in den Evangelien von "Jüngern" die Rede ist, dann sind immer die Apostel gemeint.

  2. Sagt Jesus etwas zu Seinen "Aposteln", dann sagt Er das also zu allen Seinen Jüngern, denn mehr Jünger hatte Er nicht als Seine Apostel.

  3. Wenn Er es aber allen Seinen Jüngern damals gesagt, gilt das auch allen Seinen Jüngern heute.

  4. Daraus folgt: Alle Christen sind Apostelnachfolger: Männer und Frauen, Große und Kleine, Pastoren und Gemeindeglieder, …

Was ist dazu zu sagen?
Nicht alle Christen sind "Nachfolger" der Apostel. Gewiß wird schon in den Evangelien der Zwölferkreis oft zusammenfassend „Jünger“ genannt, dennoch gilt: Zwar war jeder Apostel ein Jünger, aber nicht jeder Jünger ein Apostel. Der Kreis der Jünger Jesu war immer größer als der Kreis der Zwölf - sowohl vor als auch nach der Kreuzigung
[18].

Man kann sich den Kreis der Jünger Jesu durchaus als drei konzentrische Kreise vorstellen:

  1. Den „äußeren“ Kreis bildeten die Anhänger Jesu im weitesten Sinn.

  2. Aus diesem „äußeren“ Kreis berief Er die, „welche Er wollte“[19], „zwölf von ihnen, die er auch Apostel nannte“[20]. Diese Apostel sind der innere Kreis.

  3. Der innerste Kreis setzte sich zusammen aus den drei Aposteln Petrus, Jakobus und Johannes.[21]

Daß Jesus innerhalb Seiner Jünger „Unterschiede“ gemacht hat, ist zwar wahr, wird aber von einer Zeit, die von den Idealen „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ geprägt ist, als skandalös empfunden. Wer auf diesen klaren biblischen Befund hinweist, muß sich auf böse Reaktionen gefaßt machen.

1.6.2. Klerus

… denn er gehörte zu uns und hatte dieses Amt mit uns empfangen …

Bemerkenswert ist, daß hier im Urtext das Wort „Los“ vorkommt. Das wird allerdings nur in der Elberfelder Übersetzung deutlich: Petrus sagte nach dieser Übersetzung über Judas:

Er war uns zugezählt und hatte das Los dieses Dienstes empfangen.

„Los“ ist also nicht nur eine Bezeichnung für das, was man gemeinhin „Los“ nennt, ein Lotterielos etwa, sondern hier eine Bezeichnung für das „Amt“, das jemand empfangen hatte.

Interessant ist das vor allem darum, weil das griechische Wort für „Los“ „kleros“ ist. Bis heute spricht man vom „Klerus“, wenn man die Amtsträger der Kirche meint. Zum Klerus gehört, wer das „Los eines Dienstes“ empfangen hat.

Das "Los" kommt aber noch einmal vor:

… sie warfen das Los über sie, und das Los fiel auf Matthias; und er wurde zugeordnet zu den elf Aposteln.

Ein Losentscheid in solch wichtiger Sache erscheint uns anrüchig zu sein: Um es ganz drastisch auszudrücken: Eine Lotterie um ein kirchliches Amt zu veranstalten und die Besetzung so wichtiger Positionen sozusagen mit einem Glücksspiel zu verbinden, das ist etwas, was uns nicht so recht schmecken will. Aber gerade das Wort „Glücksspiel“, das in diesem Zusammenhang auftaucht, lenkt unseren Blick auf eine wichtige Tatsache: Auf einen Gewinn in einer Lotterie, an der man teilnimmt, hat man keinen Rechtsanspruch. Weder dadurch, daß man sich freiwillig zur Teilnahme entschließt als auch nicht dadurch, daß man einen „inneren Drang“ verspürt, zu gewinnen. Ebenso ist es auch mit dem kirchlichen Amt. Es gibt keinen Rechtsanspruch darauf.

1.6.3 Apostel und Bischöfe

Denn es steht geschrieben im Psalmbuch: … „Sein Amt empfange ein andrer.“…
Und sie stellten zwei auf: Josef, genannt Barsabbas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias,
und beteten und sprachen: Herr, der du aller Herzen kennst, zeige an, welchen du erwählt hast von diesen beiden,
damit er diesen Dienst und das Apostelamt empfange

Dies ist die einzige Berufung in ein kirchliches Amt durch Losentscheid im NT. Später wurden Amtsträger nicht durch Losentscheid gefunden, sondern durch die Apostel in ihr Amt eingesetzt.

Da drängt sich nun wie von selbst die Frage auf: Was aber, wenn es keine Apostel mehr gibt? Daß nämlich für einen ausgeschiedenen Apostel Ersatz gefunden wurde, wird nur hier in Apg 1 berichtet, wo an die Stelle des Verräters Judas ein anderer tritt. Nachdem aber der Apostel Jakobus auf Veranlassung des Herodes Agrippa mit dem Schwert hingerichtet worden (Apg 12,1-2), berichtet die Hl. Schrift keineswegs davon, daß nun wieder einen Nachwahl stattgefunden hätte und erneut ein „neuer“ Apostel gesucht worden wäre.

Gleichwohl ist es jedoch so, wie bereits unter 1.4. dargelegt, daß das Apostelamt auf Nachfolge angelegt ist. Nachfolger der Apostel sind allerdings nicht "neue" Apostel, sondern die "Bischöfe".
Das wird hier deutlich bei der Wahl des Mathias, wenn man darauf achtet, wie in Apg 1 das Amt bezeichnet wird, das einer der beiden Kandidaten empfangen soll: Einmal wird das zu vergebende Amt als „Apostelamt“ bezeichnet, dann als „Aufseheramt“:

Im Vers 25 ist vom „Apostelamt“ die Rede, das Judas Iskariot verlassen hat. Im griechischen Urtext des Neuen Testamentes steht hier "apostolé".
Dieses von Judas verlassene Apostelamt, das neu zu besetzen ist, wird in Vers 20 dann aber als "Aufseheramt" bezeichnet. Hier steht im griechischen Urtext des NT das Wort "episkopé".

Petrus zitiert sich in seiner Ansprache im Vers 20 auf ein alttestamentlichen Zitat. Luther übersetzt so:

Sein Amt empfange ein anderer.

Die alttestamentliche Stelle, die Petrus hier in seiner Rede zitiert, spricht allerdings nicht etwa generell von einem allgemeinen „Amt“, sondern eben sehr speziell von einer episkopé, einem „Aufseheramt“. Die Elberfelder Übersetzung übersetzt den griechischen Urtext des Neuen Testamentes wieder genauer als Luther. Petrus sagte nicht: "Sein Amt empfange ein anderer", sondern:

Sein Aufseheramt empfange ein anderer!

Matthias, der das von Judas verlassene Apostelamt (apostolé) übernehmen soll, erhält ein Aufseheramt (episkopé)!
Was ist das für ein Amt? Als Episkopé wird das Amt eines Epískopos bezeichnet. Aus dem griechischen Wort "Epískopos", wurde in unserer Sprache das Wort „Bischof“.
Man geht darum sicher nicht zu weit, wenn man sagt, daß wir hier schon im ersten Kapitel der Apg etwas über die Einsetzung des ersten Bischofs der Kirche erfahren. Das Apostelamt (apostolé) wird weitergegeben als Bischofsamt (episkopé). Die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel.

Es wird allerdings gelegentlich eingewandt, daß als Bedingung für die Amtsnachfolge in Apg 1,21-22 ausdrücklich die Augenzeugenschaft genannt wurde? Der Amtsnachfolger eines Apostels muß demnach "Zeuge der Auferstehung Jesu" sein. Weil das für einen heutigen, zeitgenössischen Menschen, der damals eben nicht "dabei" war, gar nicht mehr möglich sei, könnten angeblich die Bischöfe heute auch nicht die Amtsnachfolger der Apostel sein.
Darauf erwidere ich: „Zeugen der Auferstehung“ gibt es eigentlich überhaupt keine. „Zeuge der Auferstehung“ im strengen Sinn des Wortes war weder Matthias, noch Petrus – nicht einmal die Grabwächter. Weder die Wächter, noch Petrus – niemand war als Augenzeuge im Grab, als Jesus auferstand. Es konnte nie jemand den Vorgang der Auferstehung bezeugen. "Zeugen der Auferstehung" gab es nicht. Es gab – und es gibt! – aber viele Zeugen des Auferstandenen.
Als Zeugen des Auferstandenen konnten sowohl Petrus als auch Matthias „Zeugen der Auferstehung“ sein. Um „Zeuge des Auferstandenen“ zu sein, muß man aber nicht im Jahre 33 n. Chr. in Jerusalem gewesen sein.
Es geht bei dem, was Petrus hier in Apg 1 fordert, wohl mehr um eine Aufgabenbeschreibung: der zum Amt Berufene soll als „Zeuge der Auferstehung“, - das heißt: als „Zeuge des Auferstandenen“ - Jesus und Sein ganzes Werk „angefangen von der Taufe des Johannes bis zu dem Tag, an dem er hinweg aufgenommen wurde“ verkündigen.

1.6.4 Notwendigkeit

Die apostolische Sukzession ist keine nebensächliche Spielerei. Petrus sprach ausdrücklich von einer absoluten Notwendigkeit, als er in Vers 21 sagte:

So muß nun einer von diesen Männern …

Wir finden hier, wie etwa auch in Lk 9,22 oder in 24,7.44, das „göttliche Muß“ ( grie.: deĩ).

Es ist für evangelische Christen erstaunlich, wie wichtig für die junge Kirche die apostolische Nachfolge war. Neben dem Gebet betraf die erste Aktivität der Urkirche, von der die Apostelgeschichte berichtet, die apostolische Sukzession. Wer das als unwichtig abtun möchte, der tue es. Wir können es nicht verhindern. Er wisse aber: Es kann nicht ohne dramatische Auswirkungen bleiben, daß das, was als so überaus wichtig beschrieben wird, heute verpönt ist und als sektiererisch verschrien wird. Wir aber sollten Gott danken dafür, daß Er auch Seine evangelische Christenheit in diesen Tagen der beginnenden Endzeit nicht vergessen hat und wenigstens in kleinen Kreisen gutwilliger evangelischer Christen offene Ohren gefunden hat.

Kap 2

2.1. Verse 37 – 47: “Entstehung der Gemeinde“?

Auf Vers 38 wird später im Zusammenhang mit der Konfirmation der Einwohner Samarias eingegangen werden.

Die nun (des Petrus) Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen.

Für gewöhnlich heißt es, daß hier die "Entstehung" der christlichen Kirche geschildert wird.

So wird zum Beispiel in der 1984iger Lutherbibel dieser Abschnitt mit „Die erste Gemeinde“ überschrieben und in der Elberfelder mit „Die Entstehung der Gemeinde“.

Übersetzungen, an denen römisch-katholische Übersetzungen mitgewirkt haben, haben allerdings Überschriften, die nicht davon ausgehen, daß hier die Gründung der Kirche beschrieben wird. Und das aus gutem Grund! Denn Lukas schreibt, daß die Dreitausend „hinzugefügt“ wurden. Damit meint er doch gewiß: hinzugefügt zur Kirche, die mithin als schon bestehend gedacht wird. Denn hinzugefügt kann man nur zu etwas werden, was schon vor dem Hinzufügen da war. Lukas schreibt ausdrücklich nicht, daß sich die Menschen zur Gemeinde zusammenschlossen hätten!

Die Überschriften in den verschiedenen Bibelübersetzungen sind nicht inspiriert. Aber sie sind gelegentlich verräterisch. Es gibt Gründe dafür, daß protestantische Übersetzer den Versen Apg 2, 37ff. genau die Überschriften gegeben haben, die sie nun tragen. Dahinter steckt nämlich eine falsche und unbiblische „Von-unten-nach-oben-Ekklesiologie": Menschliche Entscheidung und freier menschlicher Wille „gründen“ die Gemeinde wie einen weltlichen Verein. Die Gemeinde wird als von den Mitgliedern her geschaffene und als die von ihren Mitgliedern her begründete menschliche Gemeinschaft verstanden. Alle Macht geht vom Volke aus. Die radikale Konsequenz des Vereinsprinzips ist, daß der Wille der Gemeinde dann oberste Autorität ist. Der Mehrheitswille der Mitglieder (bzw. der durch sie gewählten Vertreter) ist oberstes Gesetz. Die von unten nach oben gebaute Vereinskirche bzw. die Gemeinde als von den Mitgliedern her konstituierter Verein kennt Amtsträger nur als „Angestellte“, Befehlsempfänger und Funktionäre der Mehrheit. Bezeichnen möchte ich die Meinung, daß die Kirche von unten nach oben gebaut wird, als das „demokratische Vereins-Prinzip“:

Im Gegensatz dazu kennt das Neue Testament nicht den Aufbau der Gemeinde von den Gliedern her, sondern vom Haupte, von Christus her. Nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten. Gemeinde ist nicht dort, wo Mitglieder sich wie zu einem Verein zusammenschließen, sondern wo Gott durch den Dienst Seiner Knechte an Wort und Sakrament Sein Volk sammelt und einzelne „hinzufügt“ zum Leib Christi, der immer schon da ist. Von Christus her über das von Ihm gestiftete Amt wird die Gemeinde gebaut und geführt. Nur als solche von oben her gebaute und geführte Gemeinschaft ist sie Gemeinde Gottes im biblischen Sinn.[22]

2.2. Vers 42: Das, worauf es ankommt

Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.

Unmittelbar nach dem Abschluß des Berichtes über die Pfingstereignisse und der Taufe der dreitausend Neubekehrten berichtet Lukas in der Apostelgeschichte von der bleibenden Grundordnung des christlichen Lebens.

Lehre der Apostel, Gemeinschaft, Brechen des Brotes und Gebeten sind allerdings völlig unspektakulär. Es ging nicht weiter mit Sturm und Feuerzungen. Diese Nüchternheit ist heilsam. Das Leben der Kirche und der Gläubigen kann nicht darin bestehen, daß das Außerordentliche verzweifelt gesucht oder krampfhaft festgehalten wird. Nicht an das Außer-Ordentliche hielten sich die erste Christen, sondern an das Ordentliche, an die Dinge, die Gott ihr für ihr Leben in dieser Welt gegeben hat.

Vielleicht wird es den einen oder anderen verwundern, daß im folgenden die Apostellehre, die Gemeinschaft, das Brotbrechen und das Gebet nur relativ kurz abgehandelt werden. Ich will jedoch besonders auf den Begriff „beständig bleiben“ aufmerksam machen. Das Wort, das Luther hier mit ‘“beständig bleiben“ übersetzt (proskarteréo), bedeutet im Griechischen „hartnäckig an etwas festhalten“, „nicht nachlassen - auch wenn es schwer fällt“, „Strapazen auf sich nehmen“, „sich emsig beschäftigen“, „dauernd bedacht sein“. Es gab also Dinge, an denen die Urgemeinde hartnäckig festgehalten hat, weil sie wußte, daß davon ihr geistliches Leben und ihr Fortbestand abhängt.

Der Teufel weiß natürlich, wie gefährlich die in Apg 2,42 aufgezählten Dinge für ihn sind. Er wird sie uns also nicht auf einem silbernen Tablett servieren. Wir müssen darum kämpfen, kurz: das tut, was die Bedeutung des Wortes proskarteréo ist.

Das hartnäckige Festhalten an der Lehre der Apostel, an der Gemeinschaft der Heiligen, dem Hl. Abendmahl und den Gebeten ist kein Sonderpfündlein einiger weniger hochkirchlicher Exoten, sondern Recht und Pflicht aller Christen. Wo wollen die bleiben, die diese Dinge verachten und von sich stoßen? Wo die, die diese vier Dinge verderben und mit ihnen die ganze Kirche?

2.2.1. Lehre der Apostel

Es heißt in Apg 2,42 nicht, daß die ersten Christen beständig beim Bibellesen blieben. Abgesehen davon, daß es den Kanon des NT noch gar nicht gab und Analphabeten dann um ihr Seelenheil fürchten müßten, ist der Begriff „in der Lehre der Apostel bleiben“ viel präziser als der Ausdruck „in der Bibel lesen“. Denn wer die Bibel liest, muß deswegen noch lange nicht in der Lehre der Apostel bleiben. Entscheidend ist aber eben nicht, ob man in der Bibel liest, sondern ob man in der Lehre der Apostel bleibt.

2.2.2 Gemeinschaft

Der Ausdruck „Gemeinschaft der Heiligen“ (Communio sanctorum), den wir im Apostolikum finden,) hat bekanntlich zwei Bedeutungen, die eng miteinander zusammenhängen: „Gemeinschaft an heiligen Dingen“ [sancta] und „Gemeinschaft zwischen heiligen Personen“ [sancti]. Beide Deutungen widersprechen einander nicht: Gemeinschaft der Heiligen gibt es nur durch Gemeinschaft am Heiligen. Und: Gemeinschaft am Heiligen habe ich nur inklusive der Gemeinschaft mit anderen Heiligen.

Zur Gemeinschaft der Heiligen gehört darum gewiß auch die Diakonie, von der Echternach schreibt:

Auch die helfende Liebe steht in unabtrennbarer Wechselwirkung zum Sakrament. Sie stirbt ab, wo sie nicht vom gegenwärtigen Christusleben her gespeist wird, und umgekehrt verlegt ihr Mangel den Weg zum Verständnis des Sakramentes.[23]

Lk schreibt in diesem Abschnitt von den ersten Christen:

Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam.

Er schreibt dann nachfolgend ausdrücklich von der Gemeinschaft an materiellen Gütern. Doch würde ich nicht zögern, dies auch auf die geistlichen Gaben im weitesten Sinne zu beziehen. Denn:

In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.[24]

Damit meint Paulus zudem gewiß nicht nur die sogenannten Geistesgaben, sondern auch die das kirchliche Amt. Denn nicht im Hervortreten ihrer eigenen Person, und auch nicht im eigenen Blühen und Gedeihen liegt der Ruhm der Amtsträger, sondern im Hervortreten, Blühen und Gedeihen jener, die ihrer priesterlichen Sorge anvertraut sind.

Nichts besitzt ein Christ, was er nicht auch für ein Gemeingut aller zu halten hat. Einerlei, ob es um die Gemeinschaft an geistlichen oder leiblichen Gütern geht – es gilt einander zu dienen, "ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes"[25].

Zur Gemeinschaft der Heiligen gehören nicht nur die Gläubigen auf Erden, sondern - wie der Hebräerbrief es ausdrückt - auch "die Geister der vollendeten Gerechten" (Hebräer 12,23). Es wäre eigentlich nötig, hier nun ausführlicher etwas zur Verehrung der Heiligen zu sagen, die ebenfalls als ein hochkirchliches Anliegen gesehen werden kann, kann aber aus Zeitgründen in diesem Überblick aber nicht geschehen. Ich verweise auf andere Tagungen unseres "Hochkirchlichen Apostolats" zu diesem Thema.

2.2.3. Brotbrechen

In der Apg finden wir fünfmal die Bezeichnung Brotbrechen oder Brechen des Brotes. Hier ist gewiß das Hl. Abendmahl gemeint.
Pars pro toto. Ein Teil des Abendmahlsritus, in diesem Falle das Brechen des Brotes, steht für das Ganze.
Es ist bemerkenswert, daß auch das Hl. Abendmahl zu den Dingen gehört, an denen die Urgemeinde hartnäckig festgehalten hat. Es blieb und bleibt nicht ohne schlimme Auswirkungen, daß die evangelische Christenheit hierin den ersten Christen weithin nicht gefolgt ist.

2.2.4. Gebete

In der Tat: „Gebete“ steht hier in der Mehrzahl. Warum? Schaut man in evangelikale Auslegungen dieses Textes, wird dort immer vor allem an viele freie Gebetsgemeinschaften gedacht.
Ob hier wirklich nur an die Zahl der Gebete zu denken ist? Man ist immer versucht, in der Hl. Schrift das zu finden, was man selber praktiziert, um dadurch Bestätigung aus der hl. Schrift zu finden. Von einem hochkirchlichen Christen wird man darum vielleicht erwarten, daß er hier vor allem an eine frühe Form der Stundengebete denkt.

Hier steht wohl Gebete in der Mehrzahl, weil es tatsächlich verschiedene legitime Formen des Gebetes in der Urkirche gab: freie Gebete und gebundene Gebete, Sprachengebete und verständliche Gebete, Gebete Einzelner und Gebetsgemeinschaften, Bitten und Fürbitten, Dank und Klage, Lob und Anbetung, gesungene Gebete und gesprochene.

Man soll das eine tun und das andere nicht lassen. Hochkirchliche Christen sollten sich hüten, einseitig zu werden und von der anderen Seite des Pferdes zu fallen, indem sie etwa nur noch vorformulierte Gebete propagieren. Hochkirchlich gesonnen sein, heißt katholisch – will sagen: allumfassend – zu denken. Das beinhaltet auch eine gewisse Weite bei den Gebetsformen.

Kap. 3

3.1. Regelmäßige Gebetzeiten

Petrus aber und Johannes gingen hinauf in den Tempel um die neunte Stunde, zur Gebetszeit.

Hier steht das griechische Imperfektum, das im Griechischen die Fortdauer einer erzählten Handlung ausdrücken kann und in der Regel eine versuchte oder wiederholte Handlung in der Vergangenheit ausdrückt.; wir könnten es in diesem Fall durch den Zusatz "regelmäßig" verdeutlichen. Der Gang zum Tempel, von dem in Apg 3 berichtet wird, ist nicht ein vereinzelter. Petrus und Johannes folgten einer festen Gebetssitte folgen. Es ist wahr: "Wer nicht zu bestimmten Zeiten betet, betet auch nicht zu unbestimmten."

Bereits das Judentum kannte feste Gebetszeiten. Schon im Psalter heißt es:

Ich lobe dich des Tages siebenmal um deiner gerechten Ordnungen willen.[26]

Vielleicht versammelte man sich in Israel während und nach dem Exil zur der Zeit des täglichen Tempelopfers in den Synagogen zum Gebet?

In Apg 2,15 wird uns überliefert, daß die Apostel in der dritten Stunde des Tages (Apg 2, 15) zum gemeinsamen Gebet versammelt waren. Johannes und Petrus beten gemeinsam „um die neunte Stunde“ (Apg 3,1). Der Apostel Petrus nach Apg 10,9 „um die sechste Stunde“.
Ist uns überliefert, daß die Jünger ihren Tagesrhythmus vom Gebet her strukturierten, so dürfen wir darauf bauen, daß Jesus Christus ihnen das vorgelebt hat.

Das uns heute bekannte Stundengebet, wie es die Kirche täglich betet, geht allerdings auf das klösterliche Umfeld zurück, wo es von Anfang an das Grundgerüst für den Tagesablauf bildet. Wir, die wir nicht im Kloster leben, sondern meistenteils in Familien, sollten im Hinblick auf das bei uns verbreitete familiäre Stundengebet jedoch stets bedenken, daß eine Familie kein Kloster ist.

3.2. „Schau auf uns“?

Petrus aber blickte den Gelähmten an mit Johannes und sprach: Sieh uns an!

Wie konnte Petrus sagen: „Schau auf uns." Keiner von uns würde es wagen, sich so ausdrücken. Sollen nicht gerade Amtsträger der Kirche die Menschen auf Jesus hinweisen anstatt auf sich selbst?

Warum sagt Petrus nicht: „Sieh auf Jesus! Schau auf Gott! Blicke in die Bibel!“ Weil es Gott gefallen hat, durch Menschen zu wirken! Menschen werden zu Menschen gesandt. So wie Jesus den Vater repräsentierte, repräsentierten diese Gesandten den, der sie gesandt hatte, nämlich Jesus. Darum konnte Petrus zu dem Gelähmten sagen: „Sieh uns an!“ und konnte in seiner Predigt gleichzeitig darauf hinweisen, daß Gott nicht Amtsträger der Kirche verherrlicht hat, sondern allein Jesus.

Kap 4

4.1. Gütergemeinschaft

Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; …
Es war auch keiner unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Äcker oder Häuser besaß, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte
und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte.

Die freigiebigen Christen legten ihre Spendengelder zu Füßen der Apostel nieder. Das heißt, daß die Apostel mit dem, was mit solcher Geste der Hingabe gegeben wurde ganz und gar nach eigenem Ermessen handeln konnten, ohne von irgendwelchen Gemeindegremien Bewilligungen erbetteln zu müssen oder kontrolliert zu werden.

Ähnlich wie bei der Geschichte vom Pfingstwunder, wo die Gefahr besteht, daß Äußerlichkeiten wie das Sprachenwunder unangemessen im Zentrum des Interesses steht, so besteht auch hier die Gefahr, daß vor allem der sogenannte „Urkommunismus“ das Interesse erregt. Mit „Kommunismus“ hat das hier nichts zu tun. Im Kommunismus muß man alles abliefern, was man besitzt, ob man will oder nicht. In der Urgemeinde mußte man nicht.

Natürlich ist diese Großzügigkeit überraschend. Das größere Wunder aber ist eben, daß die Menge der Gläubigen ein Herz und eine Seele war. Und das bei einer Menge von Fünftausend. Man braucht für gewöhnlich viel weniger Gläubige, um Parteiungen, Zwietracht, Cliquenbildung zu erleben. Uns wird hier noch einmal das Wunder einer vollkommen einigen und sichtbar einigen Kirche vor Augen gestellt. Hier haben wir einen Höhepunkt der Apg. Danach kommen die ersten Berichte über Probleme: Heuchelei, Murren, Streit.

Kap 5

5.1. Hananias und Saphira

Ein Mann aber mit Namen Hananias, mit Saphira, seiner Frau, verkaufte ein Gut
und schaffte von dem Kaufpreis beiseite, wovon auch die Frau wußte; und er brachte einen Teil und legte ihn nieder zu den Füßen der Apostel.

Jemand, der sein Hab und Gut den Aposteln zu Füßen legte, erwarb sich dadurch bestimmt großes Ansehen und hohe Geltung in der Gemeinde.

Man kann gewiß auch davon ausgehen, daß man dadurch auch den Anspruch erwarb, nun seinerseits von der Gemeinde versorgt zu werden. Denn wovon sollte man sonst leben, wenn man alles der Gemeinde gegeben hatte? Die, die solcherart von der Gemeinde versorgt wurden, haben dafür auch gewiß in der Gemeinde mitgearbeitet.

Hananias und Saphira wollten alles. Einerseits ein gesichertes und regelmäßiges Einkommen, dazu noch ein hohes Ansehen kirchliche Mitarbeiter, die um Christi willen auf alles andere verzichtet hatten. Andererseits sicherten sie sich noch zusätzlich ab, indem sie einen Teil des Kaufpreises für den Eigenbedarf beiseite schafften.

Was treibt uns in den Dienst an der christlichen Gemeinde?

Das Wort „Gemeinde“ (grie.: ekklesía) kommt hier im V. 11 in der Apg übrigens zum ersten Mal vor. Nicht bei der Schilderung der Pfingstereignisse, nicht bei der Darstellung der Heilungen und Wunder wird das Wort „Gemeinde“ zuerst gebraucht, sondern erstaunlicherweise bei der ersten Geschichte, die für die Kirche peinlich und bedrückend ist.

5.2. Wunder durch der Apostel Hände

Aber durch die Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder unter dem Volk …

Hier sei nur kurz darauf hingewiesen, daß die Wunder durch die Hände der Apostel geschahen. Das erinnert an den Segen. Wenn der „richtig“ erteilt wird, geschieht das immer mit einer rituellen Handauflegung. Entweder wird einem einzelnen die Hand auf den Kopf gelegt oder – wenn es mehrer sind – durch das allgemeine Aufheben der Hände. Die spektakulären Heilungen, die der Herr oder die Apostel durch Handauflegen oder Berühren[27] taten, zeigen deutlich, daß im vollmächtigen Segen die göttliche Kraft des Hl. Geistes wirksam ist.

Matthias Niche

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[1] 2 Tim 3,7

[2] Phil 3,1

[3] (c) Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, 2004

[4] Spr 20,12

[5] Heinrich Vogel: Gott in Christo

[6] pāsin

[7] ánothen

[8] akribōs

[9] kathexēs

[10] etwa in Lk 24,3.43

[11] Echternach, Helmut: Kirchenväter, Ketzer und Konzilien. Seite 16

[12] Echternach, Helmut: Kirchenväter, Ketzer und Konzilien. Seite 16

[13] Echternach; a.a.O. Seite 16

[14] Echternach, a.a.O. Seite 19

[15] Echternach; a.a.O. Seite 16

[16] Lk 17,21

[17] ad Smyrn. 8,2

[18] Mt 28,7+16f.; Lk 6,17; 8,2; 10,1; Joh 6,66; 19,38; Apg 1,13-15.

[19] Mk 3,13

[20] Lk 6,13

[21] Mt 17,1; Mk 5,37; 9,2; 14,33; Lk 8,51; 9,28; Gal 2,9

[22] Apg 14,23

[23] Echternach; a.a.O. Seite 17

[24] 1 Kor 12,7

[25] 1 Petr 4,10

[26] Ps 119,164

[27] Mt 8,23; 9,29; 20,34; Mk 6,5; Lk 4,40; 13,13;


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