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Die christliche Bestattung

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1. Einleitung

„Verunglückte Schülerin im Weltraum bestattet“. Unter dieser Überschrift konnte man im idea-spectrum 4/2000 etwas über die erste „Bestattung“ einer Deutschen in der Erdumlaufbahn lesen. Eine „etwa lippenstiftgroße Urne“ mit Teilen ihrer Asche wurde von Kalifornien aus mit einer Rakete in den Orbit befördert, umrundet die Erde in 90 Minuten einmal und wird in ca. 100 Jahren beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre endgültig verglühen. Die vollständige Asche jener sechzehnjährigen Nichtchristin wird in einer so kleinen Urne nicht unterzubringen gewesen sein, so daß man davon ausgehen muß, daß die restliche Asche verstreut wurde. Als Aufschrift steht auf der Urne: „Das Ende ist erst der Anfang“. „Die Verwandten haben nun die Möglichkeit, sich überall auf der Welt beim Betrachten des Sternenhimmels mit Carola verbunden zu fühlen“, so ihr Vater. Es wird mit wachsender Nachfrage gerechnet: „Im Zuge der Esoterikwelle schwappt die Sehnsucht nach einer Ruhestätte bei den Sternen nach Deutschland herüber. Der Europakoordinator der Weltraumbestattungen anbietenden Firma erlebt „größere Zurückhaltung ... lediglich in streng katholischen Gegenden.“ Was sagen nun die Kirchen laut idea-spectrum dazu?

 „Die Entscheidung übe die Form der Beisetzung liege bei den Trauernden und solle respektiert werden“, so der Sprecher der Evangelischen Landeskirche in Württemberg. Problematisch könnte für die Hinterbliebenen nur werden, daß ein Grab als „greifbarer Ort des Abschiednehmens fehle, was aber auch auf die kirchlich akzeptierte Seebestattung zuträfe.

Der Pressereferente der Katholischen Kirche in Stuttgart mahnte an, daß Weltraumbestattungen nicht als Gag oder aus Sensationsgier veranstaltet werden dürften. Zudem wird auch hier ein fehlendes Grab als problematisch gesehen.

Wie es demnach scheint, stößt die Erdumlaufbahn als letzte Ruhestätte auf keine grundsätzlichen Bedenken der Kirchen.

Wir wollen diese Zeitungsnotiz zum Anlaß nehmen, über die christliche Bestattung nachzudenken. Wenn man heute weitgehend meint, jeder müsse nach seiner eigenen Façon selig und eben auch bestattet werden, wollen wir wissen, was über die Bestattung in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift und der christlichen Tradition von der Kirche gelehrt wird.

Wie es demnach scheint, stößt die Erdumlaufbahn als letzte Ruhestätte heutzutage auf keine grundsätzlichen Bedenken der Kirchen.

Wir wollen diese Zeitungsnotiz zum Anlaß nehmen, über die christliche Bestattung nachzudenken. Wenn man heute weitgehend meint, jeder müsse nach seiner eigenen Façon selig und eben auch bestattet werden, wollen wir wissen, was über die Bestattung in Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift und der christlichen Tradition von der Kirche gelehrt wird.

Forscher, die an eine Abstammung des Menschen aus dem Tierreich glauben, haben sich Gedanken darüber gemacht, wann man noch vom Tier sprechen muß und ab wann man vom Menschen reden kann. Viele von ihnen sprechen von da an von „Menschen“, wenn „Menschenaffen“ ihre Verstorbenen nicht mehr einfach so in der Savanne liegenließen und weiterzogen, sondern sich um sie in irgendeiner Art und Weise kümmerten - sei es, daß sie sie begruben oder sie mit Steinen bedeckten, um sie vor den Hyänen und Geiern zu schützen.

Man lernt nie mehr über eine Kultur, als wenn man ihren Umgang mit den Verstorbenen betrachtet. Der Umgang mit den Toten lehrt uns unendlich viel über den Glauben und das Hoffen der Völker. Zwei Beispiele aus dem Raum des Mittelmeeres: 

Die Ägypter trieben einen ausgeklügelten Totenkult, zu dem auch große Mühen um den Erhalt des Körpers des Toten gehörten. Man glaubte, daß jeder Mensch einen „Ka“ besaß, ein mythisches Abbild seiner selbst, durch das er am Leben erhalten werde. Mit dem Tode trennten sich dann Leib und „Ka“. Doch der (oder das) „Ka“ brauchte den Leib auch weiterhin. Darum wurde der Körper eines Toten sorgfältig vor dem Verfall durch Mumifizieren geschützt. 

Im Gegensatz dazu sahen die antiken Griechen und Römer den Leib als Gefängnis der Seele an. Die Seele war „das Eigentliche“ am Menschen und mußte vom Körper befreit werden um richtig selig sein zu können. Darum wurde in der griechischen und römischen Antike der Körper eines Toten durch Verbrennen zerstört. 

Die westlich-neuzeitliche Art, mit Toten umzugehen, lehrt uns ebenfalls unendlich viel über Hoffen und Denken unserer Zeit. Man betrachtet zum Beispiel Hirntote als potentielle Ersatzteillager menschlicher Organe. Die an Zahl zunehmenden sogenannten „anonymen Beisetzungen“, bei der der Tote verbrannt und die Urne dann an unbekannter Stelle verscharrt wird, empfinde ich wie die Entsorgung von Abfall. Erstaunlich ist, daß die so Beigesetzten oft noch Angehörige haben. Aber schon bei Lebzeiten wird oft festgelegt – oder nach dem Sterben von den Angehörigen – daß man anonym beigesetzt werden möchte, um den Angehörigen „nicht zur Last zu fallen“ und/oder um die „Kosten niedrig zu halten“. Freilich ist in der heutigen mobilen Gesellschaft das mit der Grabpflege oft schwierig. Wenn man aus beruflichen oder anderen Gründen umziehen muß, ist es von Vorteil, nicht noch für Gräber sorgen zu müssen. Insgesamt sehe ich die neuzeitlichen Tendenzen unserer Sterbe- und Beisetzungskultur als typische Symptome der heutigen Wegwerfgesellschaft: Ein Mensch hat mehr oder weniger Leistung gebracht, wenn er tot ist und auch als Organspender nicht mehr zu gebrauchen ist, sieht man zu, wie man den Leichnam ohne große Umstände und Kosten entsorgen kann. 

Es gibt freilich auch das andere Extrem in unseren Tagen: übertriebener Grab- und Totenkult, der jedoch ebenfalls von Hoffnungslosigkeit und Trostlosigkeit der Trauernden beredtes Zeugnis ablegt.

Wir fragen angesichts dessen, daß der Umgang mit den Verstorbenen Glaube, Hoffnung und Liebe offenbar macht: Gibt es einen speziell christlichen Umgang mit den Verstorbenen? Wir wollen wissen, was gemäß der Heiligen Schrift und der christlichen Tradition von der Kirche dazu gelehrt wird.
 

2. Die christliche Hoffnung

Wir erleben den Tod zuallererst als den Tod anderer. Uns ist es im Grunde unvorstellbar sinnlos, daß wir auch sterben müssen und einmal „nicht mehr da“ sind. Die Angst vor dem Tod wird heute durch die von den Medien verbreiteten Nachrichten vom (vermeintlich) sinnlosen und grausamen Sterben anderer durch Krieg, Terror Unfälle Morde und Naturkatastrophen gesteigert. Aus Angst vor dem Sterben schirmen sich viele vor Krankheit, Alter und Tod ab. Seniorenheime, Krankenhäuser, Hospize und Beerdigungsinstitute nehmen die Sorge um Alte, Kranke, Sterbende und Tote ab. Auf diese Weise wird Verfall und Tod nicht aus der Welt geschafft, aber man muß sie weniger zur Kenntnis nehmen und kann den Gedanken an das eigene Verlöschen weitgehend verdrängen. 

In allen Kulturen gibt es die Frage nach dem Sinn des Lebens und des Todes und es gibt überall die Antwort der Religionen und Philosophien. Das gilt auch für die Materialisten unserer Tage, für die der Tod absolut sinnlos und darum dieses Leben alles ist. Infolgedessen müssen sie auch alles und das sofort haben und werden immer von der Angst gequält, irgend etwas verpassen zu können.

Letzter Grund für den Glauben und die Hoffnung des Christen angesichts des Todes sind Tod und Auferstehung Jesu Christi. Sein gewaltsamer und für menschliches Verstehen sinnloser Tod war Durchgang in ein neues Leben. „Den aber, der »eine kleine Zeit niedriger gewesen ist als die Engel«, Jesus, sehen wir durch das Leiden des Todes »gekrönt mit Preis und Ehre«; denn durch Gottes Gnade sollte er für alle den Tod schmecken.“[1] Sein Tod war des Todes Tod: Überwindung und Entmachtung des Todes und dessen, der Gewalt über den Tod hatte, nämlich des Teufels. Er erlöste die, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben Knechte sein mußten.[2] In den Sakramenten teilt Jesus den Seinen bereits jetzt von Seinem neuen Leben mit und macht ihnen dadurch deutlich, daß die Macht des Todes für sie gebrochen ist. „Wie das von der Erde stammende Brot, wenn es die Anrufung Gottes empfängt, nicht mehr gewöhnliches Brot ist, sondern die Eucharistie, die aus zwei Elementen, einem irdischen und einem himmlischen besteht, so gehören unsere Leiber, wenn sie die Eucharistie empfangen, nicht mehr der Verweslichkeit an, sondern haben die Hoffnung auf Auferstehung.“[3] Darum lobt die Kirche Gott voll Hoffnung: „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“[4]  

Doch auch für den Gläubigen, der weiß, daß Sterben ein Übergang ist, behält der Tod den Gesichtspunkt des Dunkels und der Unsicherheit. Wenn er auch nicht wegen der Angst vor dem Tod sein ganzes Leben lang Knecht sein muß, so bleibt doch Angst. Der Mensch braucht also auf dem letzten Abschnitt seines Lebens menschliche und christliche Hilfe. Der Christ stirbt zwar allein, aber er stirbt als Glied der Kirche Jesu Christi. Ein Christ darf beim Hinübergehen auf den Beistand der Kirche zählen und ihre Liebe und Fürsorge erleben. Die Kirche ist mehr als die Gemeinschaft der auf Erden Lebenden. Sterben ist Übergang. Es ist ein- und dieselbe Kirche, die hier von einem ihrer Glieder Abschied nimmt und die es „drüben“ empfängt. Durch Wort, Sakramente und Gebete kann man auch sterbend noch erfahren, daß man nicht aus der Liebe der Menschen und Gottes entlassen ist. Da die Kirche Jesu Christi sich mit allen ihren Gliedern verbunden weiß, hört ihre Sorge um den Menschen mit dem Tod nicht auf. Für gewöhnlich hält man die Totenwache für Verstorbene, ihr Leib wird in einer eigenen gottesdienstlichen Feier bestattet, man nimmt sich ihrer fürbittend in den Gottesdiensten und Gebeten an. Die Sorge der Kirche gilt natürlich gleichfalls den Hinterbliebenen.

Christen sollen nicht trauern wie „die andern, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, daß Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einherführen.“[5]
 

3. Die Bestattung in der Bibel

Als Grundsatz für das Verhalten gegenüber einem Verstorbenen auch hinsichtlich seiner Bestattung kann für die gesamte biblische Zeit gelten: „Erweise auch den Toten deine Freundlichkeit.“[6] Wenn Jesus sagt: „Laß die Toten ihre Toten begraben.“[7], meint er nicht, daß die Sorge um die Verstorbenen an sich schlecht sei, sondern lediglich, daß die Berufung in seine Nachfolge den Menschen mehr verpflichtet als die Pietät gegenüber den toten Eltern.

Die Israeliten, wie alle anderen semitischen Völker, begruben ihre Toten. Tote zu begraben galt als gutes Werk.[8] Auch der Feind[9] und der zum Tode Verurteilte[10] ja selbst der Frevler[11] hatten ein Anrecht, in der Erde bestattet zu werden, aus der er gemacht worden war.[12]

Freilich konnte jemand der auf Grund schwerer Schuld sterben mußte, auch verbrannt werden. [13] Aus allen biblischen Stellen, in denen eine Leichenverbrennung erwähnt wird, geht jedoch hervor, daß sie mit schweren Strafen geahndet wird oder als Ausdruck besonderen göttlichen Gerichts ausgeführt wird.

Als Sara 127jährig in Hebron stirbt, kauft Abraham. von dem Hetiter Efron die Höhle Machpela und begräbt sie dort. Dieses Grundstück ist der einzige Boden, den Abraham. als Eigentum erwirbt. In dieser Höhle werden später auch Abraham selbst, sowie Isaak und Rebekka, Lea, Jakob und zuletzt noch Joseph begraben.

Von Moses heißt es: „Und er (nämlich Gott) begrub ihn im Tal, im Lande Moab gegenüber Bet-Peor. Und niemand hat sein Grab erfahren bis auf den heutigen Tag.[14]

Aus verschiedenen Andeutungen in der Heiligen Schrift kann über die jüdische Bestattungsbräuche folgendes gesagt werden: Dem Toten wurden die Augen geschlossen[15], er wurde gewaschen[16] und mit Leinenbinden zusammen mit wohlriechenden Salben umwickelt[17]. Der Verstorbene wurde aufgebahrt und es begann die Totenklage[18], bei der auch Musiker auftreten konnten[19]. Bei der Totenklage schlug man sich auf die Brust, stieß laute Wehgeschrei aus rief den Namen des Verstorbenen oder sang Klagelieder und weinte. Auch unser Herr schloß sich der Totenklage für Lazarus quasi an, indem er weinte.[20] Vom Gesetz Gottes verboten waren nur die mit der heidnischen Totenklage verbundenen Bräuche[21]. Üblich waren in der Trauerzeit auch Trauergewänder, der Verzicht auf Körperpflege, das Fasten. Die vorgesehene Trauerzeit betrug in Israels sieben[22] oder dreißig Tage[23].

Der Leichnam wurde meist noch am Todestag auf einer Bahre zum Grab getragen. Die Verwendung eines Sarges wird nur für Joseph bezeugt und entsprach ägyptischer Sitte. Auf dem Weg zum Grab, beim Begräbnis selbst und auch danach wurde die Totenklage fortgesetzt. 

Auch unser Herr wurde begraben, wie im Apostolischen und im Nizänischen Glaubensbekenntnis ausdrücklich betont wird. Sein Begräbnis geschah, „wie die Juden zu begraben pflegen“[24] freilich mit den Einschränkungen die sich aus der besonderen Situation nach der Kreuzigung kurz vor dem Sabbat ergaben[25].

Die jüdischen Trauerbräuche werden auch im Neuen Bund nicht aufgegeben. Über den Erzmärtyrer Stephanus heißt es: „Es bestatteten aber den Stephanus gottesfürchtige Männer und hielten eine große (Toten-)Klage über ihn.“[26] Das Trauerfasten, das Jesus selbst für die Zeit, in der der Bräutigam weggenommen sein wird, vorausgesagt hat[27], wird von der Kirche (eigentlich) jährlich am Karfreitag und Karsamstag[28] gehalten.
 

4. Der Brauch der Alten Kirche

Aus den Andeutungen im NT ist zu entnehmen, daß der Brauch der ersten Christen sich nicht wesentlich von den damaligen jüdischen Bräuchen unterschied. Dennoch hatte sich die Einstellung gegenüber den Tod geändert. Mit der leiblichen Auferstehung Jesu Christi hat die allgemeine Auferstehung aller Toten begonnen.[29] Der Tod wurde daher zu Recht als Schlaf aufgefaßt[30] und der Begräbnisplatz „Coemeterium“ = Schlafort[31] genannt. Der Tod galt als Heim-Gang, als Übergang zu Christus[32] in ein besseres Leben. Die Botschaft von der leiblichen Auferstehung galt in der griechischen und römischen Antike als anstößig, lächerlich[33] und barbarisch. Sie mußte daher nachdrücklich in der alten Kirche den Christen bezeugt werden. Denn „nur dieser Glaube ist es, der die Christen von allen (anderen) Menschen unterscheidet und trennt.“[34]

Die Christen distanzierten sich bei ihren Begräbnissitten von den Gepflogenheiten ihrer heidnischen und jüdischen Umwelt nur dann, wenn sie ihrem Glauben an die leibliche Auferstehung widersprachen oder als Teilnahme am Götzendienst verstanden werden konnten. Ansonsten lehnten sie sich an die Bräuche ihrer Umwelt an, was der Kirchenvater Augustinus so begründete: „Mir scheint, der Evangelist (Johannes) hat nicht umsonst sagen wollen, (Jesus ist begraben worden), wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist; so hat er nämlich wenn ich nicht irre, dazu ermahnt, beim Dienst, den man den Toten erweist, den Brauch eines jeden Volkes zu wahren.“[35]

Beim allem Festhalten an den üblichen Bestattungssitten der Umwelt gab es jedoch eine grundsätzliche Ausnahme: Die Leichenverbrennung wurde strikt abgelehnt und die Erdbestattung nach dem Vorbild Christi gefordert. Tertullian rät um 200 n. Chr. „seinen Glaubensgenossen vom Militärdienst ab, da Soldaten, die in der Fremde sterben, meistens verbrannt werden.“[36] Der römische Anwalt Minucius Felix verteidigt im 3. Jh. die Erdbestattung als „den alten und besseren Brauch“.[37] Weiterhin sagten die Christen jenen heidnischen Gepflogenheiten ab, die als Teilnahme am Götzendienst verstanden werden konnten.[38]  

Ersatzlos abschaffen konnte man freilich nicht die Klage um den Toten. Diese wurde durch den Gesang von Psalmen und Hymnen, durch Lesungen und Gebete ersetzt. Das entsprach besser dem vom Osterglauben geprägten Verständnis des Todes. „Die christliche Auffassung vom Tod vermochte sich in nichts anderem überzeugender zu äußern als im Psalmengesang, der das Wehgeschrei und die wilden Schmerzausbrüche der nichtchristlichen Totenklage ersetzte.“[39] Dennoch ging das mit der Überwindung heidnischer Trauerbräuche nicht so schnell. Immer wieder gab es die Mischung aus christlichen und heidnischen Bräuchen. 

Die christliche Sterbe-, Trauer- und Begräbnisliturgie setzte – im Gegensatz zu den heidnischen Bräuchen – schon lange vor dem Augenblick des Sterbens ein und endete nicht mit der Bestattung. Der Tod wurde nicht als Ende des Lebens, sondern als Grenze zwischen zwei Lebensabschnitten gesehen. So wurde automatisch aus dem beistehenden Gebet für den Sterbenden die Fürbitte für den Verstorbenen, die dann mit der Bestattung nicht aufhörte. Die Angehörigen sollte durch die Botschaft von der Auferstehung vor unchristlicher Trauer und Verzweiflung bewahrt, sowie getröstet und in ihrer Hoffnung gestärkt werden. 

Im 7./8. Jh. sah das in Rom ungefähr so aus: Beim Herannahen des Todes: Darreichung der Sakramente als Wegzehrung (Beichte, Krankensalbung, Eucharistie). Bis zum Verscheiden: Lesung der Passionsgeschichten durch einen Priester oder Diakon. Unmittelbar nach Eintritt des Todes: Psalmengesang[40] und Gebete – Waschung und Aufbahrung – Prozession zur Kirche mit Psalmengesang – in der Kirche Psalmen und Lesungen, Meßfeier – Prozession zum Begräbnisplatz unter Psalmengesang mit Weihrauch und Kerzen – Begräbnis mit Lesungen, Gebeten und Psalmengesang. Interessant ist, daß man den Leib des Toten als Tempel des heiligen Geistes [41] und darum nicht mehr (wie im AT[42]) als unrein ansah und ihn auch mit in die Kirche hinein nahm. Ein Vorgang, der im jüdischen Jerusalemer Tempel undenkbar gewesen wäre.

Diese Elemente wurden im wesentlichen auch in den kommenden Jh. beibehalten, wenn auch verändert und erweitert. Dazu mehr zu sagen, würden den Rahmen dieser Ausführungen sprengen.

Die protestantischen Agenden bieten mit Rücksicht auf die verschiedenen Situationen drei unterschiedliche Ordnungen für die Gestaltung der Begräbnisliturgie mit einer großen Auswahl von Psalmen, Lesungen und Gebeten. Es gibt ergänzende Hinweise für Einäscherung und Urnenbeisetzung. Das „protestantische Begräbnis“ wird vor allem als Feier für die Hinterbliebenen gesehen, denen die Botschaft von der Auferstehung verkündigt werden muß. 

Die Reformatoren haben die Fürbitte für die Verstorbenen abgelehnt (Calvin) oder sehr stark eingeschränkt (Luther). 

Weil die Heilige Schrift davon nichts vermeldet, glaube ich, daß es keine Sünde ist, für die Toten aus freier Andacht so oder desgleichen zu bitten: „Lieber Gott, steht es mit der Seele so, daß ihr zu helfen ist, so sei ihr gnädig“ usw. Und wenn dies ein- oder zweimal geschehen ist, so laß es genug sein. Denn die Vigilien und Seelenmessen und jährlichen Totenbegräbnissse bringen keinen Nutzen und sind des Teufels Jahrmarkt. Wir haben auch vom Fegefeuer nichts in der Heiligen Schrift und es ist ohne Zweifel von den Poltergeistern aufgebracht worden. Darum glaube ich, daß es nicht not ist, ein Fegefeuer zu glauben, obgleich Gott alle Dinge möglich sind und er gewiß die Seelen nach ihrer Trennung vom Leib peinigen lassen könnte. Aber er hat es weder sagen noch schrieben lassen, darum will er es auch nicht geglaubt haben.[43]

M.E. drückt der Reformator sich hier etwas widersprüchlich aus. Was meint er mit: „so der Seele zu helfen ist“, wenn er im gleichen Atemzug die Existenz eines Fegefeuers ablehnt? Worin soll diese „Hilfe“ bestehen? Die Erlaubnis, für die Toten zu beten, paßt nicht zu seinen Aussagen im „Widerruf vom Fegefeuer“, den er zwei Jahre später schrieb. Dort sagt er, daß man für „nichtchristliche Seelen“ nicht beten soll noch kann. Tote aber, die „im Herrn“ sterben, seien gerecht und selig. Und weiter fragt er: „Warum beten sie für die seligen, in Christus gestorbenen Seelen?“ Wenn also demnach jemand im Glauben stirbt, ist er selig und man braucht nicht für ihn beten, ob vielleicht seiner Seele zu helfen sei. 

Wir wagen den Umkehrschluß: Und wenn jemand nicht im Glauben stirbt, ist er auch nicht selig und alle Fürbitte nützt ihm nichts. 

Meint Luther beim Erlauben einer ein- oder zweimaligen Fürbitte für die Verstorbenen solche, die nur mit einem „bißchen Glauben“ gestorben und deswegen auch nur „ein bißchen gerechtfertigt“ sind, daß man für sie beten soll? Das hieße aber, daß man nicht „durch den Glauben“, sondern  „wegen des Glaubens“ gerechtfertigt würde. Wenn man proportional zu seinem Glauben gerechtfertigt wird, würde das dann aber bedeuten, daß es von „gerechtfertigt“ eine Steigerungsform gäbe.

Protestantische Trauernde fragen jedoch in der Regel nicht viel danach, ob die protestantische Lehre ein Gebet für ihre Verstorbenen überhaupt gutheißt und wenn ja, wie oft es gutgeheißen wird. Sie tun es einfach. 
 

5. Feuerbestattung?

Im vorhergehenden wurde bereits einiges zur Vernichtung des Leichnams durch Feuer gesagt. Wie ging es weiter in der Geschichte des Verhältnisses Kirche – Leichenverbrennung? 784 n. Chr. wurde die Einäscherung der Leichen als Ausdruck heidnischen Denkens im Reich Karls des Großen bei Todesstrafe verboten.

1876 wurde in Mailand in Italien das wohl erste europäische, 1878 in Gotha das erste deutsche Krematorium gebaut. Parallel dazu fand in der Folgezeit durch so genannte „Vereine für Leichenverbrennung“ eine entschieden atheistische und ausnehmend kirchenfeindliche Propaganda ein. Insgesamt muß man sagen, daß Feuerbestattung und Feindschaft zur Kirche und ihren Lehren damals Hand in Hand gingen. Verschiedene Motive wurden für die Leichenverbrennung ins Feld geführt, so zum Beispiel Gründe der Hygiene, der Ökonomie, Angst davor, lebendig begraben zu werden, Angst vor dem Jenseits. Auf den letzteren Grund lief es wohl bei den meisten heraus. Der Leichnam sollte durch Feuer vernichtet werden, damit dann sicher „alles aus“ ist. Einer der entschiedensten Befürworter der Kremation, ein Herr Dr. J. Schnitzer, schrieb damals: „Im Sinne ihre edelsten Bekenner ist die Feuerbestattung eine Religion der Erlösung. Sie will die Seele erlösen, - erlösen nicht etwa nur von ihrer Verkettung mit dem verwesenden Leib, sondern auch von all ihrer Verhaftung an die Erde und irdische Unreinheit.“[44] Hier läßt griechischer Geist grüßen, für den nur die Seele der eigentliche Mensch ist und der Leib das Grab der Seele. Die Einäscherung des Leichnams ist auch hier ein Ausdruck heidnischen Denkens.

Die Haltung der Katholischen Kirche blieb darum bis ins Jahr 1963 streng ablehnend. Wer bestimmt hatte, daß sein Leib nach seinem Ableben verbrannt werden sollte, konnte die Sterbesakramente nicht empfangen, wurde nicht kirchlich bestattet und seiner wurde auch nicht „offiziell“ in der Fürbitte am Altar gedacht, falls er nicht doch noch wirksam widerrufen hatte. Sehr klar hatte man erkannt „das die Leichenverbrennung von den Feinden des christlichen Namens in Wirklichkeit in der Absicht gelobt und verbreitet werde, daß, nachdem sich die Herzen allmählich von der Betrachtung des Todes und die Hoffnung der Auferstehung der Leiber abgewandt haben, dem Materialismus der Weg geebnet werde.“[45] In der Instruktion "Piam et constantem" des Hl Offiziums  vom 5. Juli 1963 wurde dann aber bestimmt, daß sie dennoch im Grunde zulässig sei, obwohl die Leichenverbrennung propagiert wurde „zum Zeichen der heftigen Ablehnung christlicher Dogmen, am meisten aber der Auferstehung der toten Menschen und der Unsterblichkeit der menschlichen Seele." Der Einäscherung  an sich  haftet diese Gesinnung jedoch objektiv nicht an, denn sie berührt weder die Seele, noch hindert sie Gott in seiner Allmacht, den Leib wiederherzustellen. Darum kann man unter gewissen Umständen, nämlich wenn sie nicht aus einer kirchen- und glaubensfeindlichen Haltung heraus erfolgt, eine Leichenverbrennung hinnehmen. Besser sei es jedoch in jedem Fall, den Leib in der Erde zu bestatten. Der Geist der Kirche steht der Verbrennung nach wie vor fern.[46] Zur Verdeutlichung sei nur gesagt, daß die katholische Kirche auch bei Märtyrern, die verbrannt worden waren[47], nie daran zweifelte, daß sie dennoch Heilige waren.

Somit favorisiert die Römisch-Katholische Kirche nach wie vor die Erdbestattung. (Vgl. die Broschüre „Tote begraben und Trauernde trösten“ der Deutschen Bischofskonferenz. Dort heißt es in 2.3.1. heisst es:

Die Form des Erdbegräbnisses als Körperbestattung und die Art des Grabes haben im Laufe der abendländischen Geschichte viele Wandlungen erfahren. Wie in den ersten Christengemeinden gilt in der Kirche bis heute das Erdbegräbnis als die vorrangige und bevorzugte Form der Bestattung.

Des weiteren heisst es im Katechismus der Katholischen Kirche:

2300 Der Leib des Verstorbenen ist im Glauben und in der Hoffnung auf die Auferstehung ehrfürchtig und liebevoll zu behandeln. Die Totenbestattung ist ein Werk der leiblichen Barmherzigkeit [Vgl. Tob 1,16-18, ]; sie ehrt die Kinder Gottes als Tempel des Heiligen Geistes.

2301 Die Autopsie von Leichen zur gerichtlichen Untersuchung oder zur wissenschaftlichen Forschung ist sittlich zulässig. Die unentgeltliche Organspende nach dem Tode ist erlaubt und kann verdienstvoll sein.
Die Kirche gestattet die Einäscherung, sofern diese nicht den Glauben an die Auferstehung des Fleisches in Frage stellen will [vgl. CIC, can. 1176, § 3].

Im Protestantismus tat man sich mit der Leichenverbrennung nicht ganz so schwer. Obwohl sich schon 1885 der Gothaer Generalsuperintendent Schwarz verbrennen ließ, wurde jedoch noch 1898 den ev. Geistlichen die amtliche Beteiligung an einer Feuerbestattung untersagt. Doch schon bald wankte die Front des Widerstandes. Bis 1925 war in allen ev. Landeskirchen das uneingeschränkte Amtieren eines Pfarrers bei einer Feuerbestattung erlaubt.

M. E. sollte man, wenn man die Wahl hat, die Erdbestattung in jedem Falle vorziehen. Dafür sprechen u. a. der heidnische Ursprung der Leichenverbrennung, die biblischen Aussagen zur Leichenverbrennung, die Pietät vor dem gewesenen Tempel des Heiligen Geistes und unser christlicher Auferstehungsglauben. Wir glauben an die Auferstehung der Leiber[48], nicht nur an Reich seliger Seelen.
Doch werden sowohl begrabene, verbrannte und auch ertrunkene Tote in ihren Leibern vor Gottes Thron stehen. 

Wir wissen aus der Hl. Schrift, daß ein Zusammenhang zwischen unserem jetzigen und unserem zukünftigen Leib besteht: „Es könnte aber jemand fragen: Wie werden die Toten auferstehen, und mit was für einem Leib werden sie kommen? Du Narr: Was du säst, wird nicht lebendig, wenn es nicht stirbt. Und was du säst, ist ja nicht der Leib, der werden soll, sondern ein bloßes Korn, sei es von Weizen oder etwas anderem.  Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er will, einem jeden Samen seinen eigenen Leib. ... So auch die Auferstehung der Toten. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.“[49]  

Verbrennt man aber willentlich ein Samenkorn, bevor man es in die Erde legt?

Matthias Niche
 

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13.3.2012: Vielen Dank dem H. H. Pfr. Viktor Hürlimann für seine wertvollen und konstruktiven Hinweise zu diesem Artikel.

[1] Hebr 2,9

[2] Hebr 2,14f.

[3] Irenäus, haer. 4,18,5. Zitiert nach "Katechismus der katholischen Kirche" 1000

[4] Präfation von den Verstorbenen. Zitiert nach "Katechismus der katholischen Kirche" 1013

[5] 1 Thess , 13f.

[6] Sir 7,37

[7] Lk 9,60 par

[8] Tob 1,18; 2,3-7; 12,12f.

[9] Jos 8,29; 10,27; 2 Sam 21,13f.; 

[10] Dtn 21,22f.

[11] Apg 5,6.10

[12] Gen 3,19

[13] Gen 38,24; Lev 20,14; 21,9; Jos 7,25

[14] 5 Mose 34,6f.

[15] Gen 46,4

[16] Apg 9,37

[17] Joh 19,40; Mk 15,46 par; 16,1 par.; Joh 11,44, Mk 14,12 par.

[18] Apg 9,37.39

[19] Mt 9,23

[20] Joh 11,35 (übrigens der kürzeste Vers im NT)

[21] Lev 19,27; 21,5; Dtn 14,1

[22] Gen 50,10; 1 Sam 31,13

[23] Num 20,29; Dtn 34,8

[24] Joh 19,40

[25] Lk 23,56

[26] Apg 8,2

[27] Mt 9,15

[28] Die Bezeichnung „Ostersonnabend“ für den Karsamstag ist völlig falsch.

[29] 1 Kor 15,22f.

[30] Mk 5,39; Joh 11,11ff.

[31] coemeterium, vom griech.  koimeterion = Ruhestätte

[32] Phil 1,23

[33] Apg 17,32

[34] Augustinus, Sermo 215,6

[35] Augustinus, In Io tract. 120,4

[36] Schürch, H.: Kremation oder Erdbestattung. Selbstverlag 3. Auflage. Seite 6

[37] Minucius Felix, Oct. 34,10

[38] z. Bsp. das Bekränzen der Toten

[39] Handbuch der Liturgiewissenschaften Teil 8, Seite 207

[40] Ps 114-120

[41] 1 Kor 6,19

[42] Lev 21,1-6.10-12

[43] „Ein Glaubensbekenntnis“ von 1528, S. 235

[44] zitiert nach: Schürch, H.: Kremation oder Erdbestattung. Selbstverlag 3. Auflage. Seite 9

[45] Instruktion des Hl. Offiziums vom 19. Juni 1926, DH 3680

[46] DH 4400

[47] z. Bsp. der Polycarp (= 156) oder die Jeanne d‘Arc (= 1431)

[48] Im Glaubensbekenntnis eigtl. wörtlich: Auferstehung des Fleisches

[49] 1 Kor 15,35ff.


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