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I. ARTIKEL DES GLAUBENS UND DER LEHRE
1. Von Gott
Erstens wird einträchtig
gelehrt und gehalten, laut des Beschlusses Concilii Nicaeni (des Nicaenischen
Konzils), daß ein einiges göttliches Wesen sei, welches Gott genannt wird und
wahrhaftig [Gott] ist, und doch sind drei Personen in demselben einigen göttlichen
Wesen, gleich gewaltig, gleich ewig, Gott Vater, Gott Sohn, Gott Heiliger Geist,
alle drei e i n göttliches Wesen, ewig, ohne Stück, ohne Ende, von
unermessener Macht, Weisheit und Güte, ein Schöpfer und Erhalter aller
sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Und unter dem Wort »Persona« wird
verstanden nicht ein Stück, nicht eine Eigenschaft in einem andern, sondern
[etwas], das selbst besteht, wie denn die Väter in dieser Sache dies Wort
gebraucht haben.
Deshalb werden verworfen alle Ketzereien, die diesem Artikel zuwider sind, wie:
Manichäer, die zwei Götter gesetzt haben, einen bösen und einen guten; ebenso
Valentinianer, Arianer, Eunomianer, Mohammedaner und alle dergleichen, auch
Samosatener, alte und neue, die nur e i n e Person setzen und von diesen zweien,
Wort und Heiligen Geist, Sophisterei machen und sagen, daß es nicht
unterschiedene
Personen sein müssen, sondern »Wort« bedeute leibliches Wort oder Stimme, und
der Heilige Geist sei erschaffene Regung in Kreaturen.
2. Von der Erbsünde
Weiter wird bei uns
gelehrt, daß nach Adams Fall alle Menschen, die natürlich geboren werden, in Sünden
empfangen und geboren werden, das heißt, daß sie alle von Mutterleib an voll böser
Lust und Neigung sind und keine wahre Gottesfurcht, keinen wahren Glauben an
Gott von Natur aus haben können; daß dieselbe angeborene Seuche und Erbsünde
auch wahrhaftig Sünde sei und alle die unter ewigen Gotteszorn verdamme, die
nicht durch die Taufe und den Heiligen Geist wiederum neu geboren werden.
Hierneben werden verworfen die Pelagianer und
andere, die die Erbsünde nicht für Sünde halten, damit sie die Natur fromm
machen durch natürliche Kräfte, zu Schmach dem Leiden und Verdienst Christi.
3. Von dem Sohn Gottes
Ferner, es wird gelehrt,
daß Gott der Sohn Mensch geworden sei, geboren aus der reinen Jungfrau Maria,
und daß die zwei Naturen, die göttliche und die menschliche, in e i n e r
Person also unzertrennlich vereinigt, e i n Christus sind, welcher wahrer Gott
und wahrer Mensch ist, wahrhaftig geboren, gelitten, gekreuzigt, gestorben und
begraben, daß er ein Opfer wäre nicht allein für die Erbsünde, sondern auch
für alle andere Sünde, und Gottes Zorn versöhnte; ferner, daß derselbe
Christus abgestiegen sei zur Hölle, wahrhaftig am dritten Tage von den Toten
auferstanden, aufgefahren gen Himmel, sitzend zur Rechten Gottes, daß er ewig
herrsche über alle Kreaturen und regiere, daß er alle, die an ihn glauben,
durch den Heiligen Geist heilige, reinige, stärke und tröste, ihnen auch Leben
und allerlei Gaben und Güter austeile, und wider den Teufel und wider die Sünde
schütze und beschirme; ferner, daß derselbe Herr Christus endlich öffentlich
kommen wird, zu richten die Lebendigen und die Toten etc., laut des Symboli
Apostolorum (Apostolischen Bekenntnisses).
4. Von der Rechtfertigung
Weiter wird gelehrt, daß
wir Vergebung der Sünde und Gerechtigkeit vor Gott nicht erlangen mögen durch
unser Verdienst, Werk und Genugtun, sondern daß wir Vergebung der Sünde
bekommen und vor Gott gerecht werden aus Gnaden, um Christi willen, durch den
Glauben, wenn wir glauben, daß Christus für uns gelitten habe, und daß uns um
seinetwillen die Sünde vergeben, Gerechtigkeit und ewiges Leben geschenkt wird.
Denn diesen Glauben will Gott als Gerechtigkeit vor ihm halten und zurechnen,
wie St. Paulus sagt zu den Römern Kap. 3 und 4.
5. Vom Predigtamt
Solchen Glauben zu
erlangen, hat Gott das Predigtamt eingesetzt, Evangelium und Sakrament gegeben,
wodurch er, als durch Mittel, den heiligen Geist gibt, welcher den Glauben, wo
und wann er will, in denen wirkt, die das Evangelium hören, welches da lehrt,
daß wir durch Christi Verdienst, nicht durch unser Verdienst, einen gnädigen
Gott haben, wenn wir solches glauben.
Und es
werden verdammt die Wiedertäufer und andere, die lehren, daß wir ohne das
leibliche Wort des Evangeliums den Heiligen Geist durch eigene Bereitung,
Gedanken und Werke erlangen.
6. Vom neuen Gehorsam
Auch wird gelehrt, daß
solcher Glaube gute Frucht und gute Werke bringen soll, und daß man gute Werke
tun müsse, allerlei, die Gott geboten hat, um Gottes willen, doch nicht auf
solche Werke zu vertrauen, um dadurch Gnade vor Gott zu verdienen. Denn wir
empfangen Vergebung der Sünden und Gerechtigkeit durch den Glauben an Christus,
wie Christus selbst spricht: »Wenn ihr dies alles getan habt, sollt ihr
sprechen: Wir sind untüchtige Knechte« (Lk 17,10). Also lehrten auch die Väter.
Denn Ambrosius spricht: »Also ist es beschlossen bei Gott, daß, wer an
Christus glaubt, selig sei, und nicht durch Werke, sondern allein durch den
Glauben, ohne Verdienst, Vergebung der Sünden habe« (Ambrosiaster zu 1 Kor
214).
7. Von der Kirche
Es wird auch gelehrt, daß allezeit e i n e heilige, christliche Kirche sein und bleiben müsse, welche die
Versammlung aller Gläubigen ist, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und
die heiligen Sakramente laut des Evangeliums gereicht werden. Denn dies ist
genug zu wahrer Einigkeit der christlichen Kirchen, daß da einträchtig nach
reinem Verstand (Verständnis) das Evangelium gepredigt und die Sakramente dem göttlichen
Wort gemäß gereicht werden. Und es ist nicht nötig zur wahren Einigkeit der
christlichen Kirche, daß allenthalben gleichförmige Zeremonien, von den
Menschen eingesetzt, gehalten werden, wie Paulus spricht zu den Ephesern
(4‚5): »Ein Leib, ein Geist, wie ihr berufen seid zu einerlei Hoffnung eurer
Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe«.
8. Was die Kirche sei
Ferner, wiewohl die
christliche Kirche eigentlich nichts anderes ist als die Versammlung aller Gläubigen
und Heiligen, jedoch weil in diesem Leben viele falsche Christen und Heuchler,
auch öffentliche Sünder unter den Frommen bleiben, so sind die Sakramente
gleichwohl kräftig, obschon die Priester, wodurch sie gereicht werden, nicht
fromm sind, wie denn Christus selbst anzeigt: »Auf dem Stuhl Moses sitzen die
Pharisäer etc.« (Mt 23, 2).
Deshalb werden die Donatisten und alle andern verdammt, die es anders halten.
9. Von der Taufe
Von der Taufe wird
gelehrt, daß sie nötig sei, und daß dadurch Gnade angeboten werde; daß man
auch die Kinder taufen soll, welche durch solche Taufe Gott überantwortet und
gefällig werden.
Deshalb werden die Wiedertäufer verworfen, welche lehren, daß die Kindertaufe
nicht recht sei.
10. Vom heiligen
Abendmahl
Von dem Abendmahl des
Herrn wird also gelehrt, daß wahrer Leib und Blut Christi wahrhaftig unter der
Gestalt des Brotes und Weines im Abendmahl gegenwärtig sei und da ausgeteilt
und genommen werde.
Deshalb wird auch
die Gegenlehre verworfen.
11. Von der Beichte
Von der Beichte wird also
gelehrt, daß man in der Kirche privatam absolutionem (persönliche
Lossprechung) erhalten und nicht fallen lassen soll, wiewohl es in der Beichte
nicht nötig ist, alle Missetaten und Sünden zu erzählen, dieweil solches
doch nicht möglich ist, Psalm 18 (19, 13): »Wer kennt die Missetat?«
12. Von der Buße
Von der Buße wird
gelehrt, daß diejenigen, die nach der Taufe gesündigt haben, zu aller Zeit,
wenn sie zur Buße kommen, Vergebung der Sünden erlangen, und ihnen die
Absolution von der Kirche nicht verweigert werden soll. Nun ist wahre rechte Buße
eigentlich nichts anderes als Reue und Leid oder Schrecken über die Sünde
haben, und doch daneben glauben an das Evangelium und die Absolution, daß die Sünde
vergeben und durch Christus Gnade erworben sei, welcher Glaube wiederum das Herz
tröstet und zufrieden macht. Danach soll auch Besserung folgen, und daß man
von Sünden lasse; denn dies sollen die Früchte der Buße sein, wie Johannes
[der Täufer] spricht Mt 3, 8: »Wirket rechtschaffene Frucht der Buße!«
Hier
werden verworfen die, welche lehren, daß diejenigen, die einstmals fromm
geworden sind, nicht wieder fallen können. Dagegen werden auch verdammt die
Novatianer, welche die Absolution denen, die nach der Taufe gesündigt hatten,
verweigerten. Auch werden die verworfen, die nicht lehren, daß man durch
Glauben Vergebung der Sünde erlange, sondern durch unser Genugtun.
13. Vom Gebrauch der
Sakramente
Vom Gebrauch der
Sakramente wird gelehrt, daß die Sakramente eingesetzt sind nicht allein darum
daß sie Zeichen seien, woran man äußerlich die Christen erkennen möge,
sondern daß es Zeichen und Zeugnisse des göttlichen Willens für uns seien,
unsern Glauben dadurch zu erwecken und zu stärken, weshalb sie auch Glauben
fordern und dann recht gebraucht werden, wenn man sie im Glauben empfängt und
den Glauben dadurch stärkt.
14. Vom
Kirchenregiment
Vom Kirchenregiment wird
gelehrt, daß niemand in der Kirche öffentlich lehren oder predigen oder
Sakramente reichen soll ohne ordentliche Berufung.
15. Von
Kirchenordnungen
Von Kirchenordnungen, von
Menschen gemacht, lehrt man diejenigen zu halten, die ohne Sünde gehalten
werden können und zu Frieden und guter Ordnung in der Kirche dienen, wie
gewisse Feiern, Feste und dergleichen. Doch geschieht Unterricht dabei, daß man
die Gewissen nicht damit beschweren soll, als sei solch Ding nötig zur
Seligkeit. Darüber hinaus wird gelehrt, daß alle Satzungen und Traditionen, von
Menschen dazu gemacht, daß man dadurch Gott versöhne und Gnade verdiene, dem
Evangelium und der Lehre vom Glauben an Christus entgegen sind. Deshalb sind
Klostergelübde und andere Traditionen vom Unterschied der Speise, Tage etc.,
wodurch man vermeint, Gnade zu verdienen und für Sünde genugzutun, untüchtig
und wider das Evangelium.
16. Von der Polizei
und weltlichem Regiment
Von Polizei und
weltlichem Regiment wird gelehrt, daß alle Obrigkeit in der Welt und geordnetes
Regiment und Gesetze gute Ordnung, von Gott geschaffen und eingesetzt sind, und
daß Christen in Obrigkeit, Fürsten- und Richteramt ohne Sünde sein, nach
kaiserlichen und anderen üblichen Rechten Urteil und Recht sprechen, Übeltäter
mit dem Schwert strafen, rechte Kriege führen, streiten, kaufen und verkaufen,
aufgelegte Eide tun, Eigenes (Eigentum) haben, ehelich sein etc. dürfen.
Hier
werden verdammt die Wiedertäufer, die lehren, daß der oben angezeigten [Dinge]
keines christlich sei. Auch werden diejenigen verdammt, die lehren, daß
christliche Vollkommenheit sei, Haus und Hof, Weib und Kind leiblich zu
verlassen
und sich der berührten (genannten) Stücke zu entäußern; da doch dies allein
rechte Vollkommenheit ist: rechte Furcht Gottes und rechter Glaube an Gott. Denn
das Evangelium lehrt nicht ein äußerliches, zeitliches, sondern innerliches,
ewiges Wesen und Gerechtigkeit des Herzens und stößt weltliches Regiment,
Polizei und Ehestand nicht um, sondern will, daß man solches alles halte als
wahrhaftige Gottesordnung, und in solchen Ständen christliche Liebe und rechte
gute Werke, ein jeder nach seinem Beruf, beweise. Deshalb sind die Christen
schuldig, der Obrigkeit untertan und ihren Geboten und Gesetzen gehorsam zu min
in allem, was ohne Sünde geschehen kann. Denn wenn der Obrigkeit Gebot ohne Sünde
nicht geschehen kann, soll man Gott mehr gehorsam sein als den Menschen Apg 5,
29.
17. Von der
Wiederkunft Christi zum Gericht
Auch wird gelehrt, daß
unser Herr Jesus Christus am jüngsten Tage kommen wird, zu richten und alle
Toten aufzuerwecken, den Gläubigen und Auserwählten ewiges Leben und ewige
Freude geben, die gottlosen Menschen aber und die Teufel in die Hölle und ewige
Strafe verdammen [wird].
Deshalb werden die Wiedertäufer verworfen, die lehren, daß die Teufel und
verdammten Menschen nicht ewige Pein und Qual haben werden. Ferner werden hier
auch etliche jüdische Lehren verworfen, die sich auch jetzt eräugen
(verbreiten),
daß vor der Auferstehung der Toten eitel Heilige, Fromme ein weltliches Reich
haben und alle Gottlosen vertilgen werden.
18. Vom freien Willen
Vom freien Willen wird
also gelehrt, daß der Mensch etlichermaß (einigermaßen) einen freien Willen
hat, äußerlich ehrbar zu leben und zu wählen unter den Dingen, die die
Vernunft begreift; aber ohne Gnade, Hilfe und Wirkung des Heiligen Geistes
vermag der Mensch nicht, Gott gefällig zu werden, Gott herzlich zu fürchten,
oder zu glauben, oder die angeborenen bösen Lüste aus dem Herzen zu werfen.
Sondern solches geschieht durch den Heiligen Geist, welcher durch Gottes Wort
gegeben wird. Denn Paulus spricht 1 Kor 2, 14: »Der natürliche Mensch vernimmt
nichts vom Geist Gottes«.
Und damit man erkennen möge,
daß hiermit keine Neuigkeit gelehrt wird, so sind das die klaren Worte
Augustins vom freien Willen, hier beigeschrieben aus dem dritten Buch
Hypognostikon: »Wir bekennen, daß in allen Menschen ein freier Wille ist; denn
sie haben ja alle natürlich angeborenen Verstand und Vernunft, nicht daß sie
etwas mit Gott zu handeln vermögen, wie: Gott von Herzen zu lieben, zu fürchten,
sondern allein in äußerlichen Werken dieses Lebens haben sie Freiheit, Gutes
oder Böses zu wählen. Mit >gut< meine ich, was die Natur vermag, wie:
auf dem Acker zu arbeiten oder nicht, zu essen, zu trinken, zu einem Freund zu
gehen oder nicht, ein Kleid an- oder auszutun, zu bauen, ein Weib zu nehmen, ein
Handwerk zu treiben und dergleichen etwas Nützliches und Gutes zu tun. Welches
alles doch ohne Gott nicht ist noch besteht, sondern alles aus ihm und durch ihn
ist. Dagegen kann der Mensch auch Böses aus eigener Wahl vornehmen wie: vor
einem Abgott niederknien, einen Totschlag tun etc.«
19. Von der Ursache
der Sünde
Von der Ursache der Sünde
wird bei uns gelehrt, daß, wiewohl Gott der Allmächtige die ganze Natur
geschaffen hat und erhält, so wirkt doch der verkehrte Wille die Sünde in
allen Bösen und Verächtern Gottes, wie es denn des Teufels und aller Gottlosen
Wille ist, welcher alsbald, da Gott die Hand abgetan, sich von Gott zum Argen
gewandt hat, wie Christus spricht Joh 8,44: »Der Teufel redet Lügen aus seinem
Eigenen«.
20. Vom Glauben und
von guten Werken
Den Unsern wird
mit Unwahrheit aufgelegt (zu Unrecht nachgesagt), daß sie gute Werke verbieten.
Denn ihre Schriften von den zehn Geboten und andere beweisen, daß sie von
rechten christlichen Ständen und Werken guten, nützlichen Bericht und
Ermahnung getan haben, wovon man vor dieser Zeit wenig gelehrt hat, sondern
allermeist in allen Predigten auf kindische, unnötige Werke, wie Rosenkränze,
Heiligendienst, Mönchwerden, Wallfahrten, festgesetzte Fasten, Feiern,
Bruderschaften etc. getrieben. Solche unnötigen Werke rühmt auch unser
Widerpart nun nicht mehr so hoch wie vorzeiten. Dazu haben sie auch gelernt, nun
vorn Glauben zu reden, wovon sie doch in Vorzeiten gar nichts gepredigt haben;
lehren dennoch nun, daß wir nicht allein aus Werken gerecht werden vor Gott,
sondern setzen den Glauben an Christus dazu, sprechen: Glaube und Werke machen
uns gerecht vor Gott; welche Rede etwas mehr Trost bringen mag, als wenn man
allein lehrt, aufs Werk zu vertrauen.
Weil nun die Lehre vom
Glauben, die das Hauptstück ist in christlichem Wesen, so lange Zeit, wie man
bekennen muß, nicht getrieben worden, sondern allein Werklehre an allen Orten
gepredigt [worden ist], ist davon durch die Unseren solcher Unterricht
geschehen:
Erstens, daß unsere Werke
nicht mit Gott versöhnen und Gnade erwerben können, sondern solches geschieht
allein durch den Glauben, wenn man glaubt, daß uns um Christi willen die Sünden
vergeben werden, welcher allein der Mittler ist, den Vater zu versöhnen. Wer
nun solches vermeint durch Werke auszurichten und Gnade zu verdienen, der
verachtet Christus und sucht einen eigenen Weg zu Gott wider das Evangelium.
Diese Lehre vom Glauben
ist öffentlich und klar bei Paulus an vielen Orten behandelt, besonders an die
Epheser 2‚ 8: »Aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben, und
dasselbe nicht aus euch, sondern es ist Gottes Gabe, nicht aus Werken, damit
sich niemand rühme etc.«
Und daß hierin kein
neues Verständnis eingeführt sei, kann man aus Augustinus beweisen, der diese
Sache fleißig behandelt und auch also lehrt, daß wir durch den Glauben an
Christus Gnade erlangen und vor Gott gerecht werden, und nicht durch Werke, wie
sein ganzes Buch »De spiritu cc Iitera« (Über den Geist und den Buchstaben)
ausweist.
Wiewohl nun diese Lehre
bei unversuchten Leuten sehr verachtet wird, so befindet (erweist) sich doch, daß
sie den blöden (zaghaften) und erschrockenen Gewissen sehr tröstlich und
heilsam ist. Denn das Gewissen kann nicht zu Ruhe sind Frieden kommen durch
Werke, sondern allein durch Glauben, wenn es bei sich gewißlich schließt
(feststellt), daß es um Christi willen einen gnädigen Gott habe, wie auch
Paulus spricht Röm 5,1: »So wir durch den Glauben sind gerecht geworden, haben
wir Ruhe und Frieden vor Gott«.
Diesen Trost hat man
vorzeiten nicht getrieben in Predigten, sondern die armen Gewissen auf eigene
Werke getrieben, und es sind mancherlei Werke vorgenommen [worden]. Denn
etliche hat das Gewissen in die Klöster gejagt, in der Hoffnung, daselbst
Gnade zu erwerben durch Klosterleben. Etliche haben andere Werke erdacht, damit
Gnade zu verdienen und für Sünde genugzutun. Viele derselben haben erfahren,
daß man dadurch nicht zum Frieden gekommen ist. Darum ist es nötig gewesen,
diese Lehre vom Glauben an Christus zu predigen und fleißig zu betreiben, damit
man wisse, daß man allein durch Glauben, ohne Verdienst, Gottes Gnade
ergreift.
Es geschieht auch
Unterricht, daß man hier nicht von solchem Glauben redet, den auch die Teufel
und Gottlosen haben, die auch die Historien glauben (Jak 2,19), daß Christus
gelitten habe und auferstanden sei von den Toten; sondern man redet vom wahren
Glauben, der da glaubt, daß wir durch Christus Gnade und Vergebung der Sünde
erlangen.
Und wer nun weiß, daß
er einen gnädigen Gott durch Christus hat, kennt also Gott, ruft ihn an und ist
nicht ohne Gott wie die Heiden. Denn Teufel und Gottlose glauben diesen
Artikel, Vergebung der Sünde, nicht; darum sind sie Gott feind, können ihn
nicht anrufen, nichts Gutes von ihm hoffen. Und also wie jetzt angezeigt ist,
redet die Schrift vom Glauben, und heißt nicht Glauben ein solches Wissen, das
Teufel und gottlose Menschen haben. Denn also wird vom Glauben gelehrt Hebt.
11,1, daß Glauben sei (bedeute): nicht allein die Historien wissen, sondern
Zuversicht haben zu Gott, seine Zusage zu empfangen. Und Augustinus erinnert uns
auch, daß wir das Wort »Glauben« in der Schrift verstehen sollen, daß es heiße:
Zuversicht zu Gott, daß er uns gnädig sei, und heiße nicht allein: solche
Historien wissen, wie auch die Teufel wissen.
Ferner wird gelehrt, daß
gute Werke geschehen sollen und müssen, nicht daß man darauf vertraue, Gnade
damit zu verdienen, sondern um Gottes willen und Gott zu Lobe. Der Glaube
ergreift allezeit allein Gnade und Vergebung der Sünde. Und weil durch den
Glauben der Heilige Geist gegeben wird, so wird auch das Herz geschickt, gute
Werke zu tun. Denn vorher, weil es ohne den Heiligen Geist ist, so ist es zu
schwach; dazu ist es in des Teufels Gewalt, der die arme menschliche Natur zu
viel Sünden treibt, wie wir sehen bei den Philosophen, welche sich unterstanden
(versucht haben), ehrlich und unsträflich zu leben, haben aber dennoch solches
nicht ausgerichtet, sondern sind in viele große öffentliche Sünden gefallen.
Also geht es mit dem Menschen, wenn er außerhalb des rechten Glaubens ohne den
Heiligen Geist ist und sich allein durch eigene menschliche Kraft regiert.
Deshalb ist diese Lehre
vom Glauben nicht zu schelten, daß sie gute Werke verbiete, sondern vielmehr
zu rühmen, daß sie lehre, gute Werke zu tun, und Hilfe anbiete, wie man zu
guten Werken kommen möge. Denn außerhalb des Glaubens und außerhalb Christi
ist menschliche Natur und Vermögen viel zu schwach, gute Werke zu tun, Gott
anzurufen, Geduld zu haben im Leiden, den Nächsten zu lieben, befohlene Ämter
fleißig auszurichten, gehorsam zu sein, böse Lust zu meiden etc. Solche hohen
und rechten Werke können nicht geschehen ohne die Hilfe Christi, wie er selber
spricht Joh 15,5: »Ohne mich könnt ihr nichts tun«.
21. Vom Dienst der
Heiligen
Vom Heiligendienst wird
von den Unseren also gelehrt, daß man der Heiligen gedenken soll, auf daß wir
unsern Glauben stärken, wenn wir sehen, wie ihnen Gnade widerfahren, auch wie
ihnen durch Glauben geholfen [worden] ist; dazu, daß man Exempel nehme von
ihren guten Werken, ein jeder nach seinem Beruf, gleichwie Kaiserliche Majestät
selig und göttlich dem Exempel Davids folgen mag, Krieg wider den Türken zu führen;
denn beide sind sie in königlichem Amt, welches Schutz und Schirm ihrer
Untertanen fordert. Durch Schrift aber kann man nicht beweisen, daß man die
Heiligen anrufen oder Hilfe bei ihnen suchen soll. »Denn es ist allein ein
einziger Versöhnen und Mittler gesetzt zwischen Gott und Menschen, Jesus
Christus« (1 Tim 2,5), welcher der einzige Heiland, der einzige oberste
Priester, Gnadenstuhl und Fürsprecher vor Gott ist (Röm 8,34). Und der hat
allein zugesagt, daß er unser Gebet erhören wolle. Das ist auch der höchste
Gottesdienst nach der Schrift, daß man denselben Jesus Christus in allen Nöten
und Anliegen von Herzen suche und anrufe: »So jemand sündigt, haben wir einen
Fürsprecher bei Gott, der gerecht ist, Jesus etc.« (1 Joh 2,1).
Dies ist fast (völlig)
die Summe der Lehre, welche in unseren Kirchen zu rechtem christlichen
Unterricht und Trost der Gewissen, auch zur Besserung der Gläubigen gepredigt
und gelehrt ist; wie wir denn unsere eigene Seele und Gewissen ja nicht gern
wollten vor Gott mit Mißbrauch des göttlichen Namens oder Wortes in die höchste
größte Gefahr setzen, oder auf unsere Kinder und Nachkommen eine andere Lehre,
als die, die dem reinen göttlichen Wort und christlicher Wahrheit gemäß
[ist], fällen (kommen lassen) oder vererben. So denn dieselbe in Heiliger
Schrift klar gegründet, und dazu allgemeiner christlicher, ja auch römischer
Kirche, soviel aus der Väter Schriften zu vermerken, nicht zuwider noch
entgegen ist, so achten wir auch (sind der Meinung), unsere Widersacher können
in oben angezeigten Artikeln nicht uneinig mit uns sein. Deshalb handeln
diejenigen
ganz unfreundlich, geschwind und wider alle christliche Einigkeit und Liebe, die
die Unseren deshalb als Ketzer abzusondern, zu verwerfen und zu meiden, sich
selbst ohne einigen beständigen Grund göttlicher Gebote oder Schrift
vornehmen. Denn die Irrung und Zank ist vornehmlich über etliche Traditionen
und Mißbräuche. So denn nun an den Hauptartikeln kein befindlicher Ungrund
(fehlende Begründung) oder Mangel, und dies unser Bekenntnis göttlich und
christlich ist, sollten sich billig die Bischöfe, wenn schon bei uns der
Tradition halber ein Mangel wäre, gelinder erzeigen, wiewohl wir hoffen, beständigen
Grund und Ursache darzutun, warum bei uns etliche Traditionen und Mißbräuche
geändert sind.
[nach oben]
II. ARTIKEL, VON WELCHEN ZWIESPALT IST, WO AUFGEZÄHLT
WERDEN DIE MISSBRÄUCHE, DIE GEÄNDERT SIND
Wenn nun
von den Artikeln des Glaubens in unseren Kirchen nicht wider die Heilige Schrift
oder die allgemeine christliche Kirche gelehrt wird, sondern allein etliche Mißbräuche
geändert sind, welche zum Teil mit der Zeit selbst eingerissen, zum Teil mit
Gewalt aufgerichtet [sind], fordert unsere Notdurft (Notwendigkeit), dieselben
zu erzählen (aufzuzählen) und Ursache anzuzeigen, warum hierin Änderung
geduldet ist, damit Kaiserliche Majestät erkennen möge, daß hierin nicht
unchristlich oder freventlich gehandelt [ist], sondern daß wir durch Gottes
Gebot, welches billig höher zu achten [ist] als alle Gewohnheit, gedrungen
sind, solche Änderung zu gestatten.
22. Von beiderlei
Gestalt des Sakrament
Den Laien
wird bei uns beiderlei Gestalt des Sakrament« gereicht, aus dieser Ursache:
Denn dies ist ein klarer Befehl und Gebot Christi, Mt a6, 27: »Trinket alle
daraus!«. Da gebietet Christus mit klaren Worten von dem Kelch, daß sie alle
daraus trinken sollen. Und damit niemand diese Worte anfechten und glossieren
(auslegen) könne, als gehöre es den Priestern allein zu, so zeigt Paulus 1 Kor
11,26 an, daß die ganze Versammlung der Korintherkirche beiderlei Gestalt
gebraucht hat. Und dieser Brauch ist lange Zeit in der Kirche geblieben, wie man
durch die Historie und der Väter Schriften beweisen kann. Cyprianus (gest. 258)
gedenkt (erwähnt) an vielen Orten, daß zu der Zeit den Laien der Kelch
gereicht sei. So spricht Sankt Hieronymus (gest. 420), daß die Priester, die
das Sakrament reichen, dem Volk das Blut Christi austeilen. So gebietet Gelasius,
der Papst (gest. 496) selbst, daß man das Sakrament nicht teilen soll. Man
findet auch nirgends einen Kanon, der da gebietet, allein e i n e Gestalt zu
nehmen. Es kann auch niemand wissen, wann oder durch wen diese Gewohnheit, e i n
e Gestalt zu nehmen, eingeführt [worden] ist, wiewohl der Kardinal Cusanus
(gest. 1464) gedenkt (erwähnt), wann diese Weise approbiert sei. Nun ist öffentlich
(ganz klar), daß solche Gewohnheit, wider Gottes Gebot, auch wider die alten
Canones eingeführt, unrecht ist. Deshalb hat sich nicht gebührt, derjenigen
Gewissen, die das heilige Sakrament nach Christi Einsetzung zu gebrauchen
begehrt haben, zu beschweren und sie zu zwingen, wider unseres Herrn Christi
Ordnung zu handeln. Und weil die Teilung des Sakraments der Einsetzung Christi
entgegen ist, wird auch bei uns die gewöhnliche Prozession mit dem Sakrament
unterlassen.
23. Vom Ehestand der
Priester
Es ist bei
jedermann, hohen und niederen Standes, eine große, mächtige Klage in der Welt
gewesen von großer Unzucht und wildem Wesen und Leben der Priester, die nicht
vermochten, Keuschheit zu halten, und es war auch je mit solchen greulichen
Lastern aufs höchste gekommen. Soviel häßliches, großes Ärgernis, Ehebruch
und andere Unzucht zu vermeiden, haben sich etliche Priester bei uns in den
ehelichen Stand begeben. Dieselben zeigen diese Ursache an, daß sie dahin gedrängt
und bewegt [worden] seien aus hoher Not ihrer Gewissen, nachdem die Schrift klar
meldet, der eheliche Stand sei von Gott dem Herrn eingesetzt, Unzucht zu
vermeiden, wie Paulus sagt: »Die Unzucht zu vermeiden habe ein jeglicher sein
eigenes Eheweib«, ferner: »Es ist besser, ehelich werden als brennen« (1 Kor
7,2 u. 9). Und nachdem Christus sagt Mt 19,11: »Sie fassen nicht alle das Wort«,
da zeigt Christus an, welcher wohl gewußt [hat], was am Menschen sei, daß
wenige Leute die Gabe, keusch zu leben, haben. »Denn Gott hat den Menschen, Männlein
und Fräulein, geschaffen« 1 Mose 1, 27. Ob es nun in menschlicher Macht oder
Vermögen sei, ohne besondere Gabe und Gnade Gottes, durch eigenes Vornehmen
oder Gelübde, Gottes, der hohen Majestät, Geschöpf besser zu machen oder zu
ändern, hat die Erfahrung allzu klar gegeben. Denn was an Gutem, was an
ehrbarem, züchtigem Leben, was an christlichem, ehrlichem oder redlichem Wandel
hei vielen daraus folgt, wie greuliche, schreckliche Unruhe und Qual ihrer
Gewissen viele an ihrem letzten Ende deshalb gehabt [haben], ist am Tage, und
ihrer viele haben es selbst bekannt. Wenn denn Gottes Wort und Gebot durch kein
menschliches Gelübde oder Gesetz geändert werden kann, haben aus diesen und
anderen Ursachen und Gründen die Priester und andere Geistliche Eheweiber
genommen.
So ist es
auch aus den Historien und der Väter Schriften zu beweisen, daß in der
christlichen Kirche vor alters der Brauch gewesen [ist], daß die Priester und
Diakone Eheweiber gehabt [haben]. Darum sagt Paulus 11 Tim 3,2: »Es soll ein
Bischof unsträflich sein, e i n e s Weibes Mann«. Es sind auch in deutschen
Landen erst vor vierhundert Jahren die Priester vom Ehestand mit Gewalt zum Gelübde
der Keuschheit abgedrungen (gezwungen worden), welche sich auch sämtlich so
ganz ernstlich und hart widersetzt haben, daß ein Erzbischof zu Mainz, welcher
das päpstliche neue Edikt deshalb verkündigte, beinahe in einer Empörung der
ganzen Priesterschaft in einem Gedränge umgebracht [worden] wäre (Siegfried
von Mainz 1075). Und dasselbe Verbot ist bald im Anfang so geschwind und
unschicklich vorgenommen [worden], daß der Papst zu der Zeit nicht allein die künftige
Ehe den Priestern verboten hat], sondern auch diejenigen Ehe, die schon in dem
Stande lange gewesen [waren], zerrissen, welches doch nicht allein wider alle göttlichen,
natürlichen und weltlichen Rechte, sondern auch den Canones (Rechtssätzen),
die die Päpste selbst gemacht [hatten], und den berühmtesten Konzilien ganz
entgegen und zuwider ist.
Auch ist
bei vielen hohen, gottesfürchtigen, verständigen Leuten der gleichen Rede und
Bedenken oft gehört [worden], daß solch gedrungener (erzwungener) Zölibat und
Beraubung des Ehestandes, welchen Gott selbst eingesetzt und freigelassen hat],
nie etwas Gutes, sondern viele große, böse Laster und viel Arges eingeführt
habe. Es hat auch einer von den Päpsten, Pius II. (gest. 1464) selbst, wie
seine Historie anzeigt, diese Worte oft geredet und von sich schreiben lassen:
Es möge wohl etliche Ursachen haben, warum den Geistlichen die Ehe verboten
sei; es habe aber viel höhere, größere und wichtigere Ursache, warum man
ihnen die Ehe wieder frei lassen sollte. Unzweifelhaft, es hat Papst Pius als
ein verständiger, weiser Mann dies Wort aus großem Bedenken geredet.
Deshalb
wollen wir uns in Untertänigkeit zu Kaiserlicher Majestät vertrösten, daß
Ihre Majestät als ein christlicher, hochlöblicher Kaiser gnädig beherzigen
werden, daß jetzt in den letzten Zeiten und Tagen, von welchen die Schrift
meldet, die Welt immer ärger und die Menschen gebrechlicher und schwächer
werden.
Deshalb
ist es wohl hochnötig, nützlich und christlich, diese fleißige Einsehung zu
tun (einsichtig zu sein), damit, wenn der Ehestand verboten [ist], nicht ärgere
und schändlichere Unzucht und Laster in deutschen Landen einreißen möchten.
Denn es wird diese Sache niemand je weiser oder besser ändern oder machen können
als Gott selbst, welcher den Ehestand, menschlicher Gebrechlichkeit zu helfen
und Unzucht zu wehren, eingesetzt hat.
So sagen
die alten Canones (Rechtssätze) auch, man müsse zuzeiten die Schärfe und
rigorem (Starrheit) lindern und nachlassen, um menschlicher Schwachheit willen
und um Ärgeres zu verhüten und zu meiden.
Nun wäre
das in diesem Falle auch wohl christlich und ganz hoch vonnöten. Was kann auch
der Priester und der Geistlichen Ehestand der allgemeinen christlichen Kirche
nachteilig sein, besonders der Pfarrer und anderer, die der Kirche dienen
sollen? Es wird wohl künftig an Priestern und Pfarrern mangeln, wenn dies harte
Verbot des Ehestandes länger währen sollte.
Da nun
dieses, nämlich daß die Priester und Geistlichen ehelich werden können, gegründet
ist auf das göttliche Wort und Gebot, dazu die Historien beweisen, daß die
Priester ehelich gewesen [sind], da auch das Gelübde der Keuschheit so viel häßliches,
unchristliches Ärgernis, so viel Ehebruch, schreckliche, unerhörte Unzucht und
greuliche Laster angerichtet hat, daß auch etliche redliche unter den Domherrn,
auch etliche Kurtisane zu Rom solches oft selbst bekannt und kläglich angezogen
(dargelegt haben), wie solches Laster im Klerus zu greulich und übermächtig
[sei und] Gottes Zorn würde erregt werden: so ist es je erbärmlich, daß man
den christlichen Ehestand nicht allein verboten, sondern ihn an etlichen Orten
aufs geschwindeste, wie um großer Übeltat willen, zu strafen sich unterstanden
hat, wo doch Gott in der Heiligen Schrift den Ehestand in allen Ehren zu haben
(halten) geboten hat. So ist auch der Ehestand in kaiserlichen Rechten und in
allen Monarchien, wo je Gesetz und Recht gewesen [sind], hoch gelobt. Allein zu
dieser Zeit beginnt man die Leute unschuldig, allein um der Ehe willen, zu
mattem, und noch dazu Priester, die man vor anderen schonen sollte; und [dies]
geschieht nicht allein wider göttliches Recht, sondern auch wider die Canones.
Paulus, der Apostel, nennt 1 Tim 4,1 u. 3 die Lehren, die die Ehe verbieten,
Teufelslehren. So sagt Christus selbst Joh 8,44, der Teufel sei ein Mörder von
Anbeginn, welches denn wohl damit zusammenstimmt daß es freilich Teufelslehren
sein müssen, die die Ehe verbieten und sich unterstehen solche Lehre mit
Blutvergießen zu erhalten.
Wie
aber kein menschliches Gesetz Gottes Gebot wegtun oder ändern kann, also kann
auch kein Gelübde Gottes Gebot ändern. Darum gibt auch St. Cyprianus den Rat,
daß die Weiber, die die gelobte Keuschheit nicht halten, ehelich werden sollen,
und sagt Epist 11 also: »Wenn sie aber Keuschheit nicht halten wollen oder
nicht vermögen, so ist‘s besser, daß sie ehelich werden, als daß sie durch
ihre Lust ins Feuer fallen, und sollen sich wohl vorsehen, daß sie den Brüdern
und Schwestern kein Ärgernis anrichten«.
Zudem,
so brauchen auch alle Canones große Gelindigkeit und Äquität (Billigkeit)
gegen diejenigen, die in der Jugend Gelübde getan [haben], wie denn Priester
und Mönche meistenteils in der Jugend in solchen Stand aus Unwissenheit
gekommen sind.
24. Von der Messe
Man legt
den Unsern mit Unrecht auf (wirft. . . vor), daß sie die Messe abgetan haben
sollen. Denn das ist offensichtlich, daß die Messe, ohne Ruhm zu reden, bei uns
mit größerer Andacht und Ernst gehalten wird als bei den Widersachern. So
werden auch die Leute mit höchstem Fleiß zum öfteren Mal unterrichtet vorn
heiligen Sakrament, wozu es eingesetzt und wie es zu gebrauchen sei, nämlich
die erschrockenen Gewissen damit zu trösten, wodurch das Volk zur Kommunion und
Messe gezogen wird. Dabei geschieht auch Unterricht wider andere unrechte Lehre
vom Sakrament. So ist auch in den öffentlichen Zeremonien der Messe keine
merkliche Änderung geschehen, außer daß an etlichen Orten deutsche Gesänge,
um das Volk damit zu lehren und zu üben, neben lateinischem Gesang gesungen
werden, zumal alle Zeremonien vornehmlich dazu dienen sollen, daß das Volk
daran lerne, was ihm von Christus zu wissen notwendig ist.
Nachdem
aber die Messe auf mancherlei Weise vor dieser Zeit mißbraucht [wurde], wie am
Tage ist, so daß ein Jahrmarkt daraus gemacht [worden ist], daß man sie
gekauft und verkauft hat und den größeren Teil in allen Kirchen um Geldes
willen gehalten [hat], ist solcher Mißbrauch zu mehreren Malen, auch vor dieser
Zeit, von gelehrten und frommen Leuten gestraft worden. Als nun die Prediger bei
uns davon gepredigt [haben] und die Priester an die schreckliche Bedrohung
erinnert [worden] sind, die denn billig einen jeden Christen bewegen soll, daß,
wer das Sakrament unwürdig gebraucht, der sei schuldig an Leib und Blut
Christi, darauf sind solche Kaufmessen und Winkelmessen, welche bisher aus Zwang
um Geldes und der Präbenden (Stiftungen) willen gehalten worden [sind], in
unsern Kirchen gefallen.
Dabei ist
auch der greuliche Irrtum gestraft, daß man gelehrt hat, unser Herr Christus
habe durch seinen Tod allein für die Erbsünde genuggetan und die Messe
eingesetzt zu einem Opfer für die anderen Sünden, und also die Messe zu einem
Opfer gemacht für die Lebendigen und Toten, dadurch Sünden wegzunehmen und
Gott zu versöhnen. Daraus ist weiter gefolgt, daß man disputiert hat ob eine
Messe, für viele gehalten, ebensoviel verdiene (Verdienste schaffe), als wenn
man für einen jeglichen eine besondere hielte. Daher ist die große unzählige
Menge der Messen gekommen, daß man mit diesem Werk bei Gott hat alles erlangen
wollen, dessen man bedurft hat, und daneben ist der Glaube an Christus und der
rechte Gottesdienst vergessen worden.
Darum ist
davon Unterricht geschehen, wie ohne Zweifel die Not gefordert [hat], daß man wüßte,
wie das Sakrament recht zu gebrauchen wäre. Und erstens: daß kein Opfer für
Erbsünde und andere Sünde da sei als der alleinige Tod Christi, zeigt die
Schrift an vielen Orten an. Denn also steht geschri5ben Hebräer 9,26, daß sich
Christus e i n m a 1 geopfert und dadurch für alle Sünde genuggetan hat. Es
ist gar eine unerhörte Neuigkeit in der Kirchenlehre, daß Christi Tod allein für
die Erbsünde, und nicht auch für andere Sünde sonst, genuggetan haben sollte.
Deshalb [ist] zu hoffen, daß männiglich (jedermann) verstehe, daß solcher
Irrtum nicht unbillig gestraft sei.
Zum
andern, so lehrt St. Paul, daß wir vor Gott Gnade erlangen durch Glauben und
nicht durch Werke. Dawider ist öffentlich (richtet sich offensichtlich) dieser
Mißbrauch der Messe, wenn man vermeint, durch dieses Werk Gnade zu erlangen,
wie man denn weiß, daß man die Messe dazu gebraucht, dadurch Sünde abzulegen
und Gnade und alle Güter bei Gott zu erlangen; nicht allein der Priester für
sich, sondern auch für die ganze Welt und für andere, Lebendige und Tote.
Zum
dritten, so ist das heilige Sakrament eingesetzt, nicht um damit für die Sünde
ein Opfer anzurichten — denn das Opfer ist zuvor (durch Christus) geschehen
—‚ sondern daß unser Glaube dadurch erweckt und die Gewissen getröstet
werden, welche durchs Sakrament vernehmen, daß ihnen Gnade und Vergebung der Sünde
von Christus zugesagt ist. Deshalb fordert dies Sakrament Glauben und wird ohne
Glauben vergeblich gebraucht.
Weil nun
die Messe nicht ein Opfer ist für andere, Lebendige oder Tote, ihre Sünde
wegzunehmen, sondern eine Kommunion sein soll, da der Priester und andere das
Sakrament für sich empfangen, so wird diese Weise bei uns gehalten, daß man an
Feiertagen, auch sonst, wenn Kommunikanten da sind, Messe hält und etliche, die
das begehren, kommuniziert. Also bleibt bei uns die Messe in ihrem rechten
Brauch, wie sie vorzeiten in der Kirche gehalten [wurde], wie man beweisen kann
aus St. Paul 1 Kor 11, dazu auch aus vieler Väter Schriften. Denn Chrysostomus
(gest. 407) spricht davon, wie der Priester täglich stehe und fordere etliche
zur Kommunion auf, etlichen verbiete er hinzuzutreten. Auch zeigen die alten
Canones an, daß einer das Amt gehalten und die anderen Priester und Diakonen
kommuniziert hat. Denn also lauten die Worte im Kanon (18) des Nicänums: Die
Diakonen sollen nach den Priestern ordentlich das Sakrament empfangen vom
Bischof oder Priester.
Wenn
man nun hierin keine Neuerung, die in der Kirche vor alters nicht gewesen [ist],
vorgenommen hat, auch in den öffentlichen Zeremonien der Messen keine merkliche
Änderung geschehen [ist], allein daß die anderen unnötigen Messen, etwa durch
einen Mißbrauch neben der Pfarrmesse gehalten weggefallen sind, soll billig
diese Weise, Messe zu halten, nicht als ketzerisch und unchristlich verdammt
werden. Denn man hat vorzeiten auch in den großen Kirchen, wo viel Volks
gewesen ist, auch auf die Tage, wo das Volk zusammenkam, nicht täglich Messe
gehalten, wie die »Tripartita historiae« Buch 9 anzeigt, daß man zu
Alexandria am Mittwoch und Freitag die Schrift gelesen und ausgelegt und sonst
alle Gottesdienste gehalten habe ohne die Messe.
25. Von der Beichte
Die
Beichte ist durch die Prediger dieses Teils (der Evangelischen) nicht abgetan.
Denn diese Gewohnheit wird bei uns gehalten, das Sakrament nicht zu reichen
denen, die nicht zuvor verhört und absolviert sind. Dabei wird das Volk fleißig
unterrichtet, wie tröstlich das Wort der Absolution sei, wie hoch und teuer die
Absolution zu achten [sei]. Denn es sei nicht des gegenwärtigen Menschen Stimme
oder Wort, sondern Gottes Wort, der die Sünde vergibt. Denn sie wird au Gottes
Statt und aus Gottes Befehl gesprochen. Von diesem Befehl und Gewalt der Schlüssel,
wie tröstlich, wie nötig sie sei den erschrockenen Gewissen, wird mit großem
Fleiß gelehrt; dazu, wie Gott fordert, dieser Absolution zu glauben, nicht
weniger, als wenn Gottes Stimme vom Himmel erschölle, und uns der Absolution fröhlich
zu trösten und zu wissen, daß wir durch solchen Glauben Vergebung der Sünde
erlangen. Von diesen nötigen Stöcken haben vorzeiten die Prediger, die von der
Beichte viel lehrten, nicht ein Wörtlein berührt, sondern allein die Gewissen
mit langer Erzählung der Sünden, mit Genugtun. mit Ablaß, mit Wallfahrten und
dergleichen gemartert. Und viele unserer Widersacher bekennen selbst, daß
dieses Teils (bei uns) von rechter christlicher Buße schicklicher als zuvor in
langer Zeit geschrieben und gehandelt sei.
Und es
wird von der Beichte also gelehrt, daß man niemanden drängen soll, die Sünden
namhaftig zu erzählen (namentlich aufzuzählen). Denn solches ist unmöglich,
wie der Psalm 19, 13 spricht: »Wer kennet die Missetat?« Und Jeremias 17,9
sagt: »Des Menschen Herz ist so arg, daß man‘s nicht auslernen kann«. Die
elende menschliche Natur steckt also tief in Sünden, daß sie dieselben nicht
alle sehen oder kennen kann, und sollten wir allein von denen absolviert werden,
die wir zählen können, wäre uns wenig geholfen. Deshalb ist es nicht nötig,
die Leute zu drängen, die Sünde namentlich aufzuzählen. Also haben es auch
die Väter gehalten, wie man findet in Dist. I. De poenitentia, wo die Worte des
Chrysostomus angezogen (angeführt) werden: »Ich sage nicht, daß du dich
selbst öffentlich dargeben noch bei einem andern dich selbst verklagen oder
schuldig geben sollst, sondern gehorche dem Propheten, welcher spricht:
Offenbare dem Herrn deine Wege. Deshalb beichte Gott, dem Herrn, dem
wahrhaftigen Richter, neben deinem Gebet. Nicht sage deine Sünden mit der
Zunge, sondern in deinem Gewissen«. Hier sieht man klar, daß Chrysostomus
nicht zwingt, die Sünden namentlich aufzuzählen. So lehrt auch die Glosse zu
dem [genannten] Dekret De poenitentia Dist. 5,1, daß die Beichte nicht durch
die Schrift geboten, sondern durch die Kirche eingesetzt sei. Doch wird durch
die Prediger dieses Teils (bei uns) fleißig gelehrt, daß die Beichte wegen der
Absolution, welche das Hauptstück und das Vornehmste darin ist, zum Trost der
erschrockenen Gewissen, dazu um etlicher anderer Ursache willen, beizubehalten
sei.
26. Vom Unterschied
der Speisen
Vorzeiten
hat man also gelehrt, gepredigt und geschrieben, daß Unterschied der Speisen
und dergleichen Tradition, von Menschen eingesetzt, dazu dienen, daß man
dadurch Gnade verdiene und für die Sünde genugtue. Aus diesem Grunde hat man täglich
neue Fasten, neue Zeremonien, neue [Mönchs]Orden und dergleichen erdacht und
auf solches heftig und hart getrieben (gedrängt), als seien solche Dinge nötige
Gottesdienste, wodurch man Gnade verdiene, wenn man‘s halte, und große Sünde
geschehe, wenn man‘s nicht halte. Daraus sind viele schädliche Irrtümer in
der Kirche gefolgt.
Erstens
ist dadurch die Gnade Christi und die Lehre vom Glauben verdunkelt, welche uns
das Evangelium mit großem Ernst vorhält, und es treibt (drängt) hart darauf,
daß man das Verdienst Christi hoch und teuer achte und wisse, daß Glauben an
Christus hoch und weit über alle Werke zu setzen sei. Deshalb hat St. Paulus
heftig wider das Gesetz Moses und menschliche Tradition gefochten, damit wir
lernen sollen, daß wir vor Gott nicht fromm werden aus unseren Werken, sondern
allein durch den Glauben an Christus, daß wir um Christi willen Gnade erlangen.
Solche Lehre ist dadurch schier (beinahe) ganz erloschen, daß man gelehrt hat,
Gnade zu verdienen mit festgesetztem Fasten, Unterschied der Speise, Kleidern
etc.
Zum
anderen haben solche Traditionen auch Gottes Gebot verdunkelt; denn man setzte
diese Traditionen weit über Gottes Gebot. Dies hielt man allein für
christliches Leben: wer die Feier also hielt, also betete, also fastete, also
gekleidet war, das nannte man geistliches, christliches Leben. Daneben hielt man
andere nötige gute Werke für ein weltliches, ungeistliches Wesen, nämlich
diese, die jeder nach seinem Beruf zu tun schuldig ist, wie z. B.; daß der
Hausvater arbeitet, um Weib und Kind zu ernähren und zur Gottesfurcht
aufzuziehen, die Hausmutter Kinder gebiert und ihrer wartet, ein Fürst und
Obrigkeit Land und Leute regiert etc. Solche Werke, von Gott geboten, mußten
ein weltliches und unvollkommenes Wesen sein; aber die Traditionen mußten den
prächtigen Namen haben, daß sie allein heilige, vollkommene Werke hießen.
Deshalb war kein Maß noch Ende, solche Traditionen zu machen.
Zum
dritten, solche Traditionen sind zu hoher Beschwerung der Gewissen geraten. Denn
es war nicht möglich, alle Traditionen zu halten, und doch waren die Leute der
Meinung, als wäre solches ein nötiger Gottesdienst. Und Gerson (gest. 1429)
schreibt, daß viele hiermit in Verzweiflung gefallen [seien], etliche haben
sich auch selbst umgebracht, deshalb, weil sie keinen Trost von der Gnade
Christi gehört haben. Denn wie die Gewissen verwirrt wurden;, sieht man bei den
Summisten und Theologen, welche sich unterstanden haben, die Traditionen
zusammenzuziehen, und Äquität (rechtes Maß) gesucht [haben], daß sie den
Gewissen hülfen; sie haben so viel damit zu tun gehabt, daß derweil alle
heilsame christliche Lehre von nötigeren Sachen, wie vom Glauben, vorn Trost in
hohen Anfechtungen und dergleichen, daniedergelegen ist. Darüber haben auch
viele fromme, gelehrte Leute vor dieser Zeit sehr geklagt, daß solche
Traditionen viel Zank in der Kirche anrichten, und daß fromme Leute, damit
verhindert, nicht zur rechten Erkenntnis Christi kommen konnten. Gerson und
etliche mehr haben heftig darüber geklagt. Ja, es hat auch Augustinus mißfallen,
daß man die Gewissen mit so viel Tradition beschwert [hat]. Deshalb gibt er
dabei Unterricht, daß man‘s nicht für nötige Dinge halten soll.
Darum
haben die Unsern nicht aus Frevel oder Verachtung geistlicher Gewalt von diesen
Sachen gelehrt, sondern es hat die hohe Not gefordert, von obangezeigten Irrtümern
Unterricht zu tun, welche aus Mißverstand der Tradition gewachsen sind. Denn
das Evangelium zwingt dazu, daß man in der Kirche die Lehre vom Glauben treiben
soll und muß, welche doch nicht verstanden werden kann, wenn man meint, durch
eigene gewählte Werke Gnade zu verdienen.
Und
davon ist also gelehrt, daß man durch das Halten gedachter menschlicher
Tradition nicht Gnade verdienen oder Gott versöhnen oder für die Sünde
genugtun kann. Und es soll deshalb kein nötiger Gottesdienst daraus gemacht
werden.
Dazu wird
Ursache aus der Schrift angezogen (angeführt).
(Es
folgt ein eingehender Schriftbeweis)
Daneben
wird auch gelehrt, daß ein jeglicher schuldig ist, sich mit leiblicher Übung,
wie Fasten und anderer Arbeit, so zu halten, daß er nicht Ursache zu
Sünden gebe, [aber] nicht daß er mit solchen Werken Gnade verdiene. Diese
leibliche Übung soll nicht allein etliche bestimmte Tage, sondern stetig
getrieben weiden. (Es folgt ein Schriftbeweis).
Auch werden
dieses Teils (bei uns) viele Zeremonien und Traditionen gehalten, wie: Ordnung
der Messe und andere Gesänge, Feste etc., welche dazu dienen, daß in der
Kirche Ordnung gehalten werde. Daneben aber wird das Volk unterrichtet, daß
solcher äußerlicher Gottesdienst nicht fromm macht vor Gott, und daß man es
ohne Beschwerung des Gewissens halten soll, so daß, wenn man es unterläßt
ohne Ärgernis, nicht daran gesündigt wird. Diese Freiheit in äußerlichen
Zeremonien haben auch die alten Väter gehalten.
(Es folgen Verweise auf die altkirchliche Praxis).
27. Von Klostergelübden
Von
Klostergelübden zu reden ist notwendig;, erstens, um zu bedenken, wie es bisher
damit gehalten [wurde], welches Wesen (welche Zustände) in Klöstern gewesen
und daß sehr viel darin täglich nicht allein wider Gottes Wort, sondern auch päpstlichen
Rechten zuwider gehandelt ist. Denn zu St. Augustins Zeiten sind Klosterstände
frei gewesen; später, da die rechte Zucht und Lehre zerrüttet [war], hat man
Klostergelübde erdacht und damit eben als mit einem erdachten Gefängnis die
Zucht wiederum aufrichten wollen.
Überdies
hat man neben den Klostergelübden viele andere Stücke mehr aufgebracht und mit
solchen Banden und Beschwerden ihrer viele, auch vor gebührenden Jahren,
beladen.
So sind
auch viele Personen aus Unwissenheit zu solchem Klosterleben gekommen, welche,
wiewohl sie sonst nicht zu jung gewesen [sind], doch ihr Vermögen (ihre Fähigkeiten)
nicht genug ermessen noch verstanden haben. Dieselben alle, also verstrickt und
verwickelt, sind gezwungen und gedrungen gewesen, in solchen Banden zu bleiben,
ungeachtet dessen, daß auch das päpstliche Recht ihrer viele freigibt. Und das
ist in Jungfrauenklöstern noch beschwerlicher gewesen als in Mönchsklöstern,
während sich doch geziemt hätte, die Weibsbilder als die Schwachen zu
verschonen. Dieselbe Strenge und Härte hat auch vielen frommen Leuten in
Vorzeiten mißfallen; denn sie haben wohl gesehen, daß beide, Knaben und Mädchen,
um Erhaltung des Leibes willen (zur Versorgung) in die Klöster gesteckt worden
sind. Sie haben auch wohl gesehen, wie übel dasselbe Vornehmen geraten ist, was
für Ärgernis, was für Beschwerung der Gewissen es gebracht [hat], und viele
Leute haben geklagt, daß man in solcher gefährlichen Sache die Canones so gar
nicht geachtet [hat]. Zudem so hat man eine solche Meinung von den Klostergelübden,
die unverborgen (offensichtlich) auch vielen Mönchen übel gefallen hat, die
ein wenig Verstand gehabt haben.
Denn sie
gaben vor, daß Klostergelübde der Taufe gleich wären und daß man mit dem
Klosterleben Vergebung der Sünden und Rechtfertigung vor Gott verdiene. Ja, sie
setzten noch mehr dazu, daß man mit dem Klosterleben nicht allein Gerechtigkeit
und Frömmigkeit verdiente, sondern auch, daß man damit die Gebote und Räte,
im Evangelium verfaßt, hielte, und also wurden die Klostergelübde höher
gepriesen als die Taufe; ferner, daß man mit dem Klosterleben mehr verdiente
als mit allen anderen Ständen, die von Gott sind, wie Pfarrer. und
Predigerstand, Obrigkeit-, Fürsten-, Herrenstand und dergleichen, die alle nach
Gottes Gebot, Wort und Befehl ihrem Beruf ohne erdichtete Geistlichkeit dienen;
wie denn keins dieser Stücke verneint werden kann, denn man findet‘s in ihren
eigenen Büchern. Überdies, wer also gefangen und ins Kloster gekommen [war],
lernte wenig von Christus ...
(Im
folgenden wird dargelegt, daß Klostergelübde Gottes Schöpfungsordnung nicht
aufheben können, die lautet: »Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei;
ich will ihm eine Gehilfin machen« (Gen 2, 8). Jeder Mensch hat daher das Recht
und die Möglichkeit zu heiraten; und das Gelübde ewiger Keuschheit, zumal wenn
es zu früh und nicht in völliger Freiheit abgelegt wird, ist nicht bindend.
Ferner wird noch einmal betont, daß der Mensch durch das Halten von Klostergelübden
keine Gerechtigkeit vor Gott erwerben kann. Da dies jedoch normalerweise das
Ziel ist, schmälern die Gelübde die Gnade Christi und wenden sich gegen Gottes
Gebot.)
Überdies
werden auch die Gebote Gottes und der rechte und wahre Gottesdienst dadurch
verdunkelt, wenn die Leute hören, daß allein die Mönche im Stande der
Vollkommenheit sein sollen. Denn die christliche Vollkommenheit ist, daß man
Gott von Herzen und mit Ernst fürchtet, und doch auch eine herzliche Zuversicht
und Glauben, auch Vertrauen faßt, daß wir um Christi willen einen gnädigen,
barmherzigen Gott haben, daß wir von Gott bitten und begehren können und
sollen, was uns not ist, und Hilfe von ihm in allen Trübsalen gewißlich, nach
eines jeden Beruf und Stand erwarten, daß wir auch indes mit Fleiß äußerlich
gute Werke tun und unseres Berufs warten (ihn ausüben) sollen. Darin besteht
die rechte Vollkommenheit und der rechte Gottesdienst, nicht in Betteln oder in
einer schwarzen oder grauen Kappe...
(Im
folgenden wird aufgezeigt, wie das Volk durch diese Vollkommenheitslehre zu völlig
falschen Vorstellungen über Gottes Gebot gekommen ist.)
Nun ist ja
das ein guter und vollkommener Stand des Lebens, welcher Gottes Gebot für sich
hat; das aber ist ein gefährlicher Stand des Lebens, welcher Gottes Gebot nicht
für sich hat. Von solchen Sachen ist es vonnöten gewesen den Leuten guten
Bericht zu tun. . . So viele gottlose Meinungen und Irrtümer kleben an den
Klostergelübden: daß sie rechtfertigen und fromm vor Gott machen sollen, daß
sie die christliche Vollkommenheit sein sollen, daß man damit beide, des
Evangeliums Räte und Gebote, halte, und daß sie die Übermaßwerke haben, die
man Gott nicht schuldig sei. Weil denn solches alles falsch, eitel und erdichtet
ist, so macht es auch die Klostergelübde nichtig und unbündig (nicht bindend).
28. Von der Bischöfe
Gewalt
Von der
Bischöfe Gewalt ist vorzeiten viel und mancherlei geschrieben [worden], und
etliche haben unschicklich die Gewalt der Bischöfe und das weltliche Schwert
untereinandergemengt, und es sind aus diesem unordentlichen Gemenge sehr
große Kriege, Aufruhr und Empörung erfolgt, aus dem, daß die Bischöfe im
Schein ihrer Gewalt, die ihnen von Christus gegeben, nicht allein neue
Gottesdienste angerichtet haben und mit Vorbehalt etlicher Fälle und mit
gewaltsamem Bann die Gewissen beschwert, sondern sich auch unterwunden [haben],
Kaiser und Könige zu setzen und zu entsetzen nach ihrem Gefallen; welchen
Frevel auch lange Zeit hiervor gelehrte und gottesfürchtige Leute in der
Christenheit gestraft haben. Deshalb sind die Unsern zum Trost der Gewissen
gezwungen worden, den Unterschied der geistlichen und weltlichen Gewalt,
Schwertes und Regimentes anzuzeigen, und haben gelehrt, daß man beide Regimente
und Gewalten, um Gottes Gebots willen mit aller Andacht ehren und wohl halten
soll als zwei höchste Gaben Gottes auf Erden.
Nun lehren
die Unsern also, daß die Gewalt der Schlüssel oder der Bischöfe sei, laut des
Evangeliums: eine Gewalt (Vollmacht) und ein Befehl Gottes, das Evangelium zu
predigen, die Sünde zu vergeben und zu behalten, und die Sakramente zu reichen
und zu handeln (vollziehen). Denn Christus hat die Apostel mit diesem Befehl
ausgesandt Joh 20,21-23: »Gleichwie mich mein Vater gesandt hat, also sende ich
euch auch. Nehmet hin den heiligen Geist! Welchen ihr ihre Sünden erlassen
werdet, denselben sollen sie erlassen sein, und denen ihr sie vorbehalten
werdet, denen sollen sie vorbehalten sein«.
Diese
Gewalt der Schlüssel oder der Bischöfe übt und treibt man allein mit der
Lehre und Predigt des Wortes Gottes und mit Handreichung der Sakramente gegenüber
vielen oder einzelnen Personen, danach der Beruf ist (je nach Auftrag). Denn
damit werden gegeben nicht leibliche, sondern ewige Dinge und Güter, als nämlich
ewige Gerechtigkeit, der Heilige Geist und das ewige Leben. Diese Güter kann
man anders nicht erlangen, als durch das Amt der Predigt und durch die
Handreichung der heiligen Sakramente. Denn St. Paulus spricht (Röm 1,16): »Das
Evangelium ist eine Kraft Gottes, selig zu machen alle, die daran glauben.«
Weil nun die Gewalt der Kirche oder Bischöfe ewige Güter gibt und sie allein
durch das Predigtamt geübt und getrieben wird, so hindert sie die Polizei und
das weltliche Regiment in keiner Weise. Denn das weltliche Regiment geht mit
viel anderen Sachen um als das Evangelium; die weltliche Gewalt schützt nicht
die Seele, sondern Leib und Gut wider äußerliche Gewalt mit dem Schwert und
leiblichen Penen (Strafen).
Darum soll
man die zwei Regimente, das geistliche und weltliche, nicht ineinander mengen
und werfen. Denn die geistliche Gewalt hat ihren Befehl, das Evangelium zu
predigen und die Sakramente zu reichen; sie soll auch nicht in ein fremdes Amt
fallen, soll nicht Könige setzen und entsetzen, soll weltliches Gesetz und
Gehorsam der Obrigkeit gegenüber; nicht aufheben oder zerrütten, soll
weltlicher Gewalt nicht Gesetze von weltlichen Händeln machen und aufstellen,
wie denn auch Christus selbst gesagt hat (Joh 18, 36): »Mein Reich ist nicht
von dieser Welt« . . - (Es folgen weitere
Schriftzitate.)
Diesergestalt
unterscheiden die Unsern die Ämter beider Regimente und Gewalten und heißen
sie beide als die höchsten Gaben Gottes auf Erden in Ehren halten.
Wo aber die
Bischöfe weltliches Regiment und Schwert haben, so haben sie dieselben nicht
als Bischöfe aus göttlichen Rechten, sondern aus menschlichen, kaiserlichen
Rechten, geschenkt von römischen Kaisern und Königen, zu weltlicher Verwaltung
ihrer Güter, und das geht das Amt des Evangeliums gar nichts an.
Deshalb
ist das bischöfliche Amt nach göttlichen Rechten: das Evangelium predigen, Sünde
vergeben, Lehre beurteilen und die Lehre, die dem Evangelium entgegen [ist],
verwerfen und die Gottlosen, deren gottloses Wesen offenbar ist, aus der
christlichen Gemeinde ausschließen, ohne menschliche Gewalt, sondern allein
durch Gottes Wort. Und in diesen Fällen sind die Pfarrleute und Kirchen
schuldig, den Bischöfen gehorsam zu sein, laut dieses Spruches Christi Lk
in10,16: »Wer euch hört, hört mich.« Wo sie aber etwas dem Evangelium
entgegen lehren, setzen oder aufrichten, haben wir Gottes Befehl in solchem
Fall, daß wir nicht gehorsam sein sollen, Mt 7,15: »Seht euch vor vor den
falschen Propheten.« Und St. Paulus Gal 1, 8: »Wenn auch wir oder ein Engel
vom Himmel euch ein anderes Evangelium predigen würde, als das wir euch
gepredigt haben, der sei verflucht.« ... Und St. Augustin schreibt in der
Epistel wider Petilianum: »Man soll auch den Bischöfen, die ordentlich gewählt
(sind], nicht folgen, wo sie irren oder etwas wider die heilige göttliche
Schrift lehren oder ordnen. «
(Im
folgenden werden kirchliche Rechtsordnungen behandelt, wie Ehegerichtsbarkeit,
Speise- und Fastenregeln, Feiertage, Einführung neuer Heiliger etc. Zwar haben
die Bischöfe die Aufgabe, der Kirche eine Ordnung zu geben; doch das soll in
christlicher Freiheit geschehen und nicht so, daß die Gewissen dadurch belastet
werden.)
St. Petrus
verbietet den Bischöfen die Herrschaft, als hätten sie Gewalt, die Kirchen zu
zwingen, wozu sie wollten. Jetzt geht man [bei uns] nicht damit um, wie man den
Bischöfen ihre Gewalt nehme, sondern man bittet und begehrt, sie wollten die
Gewissen nicht zu Sünden zwingen. Wenn sie aber solches nicht tun werden und
diese Bitte verachten, so mögen sie gedenken, wie sie deshalb Gott Antwort
werden geben müssen, weil sie mit solcher ihrer Härtigkeit Ursache gelten zu
Spaltung und Schisma, das sie doch billig sollen verhüten helfen.
SCHLUSS
Dies sind
die vornehmsten Artikel, die für strittig geachtet werden ... wir haben allein
die Stücke aufgezählt, die wir für nötig anzuziehen (anzuführen) und zu
vermelden geachtet haben, damit man daraus desto besser zu vernehmen habe, daß
bei uns nichts, weder mit Lehre noch mit Zeremonien, angenommen ist, das
entweder der heiligen Schrift oder der allgemeinen christlichen Kirche entgegen
wäre. Denn es ist ja am Tage und öffentlich, daß wir mit allem Fleiß, mit
Gottes Hilfe — ohne Ruhm zu reden — verhütet haben, damit ja keine neue und
gottlose Lehre sich in unseren Kirchen einflechte, einreiße oder überhandnehme.
Die
obgemeldeten Artikel haben wir dem [kaiserlichen] Ausschreiben nach übergeben
wollen, zu einer Anzeigung unseres Bekenntnisses und der Unseren Lehre. Und wenn
es jemand [für nötig] befinden würde, der daran Mangel hätte, dem ist man
erbötig, ferneren Bericht mit Grund göttlicher heiliger Schrift zu tun.
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