Startseite
Unsere Gottesdienste
Liturgischer Kalender
Unsere Gemeinschaft
Unser Glaube
Kirchliche Erneuerung
Tägliche Betrachtungen
Theologische Beiträge
Zum Nach-Denken
Un-Zeitgemäßes
Auf-Gelesenes
HAStA-Literatur
Suche
Kontakt / Impressum
Datenschutzerklärung
Haftungsausschluß

Was ist Häresie?

Zurück Übergeordnete Seite Weiter

Die Herkunft des Wortes ist höchst aufschlußreich. Im vorbiblischen Griechisch hat es keinen herabsetzenden Klang. Es bedeutet zunächst: freie Wahl. Entscheidung. Und es bedeutet das, wofür sich ein Mensch entscheiden kann, z.B. eine Richtung, eine Schule, eine Strömung. So werden die großen philosophischen Schulen, etwa die Stoiker und die Platoniker, als Häresien bezeichnet, so auch die Hauptrichtungen des zeitgenössischen Judentums, Pharisäer, Sadducäer.
Das Wort “Sekte“ ist ziemlich genau das entsprechende lateinische Äquivalent; es kommt von sequi her und bedeutet Gefolgschaft.

Der Apostel Paulus aber lehnt es ausdrücklich und sehr betont ab, das junge Christentum als ‘Häresie‘ zu bezeichnen (Apg.24, 14).
Warum? Die Botschaft von Christus ist nicht eine Theorie neben anderen, und das Christentum ist nicht eine Religion neben anderen, und die Kirche nicht eine Strömung neben anderen, sondern in ihnen vollzieht sich der vertikale Einfall der Wahrheit.
Die biblische Wahrheit ist nicht Strömung, sondern nach der ältesten Selbstbezeichnung ein Weg. In eine Richtung wird man gezogen, einen Weg muß man gehen. Nicht mit der Strömung, sondern gegen sie! Gegen alle Strömungen aller Zeiten! Darum wird das Wort „Strömung“ sehr schnell zur Bezeichnung der Irrlehre.

Der Häretiker hat sich der herrschenden Meinung, den zeitbedingten Selbstverständlichkeiten unterworfen. Er denkt, was man denkt. Was man zu meinen hat, wenn man ernst genommen werden will. Er hält für gut, was man anständigerweise für gut zu halten hat, wenn man nicht mit seiner Umwelt in mehr oder weniger unangenehmer Weise kollidieren möchte. Er hat sich dem Diktat des Kollektivs unterworfen, das sich ebenso in den Tagesmeinungen ausspricht wie in den angeblich feststehenden Ergebnissen der Wissenschaft und ihren “ungedachten Denkvoraussetzungen“.
Er hat sich im Kern seines Wesens aus einem Christen zurückverwandelt in einen Menschen des ersten, des zweiten, des 18., des 19., des 20.Jahrhunderts. Er meint, eine freie Entscheidung vollzogen zu haben und ahnt nicht, daß dabei anonyme Mächte über ihn entschieden haben. Er erlag derselben Illusion wie der “Freidenker“, der sich vom kirchlichen Dogma frei fühlt und nicht merkt, in welchem Maße er zum Sklaven der Zeit, der Öffentlichkeit und ihrer Ansprüche geworden ist. Er ist aus dem Spannungsraum zwischen Welt und Ewigkeit geflohen.

Häretisch ist, was im Zuge der Zeit liegt. Was dem mitgebrachten Selbstverständnis und Weltverständnis des jeweiligen Menschen entspricht. Unter diesen Gesichtspunkten ist jedenfalls die lutherische Lehre von der totalen Sündhaftigkeit gegen den Verdacht der Häresie so gut gesichert wie kaum eine andere; sie kann zu allen Zeiten nur höchst unpopulär sein. Aber auch die spezifisch katholischen Strukturen – Ordnung, Kirchenrecht, gegliederte Gemeinschaft, Amtsautorität – widerstreben zu allen Zeiten dem, was "Herr Omnes" gern hören möchte. Umgekehrt wird gerade hier deutlich, in welchem Maße die moderne Tendenz zur Nivellierung und mit ihr auch sehr viel pastorale Scheindemut einem häretischen Trend entspringt, der sich heute geradezu sintflutartig über die Welt ergießt, (wie umgekehrt auch die Angleichung an die feudalen Strukturen des Mittelalters und ebenso das großbürgerliche Pastorenideal früherer Zeiten häretische Angleichungen darstellten).

Die Versuchung zur Häresie lauert in allem, was wir tun und reden; ihre Überwindung ist uns immer neu als Aufgabe gestellt und als Wunder des Heiligen Geistes verheißen.

Helmut Echternach: Die Lutherische Erbsündenlehre - als ökumenische Verheißung


nach oben