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Was heißt: „den Feiertag heiligen“?

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1. Grundlegung

1.1. Sabbat und Sonntag

1.1.1. Einleitung

Das dritte Gebot betont die Heiligkeit des siebenten Tages der Woche. Er wird „Sabbat“ genannt. Eifrig wurde von den Frommen Israels vor allem nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft darauf geachtet, daß der Sabbat gehalten wurde. Im Spätjudentum galt das Sabbatgebot manchen Rabbinern soviel wie alle anderen Gebote zusammengenommen. Grund: Der Sabbat war allein dem Volk Israel gegeben als Zeichen seiner Erwählung und seiner Unterscheidung von den Heidenvölkern rundum. Im Talmud heißt es sinngemäß, daß die ewige Erlösung Israels sofort anbrechen würde, wenn das ganze Volk nur zwei Sabbate vorschriftsmäßig halten würde.[1] Eine besondere Bedeutung für das Judentum hatte und hat die Sabbatfeier aber auch deswegen, weil sie überall gefeiert werden kann. Der Opferkult zum Beispiel blieb an den Tempel in Jerusalem gebunden. Die Wertschätzung, der sich die Feier des siebenten Wochentages erfreute, kann also nicht hoch genug veranschlagt werden.

Im Gegensatz dazu finden wir von Anfang an (schon im NT) deutliche Hinweise darauf, daß die Christen nicht den siebenten, sondern den „ersten Tag der Woche“ besonders begingen.[2] Aber: Ist es überhaupt statthaft, den ersten und nicht den siebenten Tag der Woche als Feiertag zu nehmen? Hat die Begründerin der STA, Ellen G. White, vielleicht Recht, wenn sie schreibt: 

 Ich sah, daß der heilige Sabbat die trennende Mauer zwischen dem wahren Israel Gottes und den Ungläubigen ist und sein wird?

Sind demnach alle, die nicht am siebenten, sondern am ersten Tag der Woche feiern, Ungläubige?
Ist die Feier des christlichen Sonntags wirklich identisch mit „dem Malzeichen des Tieres“ aus der Apokalypse? Gelegentlich soll das so in adventistischen Kreisen geäußert worden sein.
War Paulus im Irrtum, als er schrieb:

Der eine hält einen Tag für höher als den andern; der andere aber hält alle Tage für gleich. Ein jeder sei in seiner Meinung gewiß?
Röm 14,5?

Hatte der Apostel unrecht, als er die Kolosser mahnte:

So laßt euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen ... eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats?
Kol 2,16?

War das „Apostelkonzil“ (Apg 15) eine Zusammenrottung von Irrlehrern, weil es das Halten des Sabbats von den nichtjüdischen Christen nicht forderte. 

Das alles sei ferne! Wir werden sehen, daß es berechtigt ist, wenn Christen nicht den siebenten, sondern den ersten Tag der Woche feiern. Und wenn wir verstehen, warum sie es tun, können auch wir mit größerer innerer Beteiligung Gott zur Ehre und uns zum Heil diesen Tag wirklich feiern. 

1.1.2. Gedächtnis von Schöpfung und Erlösung als Inhalt des siebenten Tages

Die Zehn Gebote werden im AT dem Volk Gottes gleich zweimal eingeschärft. In beiden Texten wird die Feier des Sabbats jedoch verschieden begründet: 

Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn. 
(Ex 20,8ff.) 

und

Denn du sollst daran denken, daß auch du Knecht in Ägyptenland warst und der HERR, dein Gott, dich von dort herausgeführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem Arm. Darum hat dir der HERR, dein Gott, geboten, daß du den Sabbattag halten sollst.
(Dtn 5,12ff.) 

Wir sehen: Beim ersten Mal wird das Halten des Sabbats mit der Schöpfung begründet und beim zweiten Mal mit der Rettung aus Ägypten. 

Das Sabbatgebot ist also im AT wie eine Ellipse. Das Gedächtnis der Schöpfung und das Gedächtnis der Erlösung sind ihre beiden Brennpunkte. Beide Inhalte bestimmen die Sabbatfeier am siebenten Tag der Woche. 

1.1.3. Der erste bzw. achte Tag als Erfüllung und Vollendung des siebenten.

Nicht der siebente, sondern „der erste Tag der Woche“ galt den Christen von Anbeginn als besonderer Tag.[3] Wie wurde das begründet? Im NT finden wir keine direkte Erklärung dafür, wohl, weil dieser Tatbestand nie strittig war. Es steht dort, daß sie am ersten Tag der Woche zusammenkamen, aber nicht warum. Unser Herr Jesus Christus ist „am ersten Tag der Woche“ von den Toten auferstanden.[4] Die einzig plausible Erklärung für die Sonntagsfeier der Christen ist daher, daß man den ersten Tag der Woche als Tag der Auferstehung Jesu beging. Finden wir im Zusammenhang mit der Auferstehung Jesu Christi wieder die Inhalte Schöpfung und Erlösung, wie wir sie beim Sabbatgebot fanden? 

Daß die Auferstehung Christi etwas mit unserer Erlösung zu tun hat, muß ich hier sicher nicht weiter begründen. Paulus schreibt an die Römer: 

Unser Herr Jesus ist um unsrer Sünden willen dahingegeben und um unsrer Rechtfertigung willen auferweckt.
(Röm 4,25). 

Die Auferstehung unseres Herrn hat jedoch nicht nur etwas mit unserer Erlösung zu tun. Sie ist auch mit der Schöpfung aus dem Nichts, von der wir am Anfang der Bibel lesen, gleich zu setzen. Als der „erste Tag der Woche“ erinnert der Tag der Auferstehung Jesu Christi an die erste Schöpfung. Ja mehr noch: Die Auferstehung Jesu ist selbst der Anbruch der neuen Schöpfung[5]

Verdeutlicht wird das durch eine vielleicht ungewohnte Redeweise, in der der Sonntag als der „achte Tag“ bezeichnet wird. Was bedeutet Sinnzahl „Acht“ in der Bibel?
Die Zahl „Acht“ findet sich in der Heiligen Schrift fast ausschließlich im Zusammenhang mit dem Beginn von Neuem. Man beachte folgende Beispiele: Beschneidung am achten Tag, Priesterweihe im AT am achten Tag der Reinigungszeit, Freisprechung des Aussätzigen am achten Tag der Reinigungszeit, acht Menschen verließen an einem achten Tag die Arche, Auferstehung Jesu an einem achten Tag. Die Schrift berichtet von acht Totenerweckungen (außer der Jesu, die etwas völlig Neues ist.). In allen Fällen beginnt neues Leben, wird ein neuer Lebenskreis betreten. So ist die „Acht“ die Zahl der Erneuerung bzw. Neuschöpfung. Sie bezeichnet außerdem, was über die an sich vollkommene Sieben hinausgeht und diese noch übertrifft.

Als „achter Tag“, als Tag der auf den Sabbat folgt, bedeutet der Tag der Auferstehung Christi die mit seiner Auferstehung angebrochene neue Schöpfung. Am „ersten Tag der Woche“ geschehen, erinnert der Tag der Auferstehung Jesu Christi also an die erste Schöpfung und weist darüber hinaus als „achter Tag“ auf die Neuschöpfung der Welt. So erkennen wir die Auferstehung Jesu Christi am „ersten“ bzw. „achten“ Tag als den Anfang unserer Erlösung und der neuen Schöpfung. Im Tag des Herrn, dem ersten bzw. achten Tag der Woche, bekommen wir auch einen Vorgeschmack auf die Vollendung des schöpferisch-erlösenden Handelns Gottes. Der Sonntag kündigt die ewige Ruhe an, von der im Hebräerbrief geschrieben wurde. Die Auferstehung Christi ist Anfang der Erfüllung und Übertrumpfung dessen, was der Sabbat im AT vorschattete. Die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ist also viel mehr als das „Comeback“ eines wiederbelebten Leichnams. Die beide letzten Kapitel der Offenbarung reden sehr deutlich davon, daß die neue Schöpfung und unsere Erlösung identisch sind: 

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!
(Offb 21,1ff.) 

Der Sabbat war eine Ellipse, dessen beiden Brennpunkte die beiden Machttaten Schöpfung und Erlösung bildeten. In der Auferstehung Jesu „am ersten Tag der Woche“ fallen schaffendes und erlösendes Handeln Gottes in einer einzigen Machttat zusammen. Die beiden Brennpunkte „Schöpfung“ und „Errettung“ fallen im Auferstandenen als in einem Mittelpunkt zusammen. Aus der Ellipse wird ein Kreis.

Die beiden Begründungen des alttestamentlichen Sabbatgebots werden also in der Auferstehung Jesu Christi erfüllt. Das vergangene und zukünftige schaffende und erlösende Handelns Gottes wird in der gottesdienstlichen Feier der christlichen Gemeinde vergegenwärtigt. Der erste bzw. achte Tag der Woche ist der Tag, an dem wir die Neuschöpfung zu unserer Erlösung feiern und in diese erlösende Neuschöpfung mit hineingenommen werden. In der christlichen Versammlung am „ersten“ bzw. „achten“ Tag der Woche gedenkt man dieses schöpferisch-erlösenden Handelns Gottes. Es ist also völlig gerechtfertigt, daß die christliche Gemeinde am ersten bzw. achten Tag der Woche als dem Tag der Auferstehung ihres Herrn das Gedächtnis des schöpferischen und erlösenden Handelns Gottes feiern. 

Lesen wir in nachneutestamentlichen Schriften, wird diese Sicht bestätigt. Auch die Generation der Christen, die dem NT zeitlich sehr nahe waren, begründeten die Sonntagsfeier mit dem Gedächtnis der Schöpfung und Erlösung. Ca. 50 Jahre nach dem Entstehen der Offenbarung schrieb Justin der Märtyrer um 165 n. Chr.: 

Am Sonntag kommen wir alle zusammen, weil er der erste Tag ist, an welchem Gott ... die Welt erschaffen hat , und weil Jesus Christus, unser Erlöser, an diesem Tag von den Toten auferstanden ist.
(Justin apol. 1,67) 

Wir finden hier bei Justin wiederum zwei Begründungen für die Feier am ersten Tag der Woche, wie wir sie im AT für den siebenten Tag finden: das Gedächtnis der Schöpfung und das Gedächtnis der Erlösung.

Fazit:

  1. Der erste bzw. achte Tag der Woche als der Tag der Auferstehung Jesu ist der christliche Feiertag im eigentlichen Sinn. Es ist der Tag, an dem die christliche Gemeinde das Gedächtnis des vergangenen und zukünftigen schöpferisch-erlösenden Handelns Gottes feiert und es so Gegenwart werden läßt.

1.2. Die christliche Versammlung am Tag des Herrn

Wie begingen die Christen zur Zeit des NT das Gedächtnis der Schöpfung und der Erlösung? Was taten sie am ersten bzw. achten Tag?

Wir finden im NT Hinweise auf eine christliche Versammlung am ersten bzw. achten Tag der Woche:

Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden die Türen verschlossen hatten, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
(Joh 20,19)

Und nach acht Tagen waren seine Jünger abermals drinnen versammelt, und Thomas war bei ihnen. Kommt Jesus, als die Türen verschlossen waren, und tritt mitten unter sie und spricht: Friede sei mit euch!“
(Joh 20,26) 

Wir entdecken aber auch Hinweise auf das, was dort geschah.  

Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren, das Brot zu brechen, predigte ihnen Paulus.
(Apg 20,7) 

Lukas schreibt also, daß man zusammenkam, um „das Brot zu brechen“. Das Brot zu brechen war der Zweck ihres Zusammenkommens. Im Rahmen dieses Brotbrechens wurde aber auch gepredigt.

Das ist nichts anderes als das, was später im Abendland "Messe" genannt wurde - übrigens auch in den lutherischen Gemeinden: der vollständige christliche Gottesdienst mit Predigt und der Feier des Heiligen Abendmahl, denn "Brotbrechen ist lediglich eine alte Bezeichnung für das, was heute "Eucharistie" oder "Heiliges Abendmahl" genannt wird.

Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch die sogenannte „Emmausgeschichte“: 

Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tage (nämlich dem der Auferstehung Jesu) in ein Dorf, das war von Jerusalem etwa zwei Wegstunden entfernt; dessen Name ist Emmaus. Und es geschah, als sie so redeten und sich miteinander besprachen, da nahte sich Jesus selbst und ging mit ihnen.... Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war. ... Und sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt. Und es geschah, als er mit ihnen zu Tisch saß, nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen. Da wurden ihre Augen geöffnet, und sie erkannten ihn.
(Lk 24, 13ff.) 

Was die beiden Jünger hier erlebten, wiederholte sich im Grunde genommen seitdem in jeder christlichen Versammlung am ersten bzw. achten Tag der Woche.
Finden wir hier in der Emmausgeschichte nicht auch das Gerüst des vollständigen christlichen Gottesdienstes beschrieben, der in seiner Grundstruktur durch die Jahrtausende gleich geblieben ist? Denn der vollständige christliche Gottesdienst besteht ebenfalls aus zwei Teilen, die eine Einheit bilden: dem Wortgottesdienst und der Abendmahlsfeier?
Und so entdecken wir in dieser Geschichte ebenso, daß den Jüngern erst die Schrift ausgelegt wird und dann das „Abendmahl“ gefeiert wird? Man tut ja der Schrift keine Gewalt an, wenn man die Worte in der Emmausgeschichte „er nahm das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen“ als einen deutlichen Hinweis auf das Abendmahl sieht.
[6] Sogar der Maßstab für die „richtige“ Verkündigung wird uns an Hand gegeben, denn es heißt: „(Jesus Christus) legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war.“ 

Ist es nicht Jesus Christus selbst, der uns im Gottesdienst durch Menschenmund die Schrift auslegt und auch uns durch Menschenhand Seinen für uns gebrochenen Leib und sein für uns vergossenes Blut darreicht? Es gibt für sehende Augen und hörende Ohren viel zu entdecken in der Heiligen Schrift!

Was in Emmaus und auf dem Weg dorthin geschah, finden wir auch in Apg 2,42. Lukas berichtet von der ersten Gemeinde in Jerusalem:  

Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet.
(Apg 2,42).  

„Man kann hierin eine Beschreibung des urchristlichen Gottesdienstes sehen: die Gemeinde kam zusammen, um die Lehre der Apostel zu hören, Gaben für die gegenseitige Unterstützung darzubringen (diesen Sinn hat hier das Wort »Gemeinschaft«), das Abendmahl zu feiern und zu beten.“[7]  
Es gibt durchaus Parallelen zwischen Apg 2,42 und der Emmausgeschichte. Wir finden in beiden „Lehre“ („er legte ihnen aus, was in der ganzen Schrift von ihm gesagt war“), „Gebet“ („sie nötigten ihn und sprachen: Bleibe bei uns; denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt“) und „Brotbrechen“ („er nahm er das Brot, dankte, brach's und gab's ihnen.“). 

Wir erkennen also aus dem NT, daß die christliche Gemeinde am ersten bzw. achten Tag zusammenkam, um Gottesdienst zu feiern.
Diese biblische Erkenntnis wird auch durch nachneutestamentliche Zeugnisse bestätigt. Diese Schriften aus der Zeit nach der Entstehung des NT sagen nichts anderes und inhaltlich auch nicht mehr als das, was wir schon im NT fanden. Sie sind dennoch „gut und nützlich zu lesen“ und runden unser Bild vom urchristlichen Sonntag ab. 

Was in der Apg und der Emmausgeschichte nur kurz angedeutet wird, beschreibt der oben erwähnte Justin in seiner Verteidigungsschrift an den römischen Kaiser ausführlicher:

„An dem nach der Sonne benannten Tage findet die Zusammenkunft von allen, die in den Städten oder auf dem Lande herum weilen, an einem gemeinsamen Ort statt. Es werden die Aufzeichnungen der Apostel und die Schriften der Propheten vorgelesen, soweit es die Zeit erlaubt. Wenn der Vorleser aufgehört hat, hält der Vorsteher eine Ansprache, in der er ermahnt und auffordert, diesen schönen Lehren und Beispielen nachzufolgen. ... Wer die Mittel und guten Willen hat, gibt nach seinem Ermessen, was er will, und das, was da zusammenkommt, wird beim Vorsteher hinterlegt. Dieser kommt damit Waisen und Witwen zu Hilfe, solchen, die wegen Krankheit oder aus sonst einem Grund bedürftig sind, den Gefangenen und den Fremdlingen,, die in der Gemeinde anwesend sind; kurz, er ist allen, die in der Not sind, ein Fürsorger. ... Sodann stehen wir alle gemeinsam auf und schicken Gebete zum Himmel...
(Justin apol. 1, 67)

 ... für uns selbst ... und für alle anderen auf der ganzen Welt, auf daß wir würdig werden, ... auch in Werken als gute ... Menschen und als Beobachter der Gebote Gottes befunden zu werden, um so das ewige Heil zu erlangen. Nachdem wir die Gebete beendet haben, grüßen wir einander mit einem Kusse. ...Dann wird dem Vorsteher der Brüder Brot gebracht und ein Becher mit einer Mischung von Wasser und Wein. Dieser nimmt es, sendet durch den Namen des Sohnes und des Heiligen Geistes Lob und Preis zum Vater aller Dinge empor und verrichtet eine lange Danksagung (= Eucharistia) dafür, daß wir dieser Gaben von ihm gewürdigt wurden. Ist er mit dem Gebet und der Danksagung zu Ende, stimmt das ganze anwesende Volk ein, indem es spricht: Amen. Nachdem der Vorsteher die Danksagung vollbracht und das ganze Volk eingestimmt hat, reichen die Diakone, wie sie bei uns heißen, jedem Anwesenden vom dankgesegneten Brot und vom mit Wasser vermischten Wein zum Genuß dar und bringen davon auch den Abwesenden.
(Justin apol. 1, 65) 

Wir vergleichen das eben Gehörte mit dem NT, an dem wir alles zu messen haben und entdecken: Justin schrieb inhaltlich nicht mehr, als was wir im NT finden, auch wenn er es viel ausführlicher tut.

Eigentlich bräuchten wir diese Beschreibung Justins nicht. Wir finden hier auch nichts anderes die vier Säulen des christlichen Lebens und des Gottesdienstes, von denen es in der Apg kurz und knapp heißt:  

Sie blieben aber beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet
(Apg 2,42) 

Man bedarf also nicht der Aussagen frühkirchlicher nichtkanonischer Schriftsteller, um zu erfahren, was man in der ersten Christenheit am Feiertag tat. Die Aussagen im NT dazu sind deutlich genug. Man muß es nur wahrhaben wollen!

„Das Wort, das Luther in der Apg mit ‘sie blieben beständig’ übersetzt, heißt im Griechischen übrigens "‘hart dabeibleiben, nicht nachlassen - auch wenn es schwer fällt, neue Strapazen auf sich nehmen", kurz: „hartnäckig an etwas festhalten".
Es gibt also Dinge, an denen die Urgemeinde hartnäckig festgehalten hat, die für sie so wesentlich waren, daß sie meinte, daran hinge ihr geistliches Leben und ihr Fortbestand.“
[8]  

Das Neue Testament und die frühe christliche Überlieferung stimmen vollständig überein und beleuchten einander. Wir ziehen daraus das Fazit:

  1. Der erste bzw. achte Tag der Woche als der Tag der Auferstehung Jesu ist der christliche Feiertag im eigentlichen Sinn. Es ist der Tag, an dem die christliche Gemeinde das Gedächtnis des vergangenen und zukünftigen schöpferisch-erlösenden Handelns Gottes feiert und es so Gegenwart werden läßt.

  2. Sie tut das in ihrer gottesdienstlichen Versammlung, in der sie zusammenkommt, um die Lehre der Apostel zu hören, Gaben für die gegenseitige Unterstützung darzubringen, das Abendmahl zu feiern und zu beten.

2. Anwendung

2.1. Was heißt „den Feiertag heiligen“?

Das dritte Gebot ist uns in der Fassung überliefert: „Du sollst den Feiertag heiligen.“ Was bedeutet das? Wie macht man das, „den Feiertag heiligen“?
Die Antwort finden wir, wenn wir bedenken, was die ersten Christen am Feiertag taten und uns ihre Praxis zum Vorbild nehmen.

Was taten die ersten Christen?
Wie wir gesehen haben, trafen sie sich mit anderen Christen. Die Aussagen des NT und die Praxis der ältesten Christenheit stimmen völlig überein. Wir können also schlußfolgern: „Den Feiertag heiligen“ heißt: „sich mit anderen Christen treffen“.

Was taten die ersten Christen, wenn sie sich trafen, um den Feiertag zu heiligen?
Was der Inhalt dieser christliche Versammlung war, lesen wir in der Apg 2,42. „Die Gemeinde kam zusammen, um die Lehre der Apostel zu hören, Gaben für die gegenseitige Unterstützung darzubringen (diesen Sinn hat hier das Wort »Gemeinschaft«), das Abendmahl zu feiern und zu beten.“
[9] 

Man traf sich im NT eindeutig, um einen vollständigen christlichen Gottesdienst zu feiern, d. h. einen Gottesdienst mit Predigt und Fier des Heiligen Abendmahls. „Den Feiertag heiligen“ hieß in der ersten Christenheit: „am Abendmahlsgottesdienst teilnehmen“. So bleibt auch uns, wenn wir uns wirklich „bibeltreu“ sein wollen, keine andere Möglichkeit, als die Antwort zu geben: „Den Feiertag heiligen heißt: am Abendmahlsgottesdienst teilzunehmen.“ 

Fazit: 

  1. Der erste bzw. achte Tag der Woche als der Tag der Auferstehung Jesu ist der christliche Feiertag im eigentlichen Sinn. Es ist der Tag, an dem die christliche Gemeinde das Gedächtnis des vergangenen und zukünftigen schöpferisch-erlösenden Handelns Gottes feiert und es so Gegenwart werden läßt. 

  2. Sie tut das in ihrer gottesdienstlichen Versammlung, in der sie zusammenkommt, um die Lehre der Apostel zu hören, Gaben für die gegenseitige Unterstützung darzubringen, das Abendmahl zu feiern und zu beten. 

  3. Der Feiertag wird geheiligt, indem man an dieser gottesdienstlichen Versammlung teilnimmt.

2.2. Die aktive Teilnahme am Gottesdienst

Wir heiligen den Feiertag, indem wir an der gottesdienstlichen Versammlung der Gemeinde teilnehmen. Die Betonung liegt hier auf dem Wort „teilnehmen“. Eine Theatervorstellung besuche ich. An einem Gottesdienst nehme ich teil. Das ist ein feiner, aber wichtiger Unterschied. Wenn die bloße Anwesenheit in einer Kirche selig machen würde, kämen die Kirchenbänke alle vor uns in den Himmel! Ein Christ besucht nicht den Gottesdienst, sondern nimmt daran teil.

Die Feier des Gottesdienstes ist eine Angelegenheit des „ganzen Christus“ Was ist damit gemeint? Der „Christus“ ist mehr als Jesus. Der „ganze Christus“, das ist Jesus und die Gemeinde. Jesus ist das Haupt und die Gemeinde ist der Leib. Haupt plus Leib ist gleich „der ganze Christus“. Und dieser „ganze Christus“, der mit dem Haupt vereinte Leib feiert den Gottesdienst. 

Darum ist es nicht „der da vorne“, der den Gottesdienst feiert und der Rest schaut nur zu. Gottesdienst ist keine Theatervorstellung. Das ganze Volk Gottes ist priesterlich!
Im Alten Bund wurden Priester und Könige in ihr Amt eingesetzt durch eine Waschung und eine Salbung. Ebenso erhalten die Glieder der christlichen Gemeinde durch eine Waschung (Taufe) und eine Salbung (Firmung) am königlichen Priestertum, von dem das Neue Testament spricht. Sie haben „zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus“
[10].
Das bedeutet nun aber nicht, daß  im Gottesdienst alle dasselbe tun müssen. Denn nicht alle Glieder des Leibes haben dieselbe Aufgabe: 

Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, so sind wir viele ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied, und haben verschiedene Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist
(Röm 12,4) 

Einzelne Glieder sind zu einem besonderen Dienst an der Gemeinde berufen und ordiniert: In der Person Christi des Hauptes handelnd dienen sie den anderen Gliedern des Leibes Christi. So steht ihr Dienst im Dienst des „allgemeinen Priestertums aller Getauften“.
Jedoch haben ausnahmslos alle Gläubigen als königliche Priester je nach ihrer besonderen Aufgabe das Recht und die Pflicht zur vollen, bewußten und tätigen Teilnahme am Gottesdienst.

 Fazit:

  1. Der erste bzw. achte Tag der Woche als der Tag der Auferstehung Jesu ist der christliche Feiertag im eigentlichen Sinn. Es ist der Tag, an dem die christliche Gemeinde das Gedächtnis des vergangenen und zukünftigen schöpferisch-erlösenden Handelns Gottes feiert und es so Gegenwart werden läßt.

  2. Sie tut das in ihrer gottesdienstlichen Versammlung, in der sie zusammenkommt, um die Lehre der Apostel zu hören, Gaben für die gegenseitige Unterstützung darzubringen, das Abendmahl zu feiern und zu beten. 

  3. Der Feiertag wird geheiligt, indem man an dieser gottesdienstlichen Versammlung teilnimmt.

  4. Alle Gläubigen haben je nach ihrer besonderen Aufgabe das Recht und die Pflicht zur vollen, bewußten und tätigen Teilnahme am Gottesdienst.

3. Einige Probleme beim Umsetzen dieser Erkenntnisse

3.1. Zu wenig Abendmahlsgottesdienste

Eingangs stellten wir die Frage, was „den Feiertag heiligen“ heißt. Wir fanden in der Heiligen Schrift die Antwort: den Feiertag heiligen heißt: an der gottesdienstlichen Versammlung teilnehmen. Der neutestamentliche Befund ergab, daß dieser Gottesdienst der vollständige christliche Gottesdienst mit Wortverkündigung und der Feier des Hl. Abendmahls ist.  

Wenn wir aus dieser biblischen Erkenntnis die Schlußfolgerung ziehen wollen, stehen wir Evangelischen vor einem großen Problem. Wer sich vornimmt, den Feiertag zu heiligen indem er an einem solchen vollständigen Gottesdienst teilnimmt, merkt schnell: Es gibt mehr Sonntage als Abendmahlsgottesdienste in den evangelischen Gemeinden.

Das war anfänglich in den lutherischen Gemeinden anders. Ich zitiere im Folgenden den Professor für Systematische Theologie der Universität Rostock, Karl-Heinrich Bieritz:

Die lutherische Reformation hielt im Grundsatz daran fest, daß jeder Sonntag durch die Feier der Messe (Gottesdienst mit Predigt und Abendmahl) ausgezeichnet sein sollte. Freilich gelang dies nicht, in der Praxis durchzusetzen; vielfach wurde auf die sonntägliche Abendmahlsfeier verzichtet bzw. das Abendmahl nur im Anschluß an den Hauptgottesdienst als eine gesonderte Feier gehalten. In einer Schrift aus dem Jahre 1526 sah Martin Luther einen Frühgottesdienst (Mette) am Sonntagmorgen gegen fünf oder sechs Uhr vor, dem um acht oder neun Uhr die Messe, der Gottesdienst mit Predigt und Abendmahl folgen sollte. Die nachmittägliche Vesper sollte die Reihe der sonntäglichen Gottesdienste abschließen. Damit erhielt der Sonntag eine klare gottesdienstliche Struktur.[11]

Luther behielt also den üblichen sonntäglichen Abendmahlsgottesdienst bei und ermunterte zum häufigen Empfang des Abendmahls. Er legte aber Wert darauf, daß im allsonntäglichen Abendmahlsgottesdienst unbedingt auch zu predigen sei. Es hat sich aber leider nicht Luthers Vorstellung und seine Wittenberger Gottesdienstordnung durchgesetzt, sondern die der süddeutschen Evangelischen, die sehr aus der reformierten Schweiz beeinflußt waren. Nach dem Bericht der Apostelgeschichte kamen die ersten Christen zusammen, um das Brot zu brechen und zu predigen. Der Zürcher Reformator Zwingli ordnete jedoch 1525 an, daß in seiner Gemeinde nur noch viermal im Jahr Abendmahl gehalten werden sollte, und zwar zu Ostern, zu Pfingsten, im Herbst und zu Weihnachten. Die Gottesdienste wurden reine Predigtgottesdienste. Das lag sicher daran, daß nach Zwinglis Lehre das Heilige Abendmahl sowieso nichts gab, was man nicht auch durch eine Predigt bekommen könnte. 

Diese durch und durch unbiblische Praxis wurde fast überall im Protestantismus Brauch. Man ging bis vor kurzem als „guter“ Evangelischer nur um Ostern herum zum Abendmahl und am Ende des Kirchenjahres. Oft war das Abendmahl nur ein kurzes Anhängsel an den Predigtgottesdienst und deutlich von diesem unterschieden. So habe ich es zum Beispiel noch in meinem Heimatort kennengelernt. „Biblisch“ begründbar ist das, wie wir gesehen haben, nicht. 

Die Versuche mancher, den Abendmahlsgottesdienst an jedem Sonntag wieder einzuführen, scheitern oft am Widerstand der Geistlichen, viel öfter aber noch am Widerspruch der Gemeindekirchenräte und übrigen des christlichen Volkes.
Wie gesagt: „biblisch“ ist das nicht. Es ist traurig, aber wahr: eingeschliffene Gewohnheiten und festgefügte Vorurteile sind oft stärker als die besten „biblischen“ Argumente. Auch bei denen, die meinen, die Bibel für sich gepachtet zu haben. Immer wieder begegnet einem der Gegensatz, daß man behauptet, „biblisch“ zu sein, aber keine die Konsequenzen daraus zieht. Mancher betrügt sich selbst und meint, es reiche, wenn er sich das Etikett „bibeltreu“ um den Hals hängt. Er bräuchte nicht ständig darin forschen und vor allem sein Tun und Lassen nicht danach ändern. Ein guter Ruf bei anderen und ein Namen, den man sich selbst gibt, helfen jedoch nicht: 

Und dem Engel der Gemeinde in Sardes schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne: Ich kenne deine Werke: Du hast den Namen, daß du lebst, und bist tot.
(Offb 3,1) 

„Bibeltreue“ erkennt man nicht daran, daß sie sich selbst ständig so nennen, sondern daran daß sie das, was sie vielleicht lange Jahre dachten oder taten, anhand der Heiligen Schrift prüfen. Bibeltreue gehen mutig Schritte des Glaubens und Gehorchens. Sie passen ihre Praxis der Bibel an, nicht die Bibel ihrer Praxis. 

Wer immer also mutig Schritte des Glaubens und Gehorsams gehen will, der ziehe sich warm an. Leicht wird es ihm nie gemacht. Es ist hier jedoch nochmals daran zu erinnern, daß das Wort, das Luther in der Apg mit „sie blieben beständig“ übersetzt, im Griechischen die Bedeutung hat: „hart dabeibleiben“, „nicht nachlassen - auch wenn es schwer fällt“, „neue Strapazen auf sich nehmen“, kurz: „hartnäckig an etwas festhalten.[12]
Es gibt Dinge, an denen man hartnäckig festgehalten muß. Dinge, die so wesentlich sind, daß daran das geistliches Leben und unser Fortbestand abhängt. Wer mutig aus der Bibel Erkanntes in die Tat umsetzt, wird schnell merken, warum Lukas beim Abfassen der Apg ein Wort wählte, das Mühe und Strapazen einschließt. 

Ein Blick in die gottesdienstliche Praxis der Alten Kirche läßt uns noch besser erkennen, wie schlimm der Entzug des sonntäglichen Abendmahles für die meisten evangelischen Christen ist:
In der Alten Kirche war der erste Teil des Gottesdienstes (Wortgottesdienst) für alle zugänglich. Der zweite Teil (Abendmahlsgottesdienst) war nur den Getauften vorbehalten. Alle Ungetauften und Exkommunizierten mußten nach der Predigt die Kirche verlassen. Der heutige "normale"  protestantische Gottesdienst umfaßt also für gewöhnlich nur den Teil des Gottesdienstes, der in der alten Kirche allen zugänglich war. Dadurch wird das evangelische christliche Volk in eine Stellung zurückgestuft, die in der Alten Kirche die Ungetauften und Exkommunizierten hatten.

Will man aber wirklich den Feiertag heiligen, wird man als Evangelischer gezwungen, wie ein Bettler, von Gemeinde zu Gemeinde zu ziehen und an jedem Sonntag in einer anderen Gemeinde im Gottesdienst zu sitzen, ums so zu einem vollständigen christlichen Gottesdienst mit Predigt und Heiligem Abendmahl zu kommen.  

Wir beten, daß Gott Seinem evangelischen Volk zu Hilfe komme und es - vor allem im Blick auf die kommende antichristliche Bedrängnis - nicht ohne Hilfe und Stärkung lasse. Treu ist Er, der uns ruft, Er wird’s auch tun.

3.2. „Sonntags Ruhetag“?

Vielleicht mag sich mancher unter uns wundern, weil bis jetzt noch kein Wort zum Thema „Arbeitsruhe“ gesagt wurde. Wie oft habe ich es erlebt, daß es beim Thema Sonntagsheiligung zuging, wie bei den Rabbinern zur Zeit Jesu! Es wurde leidenschaftlich diskutiert, welche Tätigkeiten denn nun am Sonntag erlaubt sind: Entheiligt jemand den Sonntag, der als Bürokraft zwar Arbeit mit nach Hause bringt, diese aber am Sonntag liegen läßt und im Garten arbeitet? Wie ist das mit einem schwer arbeitenden Bauarbeiter, der den Sonntag im Liegestuhl verbringt, aber auch nicht zum Gottesdienst geht? Ein junger Christ war besorgt, ob das Putzen seines Motorrades, das ihm großes Vergnügen bereitete, nicht vielleicht doch den Sonntag entheiligen würde. Oder ist es geradezu die für ihn richtige Methode der Sonntagsheiligung? 

Diesen kurzen Beispielen kann vielleicht der eine oder andere beliebig erweitern. Die Diskussion um die Sonntagsheiligung ist fast immer eine Diskussion um die sonntägliche Arbeitsruhe.

Was ist dazu zu sagen?

Daß das besondere Augenmerk auf der Arbeitsruhe liegt, ist im AT begründet.  

Gedenke des Sabbattages, daß du ihn heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun .Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der HERR Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage.
(Ex 20,8-11) 

Den Sabbattag sollst du halten, daß du ihn heiligest, wie dir der HERR, dein Gott, geboten hat. Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tag ist der Sabbat des HERRN, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein Knecht, deine Magd, dein Rind, dein Esel, all dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt, auf daß dein Knecht und deine Magd ruhen gleichwie du.
(Dtn 5,12-14) 

Eindeutig wird im Gesetz gesagt, daß am Sabbat keine Arbeit erlaubt sei. Das muß man Ernst nehmen. Gleichwohl ist zu bedenken, daß der Sonntag eben nicht der Sabbat des Neuen Bundes ist.
Zum Thema Sabbat schreibt Paulus:

So laßt euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen wegen Speise und Trank oder wegen eines bestimmten Feiertages, Neumondes oder Sabbats.
(Kol 2,16)
 

Ein Arbeitsverbot für den ersten Wochentag finden wir im NT nicht. An diesem ersten bzw. achten Tag der Woche kam die christliche Gemeinde zum Gottesdienst zusammen. Dieser Gottesdienst lag zeitlich sicher so, daß zum Beispiel auch Sklaven, die sich nicht den Tag und die Woche nach Belieben einteilen konnten, die Gelegenheit hatten an ihm teilzunehmen. Der Abendmahlsgottesdienst, von dem wir in Apg 20,7 lesen, zog sich hin bis Mitternacht. Vielleicht gab es mehrere Gottesdienste an einem Ort, so daß man auf jedem Fall an einem davon teilnehmen konnte. In der Apg heißt es: 

Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern.
(Apg 2,46) 

Ein Arbeitsverbot für den Sonntag finden wir jedenfalls im NT nicht. Soweit mir bekannt ist (und das will nicht viel heißen) gibt es in der Alten Kirche auch keinen Fall eines christlichen Martyriums, weil jemand am Sonntag nicht arbeiten wollte. Viele Christen nahmen lieber Enteignung, die Wegnahme ihrer Kinder, schreckliche Folterungen oder die Hinrichtung auf sich, als daß sie zum Beispiel vor dem Standbild des Kaisers einige Weihrauchkörnchen geopfert hätten. Die römischen Behörden wußten genau: Ein Christ tut so etwas nicht. Daß jemand als Christ aufgefallen wäre, weil er unter keinen Umständen sonntags arbeiten wollte, ist mir jedoch nicht bekannt. Ich schlußfolgere daraus, daß es ein sonntägliches Arbeitsverbot für Christen damals nicht gab.

Auch die manchmal als "Märtyrer des Sonntagsgebotes" bezeichneten Märtyrer Saturninus, Dativus und ihre Gefährten, die im Jahre 304 für Christus starben und deren Märtyrerakten bewegend zu lesen sind, wurden wegen ihrer Teilnahme am christlichen Gottesdienst hingerichtet und nicht, weil sie nicht am Sonntag arbeiten wollten. Auf der Folterbank bekannten der Priester Saturninus: "Sie Sonntagsfeier darf nicht unterlassen werden." Er sagte aber nicht: "Die Arbeitsruhe darf nicht unterlassen werden.

Amtlicher Ruhetag wurde der erste Tag der Woche erst durch ein Gesetz des Kaisers Konstantin vom 3. März 321. Ausgenommen blieb zunächst die Landbevölkerung. Damit begann eine Entwicklung, die Prof. Bieritz so charakterisiert: 

Der Sonntag sog gleichsam den Sabbat in sich auf. Vorstellungen und Regelungen, die ursprünglich am Sabbat hafteten, wurden nun auch in der christlichen Sonntagsfeier wirksam. Allerdings begann sich erst vom 6. Jahrhundert an der Gedanke durchzusetzen, daß die Arbeitsruhe ein eigenständiges und wesentliches Element der Sonntagsfeier darstelle.[13]

Wie wir jedoch weiter oben erarbeitet hatten, heißt den Feiertag heiligen: am Gottesdienst teilnehmen. Gemäß dem NT heißt es jedoch nicht: Müßiggang und Nichtstun. 

Ist damit die Frage der Arbeitsruhe für uns vom Tisch? Keineswegs! Hören wir, was Martin Luther in seinem Großen Katechismus dazu sagt: 

Der (Feier-)Tag an und für sich bedarf keines Heiligens; er ist ja an und für sich schon heilig geschaffen. Gott will aber, daß er dir heilig sei. ... Wie geht nun solches Heiligen vor sich? Nicht so, daß man hinter dem Ofen sitzt und keine groben Arbeiten tut oder einen Kranz aufsetzt und seine besten Kleider anzieht, (um zum Tanze zu gehen), sondern ... daß man Gottes Wort betreibt und sich darin übt.

Es bleibt dabei: Zweck des Feiertages ist der Gottesdienst, nicht die körperliche Erholung. Dennoch ist die Arbeitsruhe möglichst einzuhalten. Sie hat einen guten Sinn: Man hat Zeit und ist frei, um am Gottesdienst teilnehmen zu können. 

Die Geschichte von Maria und Marta[14] kann uns helfen, das zu verstehen. Der Herr lobte Maria nicht, weil sie nichts tat, sondern weil sie sich dem Herrn zu Füßen setzte und seiner Rede zuhörte. Das konnte sie aber nur, weil sie nichts anderes tat.

Etwas „heiligen“ heißt, es dem Herrn zu übergeben. Den Feiertag heiligt also definitiv nicht, wer sagt: „Dieser Tag gehört besonders mir. Ich mache heute einmal, was mir Spaß macht.“ Und sei es, daß er den ganzen Tag im Bett läge und gar nichts täte: er hätte den Feiertag entheiligt, obwohl er sich genau an den Buchstaben des alttestamentlichen Gesetzes gehalten hätte. Und sei es, daß er irgendeine Zerstreuung gesucht hätte, um sich zu erholen: er hätte den Feiertag entheiligt, obwohl er sich an den Buchstaben des Gesetzes gehalten hätte. Zu den sieben Hauptsünden (oft fälschlich als die „sieben Todsünden“ bezeichnet) gehört unter anderem auch die „Trägheit“

Wer am Feiertag Zerstreuung sucht, sucht etwas völlig Falsches. „Zerstreuung“ ist der schleichende Tod christlicher Existenz. Die ganze christliche Kirche und wir mit ihr brauchen gerade das Gegenteil! Wir brauchen dringendst Konzentration! Konzentration auf das, „wodurch“ und „wofür“ wir leben. Für diese Konzentration aber brauchen wir den sonntäglichen vollständigen Gottesdienst. Dieser Gottesdienst hat jedoch nicht die Aufgabe, mittels kurzweiliger Unterhaltung meiner Zerstreuung und Entspannung zu dienen.  

4. Schlußbemerkungen

Den Feiertag heiligen heißt zu sagen: „Dieser Tag gehört besonders meinem Herrn. Ich mache mich auf, Ihm zu begegnen und werde beschenkt, wie die Emmausjünger.“ 

Emmaus ist das Urbild christlichen Gottesdienstes. Uns wird es gehen wie jenen Jüngern, die sagten:

Und sie sprachen untereinander: Brannte nicht unser Herz in uns, als er mit uns redete auf dem Wege und uns die Schrift öffnete?
Und sie standen auf zu derselben Stunde, kehrten zurück nach Jerusalem und fanden die Elf versammelt und die bei ihnen waren;
die sprachen: Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und Simon erschienen. 
Und sie erzählten ihnen, was auf dem Wege geschehen war und wie er von ihnen erkannt wurde, als er das Brot brach.
(Lk 24,35ff.) 

Halten wir also als Ergebnis unserer Überlegungen fest:

  1. Der erste bzw. achte Tag der Woche als der Tag der Auferstehung Jesu ist der christliche Feiertag im eigentlichen Sinn. Es ist der Tag, an dem die christliche Gemeinde das Gedächtnis des vergangenen und zukünftigen schöpferisch-erlösenden Handelns Gottes feiert und es so Gegenwart werden läßt. 

  2. Sie tut das in ihrer gottesdienstlichen Versammlung, in der sie zusammenkommt, um die Lehre der Apostel zu hören, Gaben für die gegenseitige Unterstützung darzubringen, das Abendmahl zu feiern und zu beten. 

  3. Wir heiligen den Feiertag, indem wir an dieser gottesdienstlichen Versammlung teilnehmen.

  4. Alle Gläubigen haben das Recht und die Pflicht zur vollen, bewußten und tätigen Teilnahme am Gottesdienst je nach ihrer besonderen Aufgabe.

Matthias Niche

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[1] bab. Schab. 118b Bar

[2] Apg 20,7; 1 Kor 16,2

[3] Joh 20,19; Apg 20,7; 1 Kor 16,2

[4] Mt 28,1; Mk 16,2;.9; Lk 24,1; Joh 20,1

[5] z. Bsp. 1 Kor 15,23ff.;

[6] vgl. Mt 26,26; Mk 14,22; Lk 22,19; 1 Kor 11,23f.

[7] Evangelischer-Erwachsenen-Katechismus, S. 1025

[8] Bittlinger; Arnold: Leben in der Gemeinschaft. Präsenz Verlag 1981

[9] EEK, S. 1025

[10] 1 Petr 2,5

[11] Bieritz, Karl-Heinrich: Das Kirchenjahr. Verlag C. H. Beck. überarb. Aufl. 1998 S. 66f.

[12] Bittlinger; Arnold: Leben in der Gemeinschaft. Präsenz Verlag 1981

[13] Bieritz: a.a.O. S. 62

[14] Lk 10,38ff.

 

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