

Am Anfang waren die Sprachen primitiv und plump, dann müssen
sie später immer ausgefeilter und komplexer geworden sein.
Das wissen Evolutionstheoretiker über die Entstehung der
menschlichen Sprachen zu berichten.
Einige Theoretiker sehen ihren Ursprung in Alarm- und
Schmerzrufen. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „Aua-Theorie“.
Andere glauben, daß die Sprachen aus
rhythmusgebenden Ausrufen bei gemeinsamer Arbeit entstanden seien. Hier ist von
„Hauruck-Theorie“ die Rede.
Wieder andere sehen den Ursprung der
Sprachen in der Nachahmung von Tierlauten. Das ist die „Wau-Wau-Theorie“.
Keine Theorie zur Sprachentstehung ist
nachprüfbar. Schon 1866 verbot die Pariser Sprachgesellschaft in ihren Statuten,
Theorien zur Entstehung der Sprachen anzunehmen.
Will man der Evolutionstheorie glauben,
dann müßten Sprachen mit der Zeit komplexer werden. Folglich hatten die
Eingeborenen in Steinzeitkulturen primitivere Sprachen als Menschen in
Hochkulturen.
Geschriebene Sprache gibt es seit 5000
Jahren. Dort stellen wir aber das Gegenteil fest.
Wer Latein gelernt hat, erinnert sich an
die Grammatik, an die Zeiten, Stammformen und Deklinationen.
Latein hat davon viel mehr als Deutsch oder seine neolateinischen Töchter, die
romanischen Sprachen.
Im Französischen ist von den fünf Deklinationen des Latein nichts
übriggeblieben.
Den Verbformen erging es nicht besser. Der Passiv ist verschwunden. Es gibt
weniger Zeiten und Konjunktive. Am besten hat vielleicht das Portugiesische die
lateinische Muttersprache bewahrt.
Diese Reduktion ist schon im Latein selber zu beobachten. Bereits das klassische
Latein war sprachlich ärmer als frühere Formen der Sprache. So ist die
i-Deklination zum Beispiel mit der konsonantischen Deklination zusammengefallen.
Die ältesten Sprachzeugnisse stammen von
der sumerischen Sprache aus einer Zeit vor 3100 v. Chr.
Das Sumerische hat zehn Fälle. Dort gibt
es zum Beispiel den Vergleichsfall Äquitiv „wie Wasser“, den Ortsfall Lokativ
„im Haus“, den Gemeinschaftsfall Komitativ „mit Peter“. Das Verbalsystem ist
schwindelerregend komplex.
Mittels einer Fülle von Präfixen, Infixen und Suffixen können Verbalinhalte
äußerst präzise formuliert werden.
Es gibt alleine sieben Modi: Indikativ, Optativ, Verbotsform Prohibitiv,
Wunschform Prekativ, Ermahnungsform Kohortativ, mögliche Verwirklichung
Prospektiv und natürlich den Imperativ.
Außerdem findet sich eine Fülle weiterer Möglichkeiten auszudrücken: Intensität,
Richtung, Relation und Objektbeziehung der Handlung. Sie finden allesamt in
modernen Sprachen keine Entsprechung.
Gegenüber Sumerisch ist Deutsch höchst
primitiv.
Ähnlich in Altägyptisch, einer Sprache aus der Zeit von 2.600 bis 2.100 v. Chr.
Das altägyptische Verbalsystem ist äußerst komplex. Man kann sehr präzise und
fein nuanciert ausdrücken.
Es gibt sechs Modi. Handlungen können mit Zeitbezug in Vergangenheit, Gegenwart,
und Zukunft oder ohne Zeitbezug beschrieben werden. Das geht in keiner modernen
Sprache.
Das Verb hat acht Personen, da die 2. und 3. Person Singular in männlich und
weiblich getrennt sind.
Wir stehen vor einer erschütternden Einsicht. Alle bekannten Sprachen scheinen
im Lauf der Zeit ihren Reichtum an grammatischen Formen zu verlieren. Das gilt
ausnahmslos in allen Sprachstämmen: Englisch und Chinesisch sind nahe am
offensichtlichen Endpunkt dieser Entwicklung.
Dagegen sind die Sprachen Eingeborener
keinesfalls primitiv.
Die Wintu-Indianer in Kalifornien können in ihrer Sprache ausdrücken, ob eine
Aussage eine Übernahme vom Hören-Sagen, das Resultat einer persönlichen
Beobachtung oder einer logischen Schlußfolgerung ist. Für letztere werden zudem
drei Plausibilitätsgrade unterschieden.
Militärisch nutzten (die Alliierten) Indianersprachen in den Weltkriegen:
Comanche- und Sioux-Indianer funkten während des Zweiten Weltkrieges in ihrer
Muttersprache, die für die deutschen B-Dienste nicht zu entschlüsseln war.
Mag sein, daß die Sprache in nebelhafter fernster Vergangenheit von selber
entstanden ist. Aber was wir sehen, ist das Gegenteil. Kein Kind hat je sprechen
gelernt, ohne daß seine Eltern es ihm beibrachten.
Dr. med. Stephan Puls (kreuz.net)
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